München/Dachau:Aufstand der Milchbauern

3000 Bauern, darunter 15 aus dem Landkreis Dachau, tuckern mit einem Traktorkonvoi in die Münchner Innenstadt, um gegen die dramatisch sinkenden Preise zu protestieren.

Von Benjamin Emonts, München/Dachau

Milchkuh Faironika, das lebensgroße Abbild ihrer lebensechten Artgenossen, ist mit Spanngurten auf der Ladefläche eines Unimogs festgezurrt. Sie steht auf der Münchner Ludwigstraße, wo normalerweise sechsspurig der Stadtverkehr fließt. Die Edelkarossen, die sonst über die Prachtstraße fahren, werden an diesem Dienstagvormittag von Hunderten großer Traktoren verdrängt. Die 3000 Bauern, darunter 15 aus dem Landkreis Dachau, geben aus Protest gegen die sinkenden Milchpreise ein ohrenbetäubendes Hupkonzert. Sie begehren auf, weil sie ihre Milchviehbetriebe durch den Preisverfall existenziell bedroht sehen. Auf dem deutschlandfarbenen Leib von Faironika prangt die Forderung: "Die faire Milch."

Peter Bertele, Landwirt aus Humersberg bei Altomünster, hat Faironika mit seinem Unimog bis in die Landeshauptstadt München gefahren. Die vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) initiierte Großkundgebung am Odeonsplatz ist der Schlussakt einer achttägigen Staffelfahrt, an der sich Milchviehhalter aus ganz Deutschland und sogar aus Dänemark beteiligt haben. 15 Bauern aus dem Landkreis haben sich in Niederroth und Dachau einem Konvoi von etwa 70 Schleppern angeschlossen. Sie nehmen den Weg auf sich, weil der Literpreis, den sie von den Molkereien für ihre Milch bekommen, seit 2014 von 40 auf nunmehr 30 Cent eingebrochen ist. "Wir können damit nicht einmal mehr unsere Produktionskosten decken", klagt der Niederrother Martin Kiening, Vorsitzender des BDM-Kreisverbands Dachau. Auf der Fronthydraulik seines alten Traktors ist ein Schild angebracht: "Bauern brauchen einen fairen Preis: 50 Cent."

Überangebot lässt Preise verfallen

Während Kiening die Ludwigsstraße hinunter zum Odeonsplatz läuft, nennt er Gründe für den Preisverfall. Durch das Russland-Embargo und die Wirtschaftskrise in China seien die Exportzahlen dramatisch eingebrochen, erklärt Kiening. Die Kombination aus gleichbleibenden Produktionsmengen und geringer Nachfrage führe dazu, dass der Markt mit Milchprodukten überschwemmt werde. Die logische Konsequenz des Überangebots sei der Preisverfall.

München/Dachau: Ein Konvoi aus mehr als 70 Traktoren rollte am Dienstagvormittag über die Münchner Straße - mit dabei auch zehn Schlepper aus dem Landkreis.

Ein Konvoi aus mehr als 70 Traktoren rollte am Dienstagvormittag über die Münchner Straße - mit dabei auch zehn Schlepper aus dem Landkreis.

(Foto: Toni Heigl)

Im Kern richtet sich Kienings Kritik gegen die im April 2015 vorgenommene Abschaffung der seit 1984 gesetzlich festgeschriebenen Milchquote. Die Milchquote war seinerzeit in der Europäischen Gemeinschaft eingeführt worden, um die Milchproduktion in den Mitgliedsstaaten zu reglementieren und dadurch eine Überproduktion zu verhindern. Ihre Abschaffung, so Kiening, fördere nun die ohnehin schon bestehende Überproduktion und feuere die Krise weiter an.

Der BDM fordert ein vorübergehendes Verbot der Überproduktion durch die Europäische Union sowie einen Mindestpreis von 40 Cent pro Liter Milch. Martin Schneider, zweiter Vorsitzender des BDM-Kreisverbands Dachau aus Tiefenlachen, sagt: "Wenn wir wieder einen vernünftigen Preis für unsere Milch bekommen wollen, muss das Angebot von uns gesteuert werden. Doch dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen."

"Jetzt reicht's!"

Die Krise ist auch im Milchviehbetrieb von Marianne Haut in Frauenhofen längst angekommen. Die Landwirtin hält am Odeonsplatz ein Schild mit der Aufschrift "Jetzt reicht's" in der Hand. "Wir haben uns immer irgendwie durchgewurstelt. Aber sobald es wieder einigermaßen läuft, geht es auch schon wieder abwärts", sagt die Landwirtin.

Als sie ihren Hof vor zwei Jahren ihrem Sohn übergeben hat, habe sie fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen gehabt. "Es ist eigentlich gar nicht mehr tragbar, den Hof zu übernehmen", sagt sie. Elisabeth Jung, Milchbäuerin aus Markt Indersdorf, teilt ihre Bedenken. Sie beklagt, dass die Kosten für Düngemittel, Futter und andere Ausgaben längst nicht mehr im Verhältnis zum erwirtschafteten Milchpreis stünden. "Wir arbeiten jetzt quasi umsonst. Aber wir haben wir nun Mal die Kühe im Stall. Wir können nicht einfach abhauen."

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Milchbauern-Demozug in Pöcking: Auch die Landwirte sind sich im Kampf gegen die Krise nicht einig.

(Foto: Niela Thiel)

Milcherzeuger fühlen sich vom Bauernverband verraten

Von der Politik und dem Bayerischen Bauernverband fühlen sich die Milchbauern im Stich gelassen, ja sogar verraten. Der Dachauer Landtagsabgeordnete Anton Kreitmair (CSU), der dem Oberbayerischen Bauernverband vorsteht, ist - wie auch die anderen Vertreter des Verbandes - der Großkundgebung bewusst ferngeblieben. "Trotz des Endes der Milchquote ist die Milchproduktion auf dem gleichen Niveau geblieben", sagt Kreitmair und warnt davor, "Augenwischerei" zu betreiben: "Der schlechte Milchpreis hat nicht im Ansatz etwas mit dem Ende der Milchquote zu tun."

BDM-Landesabgeordneter Peter Bertele will sich erinnern, dass im Jahr 2007, kurz bevor das Ende der Milchquote beschlossen wurde, 90 Prozent der bayerischen Milchbauern für den Erhalt der Quote gestimmt hätten. "Die Milchbauern, die damals 70 Prozent der Flächen in Deutschland bewirtschaftet haben, sind von der Politik einfach ignoriert worden. Man wollte sie bewusst schwächen."

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