Abschied vom Skicross:Grillen und Tiefschnee

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"Ich liebe es mich zu battlen": Was er auf Skiern kann, hat Simon Stickl schon bewiesen. Künftig misst er sich in der Küche an den Ansprüchen seiner Gäste.

(Foto: GEPA/Imago)

Als erstem deutschen Skicrosser gelang Simon Stickl ein Weltcupsieg. Mit 27 Jahren beendet er seine Karriere - und wird Koch.

Von Nino Duit

Zum Bewegungsmuffel wird Simon Stickl in den nächsten Monaten sicherlich nicht verkommen, soviel scheint klar zu sein. Beim TSV Bad Wiessee will er wieder Fußball spielen und am Golfplatz gibt es auch noch einiges zu tun. Derzeit beträgt sein Handicap 29. Als ehrgeiziger Sportler sieht Stickl hier naturgemäß noch Verbesserungspotenzial. Er hat jetzt für Freizeitsport auch reichlich Zeit: Vergangene Woche beendete der 27-Jährige seine Karriere als Skicrosser. Der Piste, seinem eigentlichen Metier, will Stickl in Zukunft aber auch nicht fernbleiben. Er habe das Skifahren immer geliebt, werde es immer lieben und auch weiterhin jeden freien Tag, an dem Schnee liegt, auf Ski verbringen, sagt Stickl, "aber eben im Tiefschnee und nicht im Rennzirkus".

"Die Motivation alles zu riskieren, war einfach nicht mehr voll da", sagt Simon Stickl

Der Abschied vom Rennbetrieb nach einem Jahrzehnt im Leistungssport fiel ihm schwer. Doch Stickl fasste den Entschluss, mit 27 im besten Sportleralter seine Karriere zu beenden - und nahm sich somit selbst einige Jahre, in denen er noch auf höchstem Niveau hätte fahren können. "Die Motivation alles zu riskieren, war einfach nicht mehr voll da", erklärt er, "und dann macht es keinen Sinn mehr weiterzumachen." In den vergangenen Jahren lief es auch sportlich nicht mehr optimal. "Für ganz oben hat es leider nicht mehr gereicht", sagt Stickl, der auch intern im deutschen Team zuletzt überholt wurde. Speziell Daniel Bohnacker und Andreas Schauer konnten im Weltcup bessere Ergebnisse erzielen.

Deutscher Skicross-Pionier darf sich aber Stickl nennen. Im Laufe seiner Karriere bildeten zwei Premieren die absoluten Höhepunkte. Als erster Deutscher gewann der Mann aus dem Landkreis Miesbach ein Skicross-Weltcuprennen. 2010 war das, im österreichischen St. Johann. Keiner in der deutschen Mannschaft habe mit diesem Sieg gerechnet, erinnert sich Stickl, "ich am allerwenigsten".

Nur etwas mehr als einen Monat später stand damals das nächste Debüt bei einem Großereignis auf dem Programm. Bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 tauchte erstmals in der Geschichte auch Skicross im Programm auf. Stickl durfte im ersten Rennen auf die Piste - und das mit Startnummer eins. Die ganz großen Erfolge sollten in den folgenden Jahren jedoch ausbleiben; Stickl brachte es auf insgesamt 18 Top-Ten-Platzierungen im Skicross-Weltcup. Darüber hinaus kann er auf vier Weltmeisterschafts-Teilnahmen sowie drei deutsche Meistertitel zurückblicken.

Eine durchaus gute Ausbeute für einen, dessen Begeisterung für den Skicross-Sport erst verhältnismäßig spät geweckt wurde. In seiner Jugend fuhr Simon Stickl im alpinen Bereich, bestritt Slalom- und RiesenslalomrRennen in Wettbewerben des Welt-Skiverbandes FIS außerhalb der Weltcup-Serie. Ein Schienbeinbruch, den er sich beim Freizeitfußball zugezogen hatte, warf ihn aber zurück. "Ich habe mir dann einfach was Neues gesucht", sagt Stickl. Gefunden hat er es im Skicross. Einer Sportart, die zwar spektakulärer aussieht als die alpinen Disziplinen, wegen des geringeren Tempos laut Stickl aber nicht unbedingt gefährlicher ist. "Ich habe das mal ausprobiert und es hat mich gleich total gepackt", sagt er.

In der Gaststätte seiner Eltern hat Stickl oft geholfen, jetzt wird er im Freihaus Brenner lernen

Speziell der Kampf Mann-gegen-Mann und die Tatsache, dass es nicht nur um die Zeit, sondern auch um das körperliche Durchsetzungsvermögen geht, haben es dem Oberbayern angetan. Das direkte Duell gibt Stickl den letzten Kick: "Ich liebe es mich zu battlen." Auch die großen Sprünge, wie sie im Skicross zu finden sind, machen für ihn den besonderen Reiz der Sportart aus.

Auf all das muss Stickl in Zukunft verzichten. Die Wehmut darüber wird aber wohl erst kommen, wenn der erste Schnee vom Himmel fällt. "Die Vorbereitung auf Gletschern und in Skihallen wird mir sicherlich nicht fehlen", sagt er. Einen Sommer am See zu verbringen, sei da schon die deutlich angenehmere Alternative. Stickl freut sich bereits auf geruhsame Sommertage am nahen Tegernsee.

Gänzlich stressfrei wird es in seinen nächsten Lebensjahren aber nicht zugehen. Wohl eher im Gegenteil. Im Restaurant Freihaus Brenner in Bad Wiessee wird der 27-Jährige eine Ausbildung zum Koch antreten; über Kontakte kam er dazu. "Das Kochen ist meine zweite Leidenschaft", sagt Stickl, der am allerliebsten hinter dem Grill steht. "Bei mir heißt es immer: Steaks", sagt er. Die Leidenschaft fürs Kochen wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Seine Eltern betreiben eine Gaststätte, wo er schon das eine oder andere Mal aushalf. Mit "null Plan" gehe er also nicht in die Ausbildung, versichert Stickl, dem trotzdem klar ist, dass einiges auf ihn zukommen wird. "Ich weiß, dass die Ausbildung schwierig wird", sagt der 27-Jährige und fügt direkt kämpferisch hinzu: "Aber ich werde das durchziehen."

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