Javier Hernández bei Bayer Leverkusen:Zwischen Tränen und Toren

Mexico's Hernandez celebrates after scoring a goal during their 2014 World Cup Group A soccer match against Croatia at the Pernambuco Arena in Recife

Wie einst sein Vater spielt Javier Hernández in der mexikanischen Nationalmannschaft.

(Foto: REUTERS)
  • Javier Hernández soll für angeblich zwölf Millionen Euro von Manchster United zu Bayer 04 Leverkusen wechseln.
  • In seiner Zeit in England und bei Real Madrid hat "Chicharito" seine technische Vielseitigkeit und seinen Torinstinkt bewiesen.
  • Dem gottestfürchtigen Mexikaner kommen öfter mal die Tränen, dann müssen seine Mannschaftskollegen helfen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es trifft sich ganz gut, dass Rhein und Dhünn zurzeit nur wenig Wasser führen. Denn nachdem sich nun der Transfer des mexikanischen Stürmers Javier Hernández, besser bekannt unter seinem Künstler-Alias Chicharito, vom englischen Premier-League-Klub Manchester United zu Bayer 04 Leverkusen für angeblich zwölf Millionen Euro bestätigt hat, können die Flüsse des Landes mit reichlich Wasserzufuhr rechnen.

Chicharito ist derart nah am Wasser gebaut, dass er eine alte Redewendung aus der lateinamerikanischen Volkskultur ("der-weint-noch-mehr-als-ein-Mexikaner") in ungeahnte Höhen getrieben hat. In seiner Heimat herrscht die Denkschule vor, dass Chicharito eigentlich immer einen Grund findet, um Tränen abzusondern: Er weint vor Glück, er weint vor Tragik, vor Bitternis und unbändiger Freude, vor Schmerz und auch vor Lachen.

Teamkollegen müssen als Taschentuch herhalten

Beobachten konnte man das zuletzt an einem Frühlingsabend im April. Seinerzeit spielte Chicharito leihweise bei Real Madrid, er erzielte im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinals gegen den Lokalrivalen Atlético den entscheidenden Treffer zum 1:0-Sieg, der Real Madrid für die nächste Runde qualifizierte, und als der Mexikaner nach 88 Minuten ausgewechselt wurde, war nicht klar, ob der Grund dafür die Pein eines Wadenkrampfes war, oder doch ein Weinkrampf, der ihn plötzlich schüttelte. Als er auf der Bank saß, umarmte er Ersatztorwart Keylor Navas und heulte diesem das Sweatshirt voll, bis es ausgerungen werden musste. Andererseits: Wie sollte es auch anders sein bei einem Fußballer, der sich zuallererst über die Augen erklärt.

Chicharito, kleine Erbse, heißt Hernández, weil er Sohn des "Chícharo" ist, der Erbse. Papa Hernández war ebenfalls ein Profifußballer, der 1986 im WM-Kader der Mexikaner stand, dieser bekam den nunmehr vererbten Hülsenfrucht-Spitznamen verpasst, weil er einerseits schmächtig war und andererseits so stechend grüne Augen hatte (die der Sohn übrigens nicht geerbt hat).

Auch der Großvater mütterlicherseits, Tomás Balcázar, war Fußballer und WM-Teilnehmer, 1954 traf er in einem Vorrundenspiel gegen Frankreich. Bei der WM 2010 machte es Chicharito seinem Opa nach - und traf gegen Frankreich. Allerdings war Balcázar Verteidiger, und nicht wie Chicharito eine Offensivkraft.

Chicharito erinnert an Bayern-Peiniger

Der Mann, der vor den Spielen stets im Mittelkreis auf Knien betet (in einem 44-minütigen Radiointerview brachte er neulich das Wort Gott 23 Mal unter), ist ein Stürmer, der in seiner instinktsicheren Entschlussfreudigkeit in Madrid an Raúl und in Manchester an Ole Gunnar Solskjær erinnerte. (Ja, genau der Solskjær, der 1999 beim Champions-League-Finale von Barcelona die Bayern schluchzen ließ wie die Mexikaner.)

Er ist eigentlich Rechtsfuß, doch er weiß auch seinen linken Fuß zu nutzen, ein gutes Kopfballspiel hat er auch, obwohl er nur 1,73 Meter misst. In 70 Länderspielen hat er stattliche 40 Tore erzielt; seinen Arbeitsnachweis aus der vergangenen Saison bei Real Madrid (sieben Tore aus 23 Ligaspielen) dürften dagegen lediglich Erbsenzähler für durchwachsen halten.

Joker hinter teurer Konkurrenz

In Wahrheit bürgen diese Zahlen für Effektivität. Weil sich die Jahres-Bruttogehälter von Karim Benzema, Gareth Bale und Cristiano Ronaldo auf angeblich rund 85 Millionen Euro addieren und sich derlei rentieren soll, musste sich Chicharito Hernández hauptsächlich mit einer Rolle auf der Reservebank begnügen.

Bei Manchester United wiederum stand ihm der schroffe Trainer Louis van Gaal kritisch gegenüber. Als Chicharito im Rückspiel der Champions-League-Qualifikation in Brügge eingewechselt wurde und dann die Chance hatte, per Elfmeter für Manchester auf 5:0 zu erhöhen, warf van Gaal seinem Assistenten Ryan Giggs einen Blick zu, der jede Träne schockgefroren hätte. Spätestens da war klar, dass Chicharito Manchester verlassen würde.

Dem Theater der Träume, wie das Stadion von ManU heißt, weine er nach mehr als vier Spielzeiten, 129 Pflichtspielen und 49 Toren schon hinterher. Dem niederländischen Chef eher nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: