Emmanuel Macron im Interview:"Wir wollen eine Neugründung Europas"

Key Speakers At Osons La France Economic Summit

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron fordert Finanztransfers in der EU.

(Foto: Bloomberg)
  • Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron schlägt vor, einen Kommissar für den Euro in Brüssel zu installieren.
  • Der soll die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der 19 Euro-Länder koordinieren und über ein erhebliches Budget verfügen.
  • Falls man in der Währungsunion zu keiner Form von Finanztransfer bereit sei, könne man den Euro und die Eurozone vergessen.

Lisez la version française de l'interview - lesen Sie hier die französische Version des Interviews.

"Die Währungsunion kann nicht wie bisher weitermachen"

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron fordert eine grundlegende Erneuerung von EU und Eurozone. "Wir wollen eine Neugründung Europas", sagte der Minister im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (Montagsausgabe). Die Euro-Krise und die Verhandlungen um ein Rettungspaket für Griechenland hätten bewiesen, dass die Währungsunion nicht wie bisher weitermachen könne: "Der Status Quo führt in die Selbstzerstörung", sagte Macron der SZ, "die Fliehkräfte sind zu groß, politisch wie ökonomisch." Der 37jährige Politiker sieht seine Generation vor einer fundamentalen Frage: "Wollen wir die Neugründer Europas sein - oder seine Totengräber?"

Macron konkretisiert im SZ-Interview jüngste Vorschläge des französischen Präsidenten Francois Hollande, in der Euro-Zone eine "Wirtschaftsregierung" zu etablieren. Dazu will Macron einen neuen "Euro-Kommissar" in Brüssel installieren, der die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der 19 Euro-Länder koordinieren soll: "Die Euro-Regierung würde geführt von einem Kommissar mit weitreichenden Befugnissen," sagte Macron, "das wäre nicht nur ein Euro-Finanzminister, sondern jemand, der auch Investitionsmittel vergibt oder in der Arbeitsmarktpolitik mitredet."

Der Vorstoß verlangt von Deutschland Tabubrüche

Nach Meinung von Macron muss der neue EU-Kommissar zugleich deutlich mehr Finanzmittel erhalten als sie bisher im EU-Haushalt zu Verfügung stehen: "Je höher das Budget, desto glaubwürdiger wäre Europa." Mehr Geld sei nötig, um die Mitgliedsstaaten vor Finanzschocks zu schützen und in armen Euro-Ländern vermehrt Investitionen zu fördern.

Macron räumte ein, dass sein Vorstoß "von Deutschland Tabubrüche verlangt". Bisher lehnte Berlin Pläne für eine "Transferunion" strikt ab. Macron warnt jedoch: "Falls die Mitgliedstaaten wie bisher zu keiner Form von Finanztransfer in der Währungsunion bereit sind, können wir den Euro und die Eurozone vergessen." Weiter sagte er: "Eine Währungsunion ohne Finanzausgleich - das gibt es nicht! Die Starken müssen helfen."

Ein Euro-Parlament soll die Wirtschaftsregierung kontrollieren

Die neue EU-Behörde will Macron parlamentarischer Kontrolle unterwerfen: "Das würde ein Euro-Parlament leisten - eine neue Kammer, die aus den Abgeordneten des Europäischen Parlaments besteht, deren Länder der Eurozone angehören."

Der Minister, ein früherer Élysée-Berater und enger Vertrauter von Präsident Hollande, zeigte sich überzeugt, dass die Franzosen seine weitreichenden Pläne in einem Referendum billigen würden. Ein Nein wie 2005 drohe nur, wenn der nötige neue EU-Vertrag zu kurz greife: "Fällt die Reform zu klein aus, dann werden die Menschen sie tatsächlich ablehnen. Sie wollen nicht mehr das Europa der Bürokraten, all das Klein-Klein. Wir brauchen einen großen Wurf. Und eine offene Debatte, nicht wie bisher Europa nur von oben herab."

Neuer EU-Vertrag

Macron äußerte sich zuversichtlich, die EU-Debatte auch gegen Rechtspopulisten wie Marine Le Pen, der Vorsitzenden des Front National, gewinnen zu können: "Die Menschen hängen an der Idee Europas. Aber wir Politiker werden diesem Traum nicht gerecht."

Der Minister regte an, die radikale Reform bis spätestens 2019 in einem neuen EU-Vertrag zu verankern: "Wir müssen schon jetzt all die Änderungen des EU-Vertrags vorbereiten. Die können wir dann ab Herbst 2017 umsetzen, wenn die nationalen Wahlen in Frankreich und in Deutschland hinter uns liegen. Schon 2018 oder 2019 sollte Europa auf einem neuen, besseren Fundament stehen."

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