Grafik zu Bundesliga-Transfers:Darmstadt plündert die Liga

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Der Audi-Klub Ingolstadt ist bescheidener als der Traditionsverein Darmstadt, das kleine Sinsheim wird multikulturell - und Bayern wildert in Italien. Unsere Transfergrafik zeigt, wie Zugänge die Bundesliga verändern.

Von Lisa Sonnabend und Katharina Brunner (Grafik)

So hektisch ging es auf dem Transfermarkt noch nie zu. Am Montag um 18 Uhr endete die Frist - und die Bundesligisten schlugen in den Stunden zuvor noch einmal kräftig zu. Nachdem der VfL Wolfsburg für den Verkauf von Kevin De Bruyne irrwitzige 74 Millionen Euro kassiert hatte, leistete er sich mal eben Julian Draxler für die Hälfte der Summe. Der FC Bayern lotste mit Kingsley Coman noch schnell den zweiten Juve-Spieler nach Arturo Vidal in Richtung München. Als Heung-Min Son für 35 Millionen Euro nach Tottenham transferiert worden war, investierte Bayer Leverkusen die frei gewordenen Millionen kurzerhand in Javier "Chicharito" Hernandez, der zuletzt für Real Madrid stürmte.

Ob die Last-Minute-Transfers überzeugen können, wird sich erst nach ein paar Spieltagen beurteilen lassen. Doch schon jetzt lassen sich Fragen wie diese beantworten: Welcher Klub hat sich in diesem Sommer die meisten Spieler gegönnt? Aus welcher Liga kommen die meisten Zugänge? Und welcher Verein hat beim Wechselpoker fast nur zugeschaut? Die Transfer-Grafik von SZ.de gibt Antworten.

  • Neue Beine in der Liga

Es herrscht reger Wechsel in der Bundesliga: 182 Fußballer sind bei einem anderen Verein tätig als noch in der Saison zuvor. Dabei trugen viele auch im Vorjahr bereits ein Leibchen von einem Bundesligisten: 51 Spieler aus der höchsten deutschen Spielklasse machten bis zum Ende der Transferfrist zu einem Konkurrenzverein rüber - mindestens jeder vierte Wechsel war also ligaintern. Auch viele Profis der 2. Liga schafften den Aufstieg, selbst wenn ihrem Verein dies nicht gelang. 23 Zweitliga-Kicker sind nun bei einem der 18 besten Klubs des Landes unter Vertrag. Der 19-jährige Julian Weigl beispielsweise war eben noch beim kriselnden TSV 1860 München, nun ist er Stammspieler beim derzeitigen Tabellenführer Borussia Dortmund.

  • Karrieresprungbrett Hannover und Bremen

Hat ein Zweitliga-Spieler den Traum, einmal in der Bundesliga zu spielen, sollte er am besten bei Hannovers Vorstandsvorsitzendem Martin Kind durchklingeln. Denn kein Klub vertraute den Fähigkeiten der Zweitligisten so sehr wie die Niedersachsen. Gleich sechs Spieler aus der zweithöchsten Spielklasse gab Hannover in diesem Sommer eine Chance.

Doch sogar zahlreiche Nachwuchs- und Regionalligaspieler ergatterten in der Bundesliga eine Anstellung. 17 Spieler aus der Regionalliga und 25 aus den Nachwuchsligen bekamen einen Vertrag, die meisten wurden von ihrem eigenen Verein befördert. Schalke zeigte einmal mehr, dass der Verein über eine gute Nachwuchsarbeit verfügt: Drei Spieler aus der U19 und Torwart Michael Gspurning aus der Regionalliga trainieren nun unter Andre Breitenreiter auf Eliteniveau. Nur Werder Bremen gab noch mehr Jungen eine Chance: Fünf Spieler aus der zweiten Mannschaft rückten hier in das Profiteam auf.

  • Ein Liechtensteiner, ein Bulgare, ein Peruaner

Die Bundesliga ist aber auch für Spieler aus dem Ausland attraktiv: In der Saison 2015/2016 sind 66 Neulinge aus anderen Ligen dabei. Aus England kamen gleich sieben Spieler hinzu. Allerdings konnten sich nur die reicheren Vereine, die an der Champions League oder Europa League teilnehmen, Personal aus der milliardenschweren Premier League leisten. Die einzige Ausnahme: Fast-Absteiger HSV machte ein paar Millionen Euro locker, um den von Tottenham ausgeliehenen Lewis Holtby fest zu binden.

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Auch sieben Fußballer aus Italien wagten sich nach Deutschland, gleich zwei davon in die nördlichste Stadt Italiens, zum FC Bayern. Nicht einmal eine neue Sprache müssen wiederum die fünf Zugänge aus der Schweiz lernen - an die Gepflogenheiten der Bundesliga müssen aber auch sie sich erst gewöhnen.

Es gibt auch Exoten, die ganz alleine nach Deutschland kommen. Der HSV etwa hat mit Torwart Andreas Hirzel einen der 40 000 Bewohner von Liechtenstein angelockt. Ein Jahr lang lebte der Schweizer in dem kleinen Land, nun muss er sich in einer Millionenstadt zurechtfinden (und mit der Bank in Hamburg). Beim VfL Wolfsburg wirbelt jetzt der 23-jährige Carlos Ascues aus Peru im Mittelfeld herum und bei Schalke verteidigt Júnior Caiçara, der zuvor bei Ludogorets in Bulgarien angestellt war.

