Draxler und Dante in Wolfsburg:Offenherziger Blick in die Gefühlswelt

Julian Draxler und Dante VfL Wolfsburg 1 Fussball Bundesliga Saison 2015 2016 Training VfL Wolf

Als nächstes den "Mount Magath": Das Training in Wolfsburg ist legendär, das merken auch Julian Draxler (links) und Dante sogleich.

(Foto: imago/Christian Schroedter)
  • Julian Draxler will erwachsen werden, Dante den FC Bayern ärgern: Die beiden Last-Minute-Zugänge des VfL Wolfsburg erläutern ihre Wechsel.
  • Sie erinnern sich aber auch mit leichter Wehmut an ihre alten Klubs. Und Trainer Dieter Hecking scheut Vergleiche mit Kevin De Bruyne.
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Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Die Vorstellung von Fußballprofis durch ihre neuen Klubs, im Fachjargon "Präsentation" genannt, ist nur selten originell. Wobei: Ausnahmen bestätigen die Regel. In den achtziger Jahren zum Beispiel landete der brasilianische Mittelfeldspieler Sócrates in Italien, und als er befragt wurde, welche die besten italienischen Spieler seien, antwortete er einerseits, dass er derer nicht so viele kenne, und dass ihn dies, andererseits, nicht weiter kümmere. Denn: "Ich möchte hier vor allem Gramsci im Original lesen und die Geschichte der italienischen Arbeiterklasse studieren." Manch italienischer Sportjournalist musste damals nachschlagen, dass Antonio Gramsci nicht nur Autor der Gazzetta dello Sport, sondern hauptsächlich marxistischer Philosoph gewesen war.

"Ich habe festgestellt, dass der Weg in Deutschland für mich noch nicht zu Ende ist."

Ähnlich offen standen die Münder später eigentlich nur, als Eric Cantona bei Manchester United vorstellig wurde. Die Zeitungen behaupteten, der französische Stürmer habe als Idol "Rambo" angegeben; in Wahrheit hatte Cantona aber (Arthur) Rimbaud gemeint, der sich ähnlich ausspricht wie Rambo, als Poet aber bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt sein sollte.

So viel Spaß herrschte am Dienstag nicht, als Dante, vormals FC Bayern, und Julian Draxler, vormals Schalke, beim VfL Wolfsburg vor die Presse traten.

Unterhaltsam waren die Präsentationen dennoch. Das lag nicht zuletzt daran, dass das Schalker Urgestein Draxler, der mit acht Jahren in den Verein eingetreten war, einen sehr offenherzigen Blick in die eigene Gefühlswelt gewährte. Er habe sich in den vergangenen zwei Jahren viel vorgenommen, sagte er, aber nicht die Entwicklung genommen, die er sich selbst erhofft hatte. Der Prozess, der in ihm arbeitete, habe ihn letztlich zu dem Schluss kommen lassen, dass er eine Luftveränderung braucht, einen Tapetenwechsel, wie man gemeinhin sagt. Den bekommt er nun sehr plastisch vor Augen geführt: "Sehr ungewohnt, dass jetzt alles grün anstatt blau ist, das ist schon was anderes", sagte er.

Der italienische Meister Juventus Turin, auch das sagte er offen, sei "eine Überlegung wert" gewesen, doch dass sich Juventus und Schalke letztlich nicht über die Ablöse einigen konnten - beziehungsweise Schalke aus Wolfsburg unter bestimmten Erfolgsumständen mehr als 40 Millionen Euro einstreicht - war ihm schließlich auch recht.

Einerseits war ihm Turin nicht hundertprozentig geheuer, weil er dort wieder in ein Umfeld geraten wäre, das womöglich noch unruhiger ist als das auf Schalke. Andererseits habe er festgestellt, "dass der Weg in Deutschland für mich noch nicht zu Ende ist", er also in der Bundesliga Möglichkeiten sieht, sich fortzuentwickeln. Er ist ja auch erst 21 alt. Den Bundestrainer Joachim Löw, der ihn für die anstehenden Qualifikationsspiele zur EM 2016 gegen Polen und in Schottland nicht berücksichtigte, konsultierte er dabei ausdrücklich nicht. Als Teil seiner "eigenen persönlichen Entwicklung" habe er sich auferlegt, "die Entscheidung ganz allein zu treffen, aus meinem Kopf, aus meinem Bauch heraus".

"Wir wollen die Bayern ärgern, klar"

Hier will jemand erwachsen werden, heißt das. Draxler wird erstmals fern des bislang gewohnten Gelsenkirchener Umfelds leben: "Schalke ist mein Heimatverein und wird das immer bleiben. Ich werde den Verein immer in meinem Herzen tragen."

Sein neuer Spielkamerad Dante wiederum ist zehn Jahre älter und war bei seiner Präsentation ähnlich diplomatisch und aufrichtig. Als er beispielsweise explizit auf Bayern-Trainer Pep Guardiola angesprochen wurde, der in seinem System eher keine Verwendung für ihn hatte, gestand Dante die Enttäuschung darüber ein, München verlassen zu haben.

Aber, beteuerte Dante, die Bayern seien für ihn ein abgeschlossenes Kapitel: "Geschichte, eine sehr schöne Geschichte." Auch der andere VfL der Liga, Borussia Mönchengladbach, hatte Interesse gezeigt, auch das habe ihn gereizt, zumal er einst dort verteidigt hatte. Doch aktuell siedelt er Wolfsburg in einer höheren Kategorie an als die in der Liga noch sieglosen Rheinländer. "Wir wollen die Bayern ärgern, klar", sagte Dante - und griff damit eine Formulierung auf, die der neben ihm sitzende, vergleichsweise beglückt wirkende Trainer Dieter Hecking gewählt hatte.

Das lag daran, dass er überaus froh sei, mit Dante einen Spieler im Portfolio zu haben, der zu den wenigen Innenverteidigern der Liga mit starkem linken Fuß zählt und überdies international sehr erfahren ist. "Das sind Argumente, wegen denen wir glauben, dass wir richtig liegen", sagte Hecking. Gleichzeitig appellierte er an die Medien, Vergleiche zwischen Draxler und dem abtrünnigen Kevin De Bruyne gar nicht erst zu suchen.

Der Belgier war für mehr als 74 Millionen Euro zu Manchester City gewechselt und hatte die späte VfL-Einkaufstour nötig und möglich gemacht. "Wir werden unsere Spielidee nicht völlig neu erfinden müssen", sagte Hecking. Jedoch stehe außer Frage, dass in Draxler ein Spieler mit eigenen Qualitäten zur Verfügung stehe, "der uns auf eine andere Art genauso helfen wird".

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