Gutschein-Trick:Ebay statt Radio

Gesundheit aus dem Meer: Thalasso ist mehr als nur Wellness

Wellnesshotels gehörten zu den bevorzugten Opfern des Mannes.

(Foto: dpa)

Ein Moderator versprach Hunderten Hotels, Gutscheine zu verlosen, um für sie zu werben. Doch in Wahrheit verkaufte er sie im Internet - und behielt das Geld.

Von Gianna Niewel

Kurzes Räuspern, dann geht es los: Der Hotelier von der Mosel erzählt von der idyllischen Lage seines Hotels, er schwärmt von der großen Whisky-Auswahl an der Hausbar, vom Wellnessbereich. Knapp eine Viertelstunde, schätzt er, hat das Interview gedauert. Ausgestrahlt werden sollte die Werbung für sein Haus auf einem Radiosender mit Millionenpublikum. So jedenfalls hatte man ihn glauben lassen. Dem Moderator hatte er dafür einen Gutschein an ein Postfach in der Eifel geschickt, zwei Übernachtungen im Doppelzimmer, Frühstück, abendliches Schwenkbratengrillen inklusive. Werbung gegen Gutschein, das war der Deal mit dem Moderator des RTR Kulturradio Europa. Unter den Hörern der Sendung sollte dieser Gutschein verlost werden. Das zumindest dachte der Hotelier.

Tatsächlich aber ist er der Masche eines Mannes aus dem belgischen Lontzen auf den Leim gegangen, und er war nicht das erste Opfer. Der Mann hat offenbar schon Hunderte von Hotel- und Gaststättenbesitzern in halb Europa abgezogen. Betroffen sind jedoch überwiegend deutsche Hotels. Die Masche des Betrügers: Statt die mehr als 2500 Übernachtungsgutscheine zu verlosen, hat Rainer K. sie unter dem Nutzernamen "goldschatz1963" auf Ebay verkauft - und so mehrere Hunderttausend Euro verdient. Mal ging das Wochenende am Bodensee für 123,22 Euro weg, mal bot ein Käufer für sieben Übernachtungen und Abendessen mit Weinbegleitung 612 Euro. Ein lukratives Geschäft. Oder sollte man sagen: profitabler Betrug? Mittlerweile ermittelt jedenfalls die Polizei.

Aufgeflogen ist das Ganze am vergangenen Wochenende nach Recherchen der Schweizer Sonntagszeitung. Ein Hotelbesitzer im Kanton Wallis war stutzig geworden, weil ein Gast einen Gutschein einlösen wollte, den sein Haus so nicht herausgegeben hatte. Rainer K. hatte Gutscheine auch auf eigene Faust ausgestellt und bei Ebay verkauft. Auf diese Weise hat der Moderator offenbar bereits seit Mai 2005 in die eigene Tasche gewirtschaftet. Mehr als 402 000 Euro sind es, die er seinem Ebay-Profil zufolge in den vergangenen zehn Jahren kassiert hat -eine stolze Summe für jemanden, der nach eigenen Angaben Sozialhilfe empfängt.

Hiermit konfrontiert, antwortet Rainer K. schriftlich. Es ist eine ausführliche Mail, es geht darin um hohe Telefonrechnungen, steigende Steuern, Krankheit. Er sucht nach Verständnis, hofft offenbar auf Mitleid. Nein, er sende nicht aus einem "Funkturm", wie in den Anschreiben an die Hoteliers steht. Der "Funkturm", das sei sein Wohnzimmer. Auch dass viele Beiträge gar nicht gesendet wurden, tue ihm leid. "Ich wollte nicht, dass jemand zu Schaden kommt", schreibt er.

Bewusst getäuscht habe er aber nicht. Schließlich habe er in dem Anschreiben an die Hoteliers ja mitgeteilt, die Gutscheine würden "in einer Versteigerungsauktion im Radio oder per Internetplattform weitergegeben." Für ihn war die Sache damit klar: "So glaubten wir, die Hotels seien mit dieser Variante bei Ebay einverstanden." Juristisch gesehen mag er womöglich sogar Recht haben. Und dennoch: Zahlreiche Hotelbesitzer von Berlin bis zum Bayerischen Wald fühlen sich getäuscht. Sie hätten gedacht - und so hat Rainer K. ihnen offenbar auch glaubwürdig versichert -, die Gutscheine kämen den Zuhörern der Reisesendung zugute.

Von Ebay sei in den Telefonaten mit Rainer K. nie die Rede gewesen. Von Ebay steht auch in den Anschreiben nichts. "Für uns ist das glasklarer Betrug", sagt der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Deutschland, Jürgen Benad. Der Verband wollte seine Mitglieder Benads Angaben zufolge noch am Montag vor Rainer K. warnen.

Überhaupt: Die Ungereimtheit mit den Gutscheinen ist ja nur der eine Teil des Schwindels. Der andere ist die Werbung für die Hotels. Die wurde in vielen Fällen nicht gesendet wie vereinbart, in manchen wurde sie schlicht gar nicht ausgestrahlt. Schaltete man den Live-Stream von RTR Kulturradio Europa ein, lief fast ausschließlich Musik, Schlager, Oldies. Die Homepage wirkte auch wie aus der Zeit gefallen. Einige der Verlinkungen funktionieren nicht. Inzwischen ist die Seite nicht mehr erreichbar, angezeigt wird nur noch eine Fehlermeldung. Man hätte aber auch schon davor hellhörig werden können, wenn ein solcher Anbieter mit seiner Reisesendung ein "Millionenpublikum in ganz Europa" erreichen will und mit "profihafter Führung" lockt.

"Ja, schon", sagt der Besitzer eines Berggasthofs in Bayern, "könnte man." Auch er hat im vergangenen November sein Hotel per Interview beworben. Er hat vom Sektfrühstück geschwärmt, vom Golfclub in der Nähe erzählt. "Kulturradio", habe er gedacht, "das klingt gut." Genau genommen klinge es nach jenem Zuhörerkreis, der sich auch für die Wanderwege vor seiner Haustür interessieren könnte. Nach RTR geguckt habe er nicht. Fast wöchentlich erhalte der Gastronom schließlich Anfragen von Werbeblättern, Zeitungen und auch Radiosendern. "Und für uns ist das ja keine große Aktion, so ein Gutschein." Er hatte damals eines der "Super-Angebote" wie Rainer K. sie anpries - gewählt: einen Monat kostenlose Internetwerbung, bis zu zehn Mal am Tag sollte der Beitrag für seinen Gasthof im Radio laufen. Die Gegenleistung war ein Gutschein für sieben Übernachtungen im Doppelzimmer mit Halbpension. Der Wert: 546 Euro. Der Werbeeffekt: gleich null. "Das ärgert enorm", sagt der Gastronom.

Der Schweizer Hotelier-Verein Hotelleriesuisse hat seine Mitglieder inzwischen vor dem "Betrüger" Rainer K. gewarnt. "Wir raten Ihnen dringend ab, auf ein solches Angebot einzugehen", schreibt die Rechtsberatung sicherheitshalber gleich auf Deutsch, Französisch und Italienisch. "Wir prüfen diesen Fall genauer und behalten uns künftige rechtliche Schritte vor", heißt es weiter. Der Walliser Hotelverein hat derweil die Polizei eingeschaltet. Und Rainer K.? Der möchte gerne weiter Radio machen, schreibt er. Er hat auch schon eine Idee: Vielleicht könne er ja "bei einem großen Sender ein Reisemagazin moderieren."

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