  • Sinsheim wird multikulturell

Gleich zwei Last-Minute-Einkäufe tätigte der VfL Wolfsburg am allerletzten Transfertag. Mit insgesamt neun Verpflichtungen ist der VW-Klub allerdings nur Liga-Mittelmaß. Am meisten Verstärkung kaufte sich die TSG Hoffenheim. Das von Milliardär Dietmar Hopp unterstützte Team holte gleich 16 neue Spieler - und die kamen aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt. Bei Hoffenheim sind nun Fußballer aus elf verschiedenen Nationen neu dabei: Felipe Pires von RB Salzburg, In-Hyeok Park aus der südkoreanischen K League, Pavel Kaderábek aus Tschechien, Kevin Kuranyi von Dinamo Moskau, Joelinton und Guilherme Biteco aus Brasilien oder der Schwede Jiloan Hamad, der im belgischen Lüttich beschäftigt war. Das kleine Sinsheim wird multikulturell.

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Hertha BSC dagegen vertraut ganz auf den deutschen Fußball: Der Hauptstadt-Klub verstärkte sich mit acht Spielen - alle kommen aus der Bundesliga, 2. Liga oder dem eigenen Nachwuchs. Im vergangenen Sommer verfolgte die Hertha noch eine andere Strategie: Sie holte zehn Spieler aus sechs verschiedenen Ländern - und wäre am Ende beinahe abgestiegen.

  • Darmstadt plündert die Bundesliga

Auch Aufsteiger Darmstadt bedient sich vor allem an Personal, das schon davor in Deutschland beschäftigt war. Gleich sieben Spieler wurden verpflichtet, die bereits über Bundesliga-Reife verfügen. Denn die benötigt der SV Darmstadt für die erste Saison in der höchsten Spielklasse seit 33 Jahren dringend.

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Überhaupt war das Team von Dirk Schuster recht aktiv auf dem Transfermarkt: 14 Spieler kamen neu hinzu, nur die TSG Hoffenheim kaufte wilder ein. Das kleine Darmstadt verpflichtete damit sechs Spieler mehr als der reiche FC Bayern und doppelt so viele wie Champions-League-Teilnehmer Gladbach. Ob es was bringt? Der Saisonstart verlief jedenfalls schon einmal vielversprechender als bei der Borussia. Darmstadts Mannschaft der "anderswo Gescheiterten" überrascht viele.

  • Ingolstadt schaut nur zu

Im Gegensatz zu Darmstadt hielt sich der zweite Aufsteiger FC Ingolstadt überraschenderweise auf dem Transfermarkt zurück. Nur fünf Spieler holte Trainer Ralph Hasenhüttl neu ins Team: den Stürmer Elias Kachunga (Paderborn), Mittelfeldspieler Romain Bregerie (Darmstadt), den 18 Jahre alte Maurice Multhaup (Schalke), Verteidiger Markus Suttner (Austria Wien) und den norwegischen Nationaltorhüter Örjan Nyland (Molde FK). Von vielen wird der FC Ingolstadt ja verdächtigt, ausgestattet mit den Millionen Euro aus dem ortsansässigen Audi-Werk die Liga aufmischen zu wollen. Doch die Investitionen fallen im Vergleich zu anderen Klubs äußerst mager aus: Kein anderer Verein kaufte in diesem Sommer so wenige Spieler - und so fungiert der 2004 gegründete Klub beinahe als ein bescheidener Gegenentwurf zum Traditionsverein aus Darmstadt.

  • Bremen verjüngt sich

Ein Wechselgeschäft überraschte in diesem Sommer besonders. Der Hamburger SV gab dem vereinslosen Emir Spahic einen Vertrag; dabei war der bosnische Verteidiger erst wenige Wochen zuvor bei Bayer Leverkusen rausgeflogen, weil er im Stadion auf einen Ordner eingeprügelt hatte. Und noch etwas ist an diesem Transfer ungewöhnlich: Spahic ist bereits 35 Jahre alt - und damit der älteste Bundesliga-Zugang in diesem Sommer. Als Investment in die Zukunft kann Spahic also nicht gedacht sein, sondern wohl eher als erfahrener Aufräumer in der Abwehr - der den Abstieg verhindern soll.

Nachhaltiger agierte dagegen Werder Bremen. Kein Verein verjüngte sein Team derart. Elf Fußballer kamen neu hinzu, gerade einmal 21 Jahre sind sie durchschnittlich alt. Torwart Felix Wiedwald ist mit 25 Jahren der älteste Zugang. Die fünf beförderten Regionalligaspieler sind alle noch keine 21 Jahre alt.

  • Hoffenheim im Stürmer-Kaufrausch

Die TSG Hoffenheim geriet in diesem Sommer ziemlich in Panik. Angreifer Roberto Firmino war für 41 Millionen vom FC Liverpool weggelockt worden. Es musste also dringend Ersatz her. Die Kraichgauer verfolgten dabei die Strategie: Lieber ein paar Stürmer mehr einkaufen, ein Guter wird schon dabei sein. Gleich fünf Angreifer verpflichteten sie: Kevin Kuranyi, Joelinton, Eduardo Vargas, In-Hyeok Park und Mark Uth. Ein Tor hat allerdings bislang noch keiner von ihnen erzielt.

Insgesamt stürmen in der Bundesliga in dieser Saison 34 neue Gesichter. Zudem sind 20 Torhüter hinzugekommen, 49 Verteidiger und 77 Mittelfeldspieler. Wer bei seinem neuen Klub überzeugt, wer enttäuscht - und wen es in der Winterpause vielleicht schon weiter zu einem anderen Verein zieht, wird das Bundesliga-Theater erst noch zeigen.

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