Österreichs Innenministerin:Wo Härte zum Jobprofil gehört

Wer ist schuld, wenn 71 Flüchtlinge in einem Lkw sterben? Nicht die Politik, sagt Johanna Mikl-Leitner. Ihre spröde Art könnte die österreichische Innenministerin das Amt kosten.

Von Cathrin Kahlweit

Es mache sie "betroffen", dass man wieder einmal versuche, die "Schuld bei der Innenministerin zu suchen", sagte Johanna Mikl-Leitner in ihrer gewohnt spröden Art in einem Fernsehinterview, nachdem auf der Autobahn nach Wien 71 tote Flüchtlinge in einem Lastwagen entdeckt worden waren. Und nein, sie denke nicht an Rücktritt. Schuld an der Tragödie seien schließlich Terroristen und Schlepper. Also nicht die österreichische Politik.

Rücktrittsaufforderungen und Schuldzuweisungen ist die 51-Jährige gewohnt. Dazu liegt in Österreichs Asylpolitik ja tatsächlich zu viel im Argen. Das überfüllte Erstaufnahmelager und der Unterbringungsstreit mit Ländern und Kommunen stehen schon seit Monaten in der Kritik. Und auch mancher Schnellschuss - etwa die Drohung, vorläufig nur noch Dublin-Fälle zu bearbeiten, oder die Idee, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Asylpolitik der EU zu klagen - haben der eigentlich als hart und energisch geltenden Mikl-Leitner das Image einer Ankündigungsministerin verschafft, die wenig durchsetzen kann.

Das ist, wie vieles im politischen Geschäft, nur bedingt fair. Denn auch Mikl-Leitner ist auf die Kooperation der Bundesländer angewiesen, wo Landeshauptleute und Bürgermeister die Verteilung und Unterbringung Zehntausender Flüchtlinge aus so durchsichtigen wie populistischen Gründen torpedieren. Und langfristige Lösungen, etwa Erstanlaufstellen für Flüchtlinge außerhalb der EU, hat die ÖVP-Politikerin tatsächlich schon gefordert, lange bevor sich die Flüchtlingszahlen auch in Österreich innerhalb weniger Monate verfünffachten.

Mikl-Leitner tut sich schwer, sympathisch zu wirken

Aber: Die studierte Wirtschaftspädagogin steht sich oft selbst im Weg. 2003 wurde Mikl-Leitner von ihrem mächtigen Förderer, dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, zur Sozialministerin in St. Pölten gemacht, bevor sie 2011 Bundesinnenministerin wurde. Ihre oft hölzern klingende Sprache, ihre Unwilligkeit, vielleicht auch Unfähigkeit, öffentlich Gefühle zu zeigen, machen es ihr schwer, Sympathien zu erringen. Sie habe eben - im Unterschied zu denen, die Angst vor den Flüchtlingen verbreiteten - immer versucht, sachlich zu bleiben, sagte sie kürzlich im Standard.

Betroffen von Einzelschicksalen sei sie trotzdem: "Meine ganze Kraftanstrengung gehört ja den Migrationsströmen." Ihre Vorgängerin hatte einst, ebenfalls in einer Asylfrage, gesagt, sie habe "nach den Gesetzen vorzugehen, egal ob mich Rehlein-Augen aus dem Fernseher anstarren". Eine gewisse Härte gehört bei Österreichs Innenministern also offenbar zum Jobprofil.

Derzeit wird in Wien gestreut, Mikl-Leitner könne demnächst als neue Landeshauptfrau nach Niederösterreich weggelobt werden, weil ihr das Regierungsversagen in der Asylpolitik angelastet werde und man da, auch fürs Image, einen Neuanfang wolle. Offiziell aber denkt sie ja nicht an Rücktritt.

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