1. FC Köln gewinnt glücklich:Witz ohne Lacher

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Modeste fällt, Spahic war eher unschuldig: Köln nutzt gegen gute Hamburger die Gunst des Schicksals - einen umstrittenen Strafstoß.

Von Philipp Selldorf, Köln

Emir Spahic verließ das Müngersdorfer Stadion mit einer Miene, die geeignet wäre, die allergemeinsten Schläger in St. Paulis Hafenkneipen einzuschüchtern. Niemand wunderte sich jedoch über seine strenge Mimik und seine entschiedene Unlust, über die 1:2-Niederlage des Hamburger SV beim 1. FC Köln zu reden, zu der er wesentlich beigetragen hatte. Erstens hat man sich daran gewöhnt, dass Spahic fähig ist, den bösen Blick des Fürsten der Finsternis aufzusetzen, und zweitens war es nur zu verständlich, dass dem 35-jährigen Bosnier nicht nach Plaudern zumute war, denn an diesem Nachmittag war dem Abwehrchef des Hamburger SV Unrecht geschehen.

Kenner sagen, dass Spahic seine Mitmenschen in Freunde und Feinde einzuteilen pflegt. Für die Freunde gibt es Bruderküsse, die mutmaßlichen Feinde müssen mit Unannehmlichkeiten rechnen.

Ein Elfmeter für den FC, der nicht hätte gepfiffen werden dürfen, sorgt für die Entscheidung

Auf dem Platz gehören Provokationen und schmutzige Fouls zu seinen besonderen Spezialitäten. Am Samstagnachmittag hatte Spahic jedoch keinen Grund, die Kölner Angreifer zu bedrohen und zu erschrecken. Weitgehend mühelos und mit der Routine eines langen Profilebens, das ihn nach Spanien, Frankreich und Russland und als Krönung zum abenteuerlichsten deutschen Fußballklub geführt hat, hielt er in der Hamburger Abwehr Ordnung. Bis zur 79. Minute hatte er viele saubere Pässe verteilt, aber kein einziges Foul begangen. Bis ihn ein schneller Kölner Angriff zur Verfolgung von Anthony Modeste nötigte.

Zu intensiv die Hand aufgelegt? Emir Spahic (links) und der HSV wurden für die Begegnung mit Anthony Modeste doppelt bis dreifach bestraft. (Foto: Horstmüller/imago)

Spahic war der einzige, der aus der weit aufgerückten Hamburger Elf noch übrig war, um den von Milos Jojic und Philipp Hosiner brillant inszenierten Konter aufzuhalten. Doch den meterweiten Rückstand auf Modeste konnte er nicht wettmachen. Just als der FC-Stürmer schießen wollte, geriet er aber ins Stolpern, so dass er beim Stochern nach dem nunmehr herrenlosen Ball unvermeidlich mit seinem Verfolger zusammentraf. Modeste stürzte, und Referee Deniz Aytekin entschied: rote Karte für Spahic und Elfmeter für Köln.

Der Hamburger Mittelfeldspieler Lewis Holtby war nur einer von vielen Demonstranten, die anschließend bei Aytekin Protest einlegten. Vergeblich, wie er berichtete: ",Das war nichts, das ganze Stadion hat's gesehen', habe ich zum Schiri gesagt, aber er meinte: ,Nee, ganz klar, er trifft ihn unten am Knöchel'." So war selbst der immer gesprächige Holtby sprachlos: "Da habe ich nur dumm geguckt." Später erzählte Holtby, dessen erstes Bundesliga-Tor seit 2013 am Ende nur von statistischem Interesse war, der Schiedsrichter habe sich bei Spahic und dem Klub entschuldigt - eine Behauptung, die er bald wieder zurückzog. Dass Aytekin auch nach der Partie bei seiner Auffassung blieb ("Es gab einen Kontakt"), dürfte die Hamburger nicht erfreuen. Der Wunsch von Trainer Bruno Labbadia ("Der Platzverweis war für mich ein Witz"), dass Spahic wenigstens die Sperre fürs nächste Spiel erspart bliebe, wird sich nicht erfüllen. Der Bosnier kennt solche Ruhepausen zur Genüge: Es war sein zehnter Platzverweis binnen acht Jahren.

Mindestens verblüfft hatte auch der Kölner Trainer Peter Stöger die Szene betrachtet. "Von meiner Position 50 Meter entfernt hätte ich den Elfmeter nicht gegeben", sagte er später. Einspruch gegen den Elfmeter hat er jedoch nicht eingelegt. Modeste, der später erklärte, er habe "keine Meinung" zu dem Vorfall ("Ich bin kein Schiedsrichter"), nutzte die Chance zum 2:1, und die Kölner wussten kaum wohin in ihrem Glück - mit so viel reichem Lohn hatten sie nicht rechnen können. Keine fünf Minuten zuvor, bis zum überraschenden Ausgleich durch den eingewechselten Hosiner (76.), hatte es noch so ausgesehen, als würde sich der FC die Niederlage einhandeln, die ihm durchaus zustand.

Der HSV hatte die Partie unter Kontrolle und war dem zweiten Treffer näher als die Kölner dem 1:1, obwohl Peter Stöger mit seinen Einwechslungen zur totalen Offensive geblasen hatte. Der 22-jährige Hamburger Ersatztorwart Andreas Hirzel, der nach 40 Minuten den an der Schulter verletzten René Adler ablöste, blieb dennoch weitgehend arbeitslos.

Kein Kölner versäumte es nach der Partie, die Gunst des Schicksals zu preisen, das dem FC den Sieg brachte. Trotzdem hatte Philipp Hosiner recht, als er meinte, dass es auch von den Qualitäten der Mannschaft zeugte, das Duell trotzdem noch gewonnen zu haben. Profis wie Leonardo Bittencourt und Modeste oder die eingewechselten Jojic und Hosiner bringen Elemente ins Kölner Spiel, die es in der vorigen Saison noch nicht gab. "Der HSV war sehr gut eingestellt, er hätte sicherlich einen Punkt verdient gehabt", resümierte Torwart Timo Horn. Da wünschte sich Lewis Holtby fast, dass der HSV mal wieder dieses Bild abgegeben hätte, an das sich das Publikum seit einigen Jahren gewöhnt hat: "Wenn wir hier eine 0:4-Klatsche bekommen hätten, dann müsste man ja nichts sagen", klagte er.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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