Schweinsteiger in Manchester:Spielen gegen die Zweifler

EM-Qualifikation - Bastian Schweinsteiger DFB

Gute Miene zum neuen Spiel: Bastian Schweinsteiger bei seiner ersten DFB-Pressekonferenz in dieser Saison.

(Foto: Valentin Gensch/dpa)
  • Bastian Schweinsteiger kommt erstmals als Profi von Manchester United zur Fußball-Nationalmannschaft.
  • Er erklärt, warum der Wechsel vom FC Bayern für ihn der richtige Schritt war: "Jedes Spiel ist eine Herausforderung, darauf freut man sich, deswegen bin ich hergekommen."
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Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Bastian Schweinsteiger war einer der ersten Spieler, die am Treffpunkt der Nationalmannschaft im Hotel in Frankfurt eintrafen, zum ersten Mal war er nicht aus München angereist wie in den elf Jahren zuvor, stattdessen kam er, wie er am Dienstag selbst etwas verwundert festhielt, "aus der anderen Richtung". Er hielt das wohl nicht für sonderlich bemerkenswert, der ziemlich entspannte Heimkehrer Schweinsteiger machte nicht den Eindruck, als hätte er während der vergangenen Wochen auf der fremden Insel irritierende Erfahrungen gemacht. "War trotzdem ein angenehmer Flug", stellte er lächelnd fest, zumal er nun nicht mehr neben diesem Thomas Müller habe sitzen müssen, "da ist keiner, der einen zuquasselt".

Seit sechs Wochen ist der Oberbayer Schweinsteiger ein Engländer, er gehört jetzt dem Ensemble von Manchester United an, seine Heimat ist die Traditionsbühne Old Trafford anstelle des Designer-Stadions in Fröttmaning, viele Anhänger des FC Bayern können das immer noch nicht gutheißen. Diejenigen, für die der Machterhalt ihres Klubs die höchste Wichtigkeit hat, argumentieren mit dem davoneilenden Alter und dem nachlassenden Tempo des Fußballprofis Schweinsteiger und halten die Trennung für strategisch richtig; die anderen aber, die den Verein nicht nur wegen des Erfolgs, sondern auch wegen seiner familiären Identität verehren, vermissen einen liebgewonnenen Helden.

Mit Heimweh und anderen Sentimentalitäten hält sich der 31 Jahre alte Mittelfeldspieler aber nicht auf, er hat in Manchester gefunden, was er gesucht hat: Eine Erfahrung, die sein viel bewegtes Fußballer- Leben bereichert und geeignet ist, selbst den weltbesten FC Bayern ein wenig in den Schatten zu stellen. Dem DFB-Trainer Thomas Schneider hat er berichtet, dass die Dimensionen in Manchester sogar die in München übertreffen, "da ist ein anderer Tross unterwegs", hat er erzählt. "Der Verein ist sehr groß", fügte er am Dienstag an, und die alte Industriestadt Manchester sei auch "nicht so schlecht, wie man denkt".

Noch haben die Historiker den chronologischen Ablauf nicht exakt ermittelt, aber wenn man den Wahrnehmungen des Bundestrainers folgt, dann ging die Initiative zum Wechsel zumindest vorwiegend von Schweinsteiger aus ("Ich habe schon beim ersten Gespräch gespürt: Der will das machen"). Dieser erzählt nun, dass sich seine wunschgemäßen Erwartungen an die neue Liga schnell erfüllt haben. "Die Mannschaften sind physisch stark, das Tempo ist hoch", verkündet er vielsagend.

Schweinsteiger will deutlich machen, dass er weiß, worauf er sich eingelassen hat. Er hat den Ehrgeiz, den Zweiflern zu beweisen, dass er auch als vermeintlicher Altstar noch die härtesten Prüfungen bestehen kann. "Es steckt sehr viel Geld in der Liga, jeder kann jeden schlagen, auch der Tabellenletzte. Jedes Spiel ist eine Herausforderung, darauf freut man sich, deswegen bin ich hergekommen", sagt er. Beim FC Bayern war das Gewinnen zuletzt mehr denn je zur Gewohnheit geworden, in der Premier League sind zurzeit die Kapriolen das typische Merkmal. Mutmaßliche Spitzenteams wie der FC Chelsea, der FC Liverpool und auch Manchester United haben es zu spüren bekommen.

Verwegen recherchierte Geschichte der "Sun"

Längst hat Schweinsteiger auch eine andere Facette der britischen Fußballkultur kennenlernen dürfen. Das Massenblatt Sun empfing ihn in Manchester mit einer verwegen recherchierten Porträtgeschichte, in der er als ein neuer George Best dargestellt wurde: "Er liebt schnelle Autos, wilde Partys und komplizierte romantische Abenteuer". Der Guardian stellte ihn als Nachfolger der alten Mittelfeldautoritäten Roy Keane und Paul Scholes dar, auch Winston Churchill wurde zitiert, als die Zeitung Schweinsteigers "Blut-Schweiß-und-Tränen"-Auftritt im WM-Endspiel würdigte. Inzwischen thematisieren die Medien eher kritisch das Tempo und die Effizienz seines Spiels. Sein Nationalelf- und Liga-Kollege Mesut Özil sah sich schon zum Beistand genötigt. "Wann immer die englische Presse über ihn schreibt, setzt sie ,Weltmeister' vor seinen Namen", monierte er und bat: "Gebt ihm noch etwas Zeit."

Auch der Unterstützung seines Trainers kann sich Bastian Schweinsteiger einstweilen sicher sein. Louis van Gaal, der Förderer aus gemeinsamen Münchner Zeiten, der Mann, der ihn einst so erfolgreich vom Flügel ins strategische Zentrum umsiedelte, ist nach den Erkenntnissen seines Schülers derselbe originelle Mensch, der er auch früher immer war: "Er kommt manchmal ein bisschen kühler rüber, als er wirklich ist. Er hat das Herz am rechten Fleck und weiß, wie er mit der Mannschaft umgehen muss", findet Schweinsteiger.

Das EM-Qualifikationsspiel gegen Polen ist sein 112. Einsatz im Nationaltrikot

Auch Joachim Löw zählt unverändert zu Schweinsteigers Verbündeten. Dass aber der Bundestrainer den Plan gefasst hat, seinen Kapitän mit Rücksicht auf die Verschleißerscheinungen einer langen Karriere bis zur Europameisterschaft nurmehr dosiert zum Einsatz zu bringen ("Ich brauche ihn dann, wenn es wichtig ist"), findet nicht unbedingt den Beifall des Betroffenen. Das EM-Qualifikationsspiel gegen Polen am Freitag wird sein 112. Einsatz für die DFB-Auswahl, und es sollen noch, "so viele es geht", hinzukommen. "Das Nationaltrikot zu tragen ist ein super Gefühl", sagt Bastian Schweinsteiger. Es klang so, als ob er dieses Gefühl neuerdings noch ein bisschen mehr zu schätzen weiß.

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