München:Schläge und Schimpfwörter

Bewährungsstrafe für einen 51-Jährigen, der seinen Stiefsohn jahrelang immer wieder verprügelt und beleidigt hat

Von Franziska Gerlach, Vaterstetten

Die böse Stiefmutter ist aus diversen Märchen allzu bekannt. Dass auch Stiefväter mitunter wenig zartfühlend sein können, darum ging es nun vor dem Landgericht II in München. Angeklagt war ein Mann aus dem westlichen Landkreis, der seinen damals achtjährigen Stiefsohn jahrelang misshandelt haben soll. Dafür war er auch bereits im Juli 2014 vom Ebersberger Amtsgericht verurteilt worden. Doch dies akzeptierte der heute 51-Jährige nicht und ging in Berufung, weshalb der Fall nun am Landgericht verhandelt wurde.

Das Amtsgericht hatte damals die Vorfälle als Misshandlung von Schutzbefohlenen bewertet - und den Versicherungsfachmann zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der ehemalige Lebensgefährte der Mutter des Jungen wird beschuldigt, das Kind nach Beziehen einer gemeinsamen Wohnung im westlichen Landkreis Ebersberg Anfang 2009 ein Jahr lang "fast täglich am Ohr gezogen" und "auf den Rücken und Kopf geschlagen" zu haben, wie Richterin Michaela Welnhofer-Zeitler eingangs aus dem Urteil verlas. Der damals acht Jahre alte Junge sei "gegen seinen Willen kalt abgeduscht" und vor Dritten beleidigt worden. Der Angeklagte habe ihn als "Sau, Idioten oder so dumm, wie sein Vater" bezeichnet. Das Kuscheln mit der Mutter habe er ihm verboten, dem Kind außerdem die Plüschtiere entzogen. Als im Sommer 2009 eine Halbschwester geboren wurde, sei dem Jungen der Kontakt bisweilen mit der Begründung verboten worden, er sei "unreinlich" und verursache Infektionen. Er habe keine Geburtstage mit Freunden feiern dürfen, den Kontakt zu diesen habe der Angeklagte außerdem verhindert. Was also, fragte die Richterin, wolle man mit einer Berufung erreichen? "Das kann ich nicht ganz nachvollziehen."

Wie der Verteidiger, Rechtsanwalt Axel Reiter, daraufhin erklärte, räume der Angeklagte ein, "bei der Erziehung die Grenzen überschritten" zu haben. "Aber dass er ihn gequält hat, dagegen setzt sich mein Mandant vehement zur Wehr", sagte Reiter. Den Taten seien Provokationen des Achtjährigen vorausgegangen. "Wenn ich hier Sachen zustimmen muss, die ich nicht begangen habe, damit kann ich nicht leben", sagte der Angeklagte. Er habe den Jungen nie auf den Rücken oder den Kopf geschlagen, ebenso wenig die Plüschtiere weggenommen. Es handele sich um "einen mittelschweren Fall", sagte Reiter - und beantragte, die Tat lediglich als Körperverletzung und mit einer Geldstrafe zu ahnden.

Letzteres sei kaum möglich, belehrte Richterin Welnhofer-Zeitler den Advokaten. Denn selbst wenn die Anklage tatsächlich abgewandelt würde, führten mehrere Fälle von Körperverletzung und Beleidigung letztlich zu einer vergleichbar hohen Strafe. "Angesichts schon wegen des Machtgefälles, des langen Zeitraumes und der vielfältigen Einwirkungen sehe ich hier eine Geldstrafe überhaupt nicht", so Welnhofer-Zeitler und riet zu einer Rücknahme der Berufung. Man solle insbesondere dem heute 14 Jahre alten Jungen eine erneute Zeugenaussage ersparen, argumentierte sie. "Steht es dafür, das alles nochmals aufzuwühlen?", fragte sie den Angeklagten. Immerhin habe er mit der Mutter, von der er inzwischen wieder getrennt ist, eine gemeinsame Tochter. Allein schon zum Wohl dieses Kindes lohne es sich "den ersten Schritt" zu gehen. Nur so werde ein Miteinander wieder möglich. Schließlich konnte sie den Verteidiger und seinen Mandanten davon überzeugen, von der Berufung abzusehen. Der Verteidiger bestand allerdings auf den Protokollvermerk, dass man "den Sachverhalt des Urteils" nicht anerkenne.

Ob der Ausgang des Verfahrens letztlich dem Familienfrieden dient, darf man aber bezweifeln. Denn auf dem Gebiet scheint einiges im Argen zu liegen. Als die Richterin die als Zeugin geladene Mutter des Geschädigten darüber informierte, dass die Berufung zurückgezogen wurde, zeigte sie sich wenig versöhnlich. Die gemeinsame Tochter, sagte sie, bekomme er trotzdem nicht zu sehen.

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