Kommentar:Bayer macht's nochmal

Der Leverkusener Chemiekonzern bringt erneut ein Teilgeschäft an die Börse. Covestro, der Name für den Kunststoffhersteller, ist noch gewöhnungsbedürftig. Nach Lanxess bietet die Abspaltung aber eine neue Chance auf einen Börsenerfolg.

Von Helga Einecke

An den Namen Covestro wird man sich gewöhnen müssen. So heißt das neue Chemieunternehmen aus Leverkusen. Bislang war es ein Teil des Bayer-Konzerns. Nun hat es sich verselbständigt und rangiert als Nummer vier am europäischen Chemiemarkt. Manchem mag dieser Vorgang bekannt vorkommen. Schon einmal trennte sich Bayer von einem Teilbereich, und diese Abspaltung geriet zu einem überraschenden Erfolg.

Was in Leverkusen passiert, ist riskant, eröffnet aber viele Chancen. Mit Covestro soll ein neuer Börsenwert von Gewicht entstehen. Wenn diese zweite Geschichte auch gut ausgeht, können noch einmal Vermögen vermehrt und Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden.

Darauf darf man hoffen, und die Voraussetzungen sind dieses Mal sogar besser als vor zehn Jahren. Damals leitete Bayer die Konzentration auf das Pharma-Geschäft und den Pflanzenschutz ein, wollte mit der Chemie nichts mehr zu tun haben. Alle Aktivitäten, die Verluste oder nicht genug Gewinn erwirtschafteten, landeten in einer Art Resterampe. Die ungeliebten Geschäfte machten unter dem Namen Lanxess unerwartet Furore, kamen an die Börse und stiegen in den Dax auf, in den Klub der besten deutschen Aktien. Auch wenn die Dax-Mitgliedschaft gerade wackelt, bleibt die beachtliche Aufbauleistung zu einem Unternehmen mit einer Marke, die das breite Publikum von der Kölner Arena kennt.

Die Mitarbeiter der neuen Firma dürfen auf einen glatteren Start hoffen

Bayer hielt zunächst an den Kunststoffen fest, organisierte den Bereich um, investierte in Anlagen. Deshalb darf Covestro, dürfen die Mitarbeiter dieser Kunststoff-Sparte auf einen glatteren Start hoffen als Lanxess. Die Kölner brauchten damals ziemlich lange, um aus dem Gröbsten herauszukommen. Noch ist nicht bekannt, zu welchen Bedingungen das neue Unternehmen Covestro an die Börse gebracht wird. Der Abschwung der Aktienkurse erleichtert die Entscheidung nicht, wann und wie es auf dem Parkett landet. Man rechnet mit einem Unternehmenswert von zehn Milliarden Euro. Mindestens ein Viertel davon, also mehrere Milliarden, soll im ersten Schritt an große und kleine Investoren gehen.

Eine solche Größenordnung hat es seit dem Jahr 2000 nicht mehr gegeben, als die Deutsche Post private Geldgeber mit ins Boot nahm. Werte schafft Bayer mit diesem Schritt zunächst für sich selbst, denn das Geld der Investoren und Aktionäre landet in Leverkusen. Das Geschäft mit Pillen und Saatgut, auf das sich Bayer künftig konzentriert, erwies sich zuletzt als äußerst lukrativ. Der Pharmakonzern wird an der Börse so hoch bewertet wie kein anderes deutsches Unternehmen. Der gute Lauf wurde mit Investitionen erkauft, aber auch mit dem Verkauf zweier ungeliebter Töchter.

Es ergibt durchaus Sinn, Teile von Unternehmen abzuspalten, sie zu verselbständigen, ohne sie zu überschulden und von Aktionären finanzieren zu lassen. Andere Pharmaunternehmen wählen deutlich schlichtere Modelle. Sie tauschen Bereiche miteinander, wie etwa Novartis und Glaxo. Sie verkaufen Teile, in die sie nicht mehr investieren wollen, an die Konkurrenz. Das bedeutet Konzentration innerhalb der Konzerne und Verschwinden von Wettbewerbern.

In extremen Fällen werden Unternehmen zerschlagen und gehen komplett unter. Das ist mit Hoechst passiert, dem früher führenden deutschen Pharmakonzern. Teile von Hoechst finden sich heute im französischen Unternehmen Sanofi oder bei Clariant in der Schweiz. Aber das Formen neuer autarker Champions haben die Hoechst-Manager damals nicht hinbekommen.

Ob Covestro das gelingt und sich als ebenbürtige Schwester von Lanxess erweist, hängt auch vom Management ab. Der weltweite Massenmarkt der Kunststoffe aber atmet mit der Konjunktur. Nur wenn die Industrie-Kunden genügend Mengen nachfragen, rentiert sich das Herstellen vieler Plastik-Stoffe. Im Moment spüren viele großen Chemiehersteller, von der BASF bis hin zu Lanxess, eine langsamere Gangart, einen Druck auf die Preise und schärfere Konkurrenz.

Bei einer günstigen Entwicklung hat Covestro das Zeug, einmal in den Dax aufzusteigen. Das wäre für die Bayer-Familie ein schöner und nachhaltiger Erfolg, den andere mit Neid verfolgen dürften. Zum Beispiel die große BASF, der weltweit größte Chemiekonzern. Der hat sich zwar mit Käufen und Verkäufen auf Chemie spezialisiert und optimiert. Aber vom Börsenwert der Leverkusener sind die Manager in Ludwigshafen weit entfernt. Eine selbständige Tochter können sie immerhin vorweisen: Der Kali-Hersteller K+S stammt von Ludwigshafen ab.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: