Nationalspieler Marco Reus:Karriere mit Brüchen

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Reus + Nationalelf + Verletzung - war da nicht was? Ja, zum Beispiel das Aus für die WM 2014 nach der Verletzung im Testspiel gegen Armenien.

(Foto: imago/Jan Huebner)
  • Wegen einer Zehenfraktur verpasst Marco Reus die Schlüsselspiele in der EM-Qualifikation.
  • In der Branche herrscht längst Misstrauen wegen der Verletzungsanfälligkeit des Stürmers.
  • Hier geht es zu den Spielen der deutschen Qualifikationsgruppe.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Der 13. Mai 2010 sollte ein großer Tag im Leben von Marco Reus werden. Der Bundestrainer hatte ihn, damals war Reus 20 Jahre alt, zum ersten Mal zu einem Länderspiel eingeladen. An der Benefizpartie gegen Malta in Aachen konnte Reus dann aber doch nicht teilnehmen. Am Wochenende zuvor hatte er sich im letzten Saisonspiel mit Borussia Mönchengladbach eine Oberschenkelverhärtung zugezogen. Niemand dachte sich etwas dabei.

Inzwischen gibt Reus' Geschichte als Nationalspieler ernsthaft zu denken. Sind womöglich okkulte Mächte am Werk? Anfangs wurde es noch mit Humor betrachtet, dass seit jenem aufgeschobenen Debüt fast anderthalb Jahre vergingen, bis er zum ersten Mal für die DFB-Auswahl spielte. Regelmäßig hatte Reus die Einladungen des Bundestrainers erhalten, regelmäßig musste er im letzten Moment absagen. Vier vergebliche Anläufe hatte er unternommen. Einmal, vor einem Spiel gegen Kasachstan, verabschiedete er sich nach Angaben von Augenzeugen gesund und munter zur Nachtruhe im Mainzer Teamquartier - und musste am nächsten Tag mit einem schweren Infekt abreisen.

Misstrauen in der Branche

Am Donnerstag nun haben die zuständigen DFB-Mitarbeiter wieder eine Abwesenheitsnotiz in Sachen Reus verschickt. Sie besagte, dass der Dortmunder Angreifer wegen einer Zehenverletzung heimgereist sei und folgerichtig während der EM-Qualifikationsspiele gegen Polen am Freitag in Frankfurt und am Montag gegen Schottland in Glasgow (je 20.45/RTL) fehlen werde. Das Einzige, was die DFB-Leute an dieser unguten Nachricht trösten mag: dass sie diesmal kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen. Weil die Blessur - eine Fraktur im Großzeh - aus der letzten Bundesligapartie mit Borussia Dortmund stammt.

Zuletzt hatte Reus ja nicht nur vor den Länderspielen Pech, sondern auch während der Länderspiele. Am Tag vor der Abreise zur WM in Brasilien zog er sich im Test gegen Armenien einen Riss des Syndesmosebandes zu, der die Nation erschütterte und ihm eine monatelange Genesungskur auferlegte. Zum Länderspiel gegen Schottland im September war Reus dann wieder fit - und erlitt nach kaum einer halben Stunde wieder einen Bänderriss.

Marco Reus

Der Dortmunder wurde oft von Verletzungen heimgesucht. Die gravierendsten Blessuren des 26-Jährigen im Überblick:

26.11.11 Zehenbruch 19 Tage Pause

5.10.13 Innenbandanriss im Sprunggelenk 10 Tage

7. 6.14 Syndesmosebandanriss 68 Tage

8. 9.14 Außenbandanriss im Sprunggelenk 28 Tage

10.11.14 Bänder- und Sehnenzerrung sowie Knochenödem im Sprunggelenk 13 Tage

23.11.14 Außenbandriss im Sprunggelenk 46 Tage

6. 4.15 Adduktoren-Probleme 16 Tage

1. 5.15 Muskuläre Probleme 14 Tage

2. 9.15 Angebrochene Zehe sid

Es steht wohl niemandem zu, die Verletzungsanfälligkeit des Angreifers als notorisch zu bezeichnen, aber sie hat in der Branche ein gewisses Misstrauen geweckt. Beim FC Bayern etwa hat auch sein stetes Unglück dazu beigetragen, von Bemühungen um seine Verpflichtung Abstand zu halten. 25 Länderspiele hat Reus erst bestritten, der wenig später entdeckte Mario Götze hat schon 45 Einsätze vorzuweisen.

Löw vertraut auf sein Personal

Der 46. Einsatz steht am Freitag an, Götze hat eine unzweideutige Startzusage erhalten. Mit dem Fehlen seines früheren Klubkameraden hat das nichts zu tun, sondern mit den "enormen Qualitäten", die ihm Löw nachsagt. Was das seltsame Schicksal von Reus angeht, klang der Kommentar des Bundestrainers beinahe fatalistisch. "Natürlich bedauerlich, dass er ausfällt", sagte er, "ich verzichte natürlich ungern auf ihn." Erschüttert hat ihn die Nachricht augenscheinlich nicht, er sieht auch keinen Anlass, Ersatz zu nominieren. Julian Draxler oder Patrick Herrmann hätten beispielsweise zur Verfügung gestanden.

Doch Löw meint, das vorhandene Personal werde den Ansprüchen schon genügen, und ausdrücklich hob er hervor, er werde jetzt "nicht lamentieren". Letzteres hätte auch kaum gepasst zu der demonstrativen Siegesgewissheit, die der Bundestrainer hinsichtlich der beiden Schlüsselspiele um die Zulassung zum Turnier in Frankreich an den Tag gelegt hatte. "Wir haben genug Selbstbewusstsein und wissen, dass wir es aus eigener Kraft schaffen werden", sagte er am Donnerstag.

Hoffnung für Podolski

Während Marco Reus erneut Einbußen in seiner Einsatzstatistik hinnehmen muss, darf Lukas Podolski unverändert darauf hoffen, dem Rekordnationalspieler Lothar Matthäus Konkurrenz zu machen. Viele Kritiker hatten nach der WM geweissagt, dass Podolskis Karriere im Nationalteam nicht nur auf ihrem Höhepunkt, sondern auch an der Endstation angelangt wäre. Sie haben sich getäuscht. Er genießt weiterhin die Wertschätzung und Unterstützung des Bundestrainers, und dieser teilte jetzt vielsagend mit: "Er ist ein Spieler, der seine Stärken einsetzt, wenn er einen Wettkampfrhythmus hat."

Diese Voraussetzung sieht Löw als erfüllt an, seitdem Podolski durch den Wechsel zu Galatasaray Istanbul wieder Fußball spielen statt lediglich Fußball trainieren darf. "Seine Position dort ist gefestigt, er fühlt sich sehr wohl", berichtete der Bundestrainer. Podolskis 126. Länderspiel steht somit nichts im Wege. Das 26. Länderspiel von Marco Reus könnte es dann im Oktober in Irland geben. Könnte es.

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