Basketball:"Kratzen und Ziehen"

Die deutschen Basketballer gehen mit Verletzungssorgen in die EM. Dass sie ihre Vorrundenpartien in Berlin spielen, soll ein Vorteil sein.

Von Joachim Mölter, Berlin

Die gute Nachricht aus dem Lager der deutschen Basketball-Nationalmannschaft: Es hat sich keiner mehr verletzt an den beiden letzten freien Tagen vor dem EM-Beginn. Die schlechte Nachricht: Es sind noch anderthalb Tage Zeit, um das nachzuholen bis zum ersten Spiel gegen Island am Samstag (15 Uhr/ZDF) in der Arena am Berliner Ostbahnhof. Die Auswahl von Bundestrainer Chris Fleming ist ja während der Vorbereitung von einer außergewöhnlichen Verletzungsserie heimgesucht worden, so dass der Amerikaner zuletzt gar keine richtige Auswahl mehr hatte, sondern für das Turnier die zwölf Spieler aufbieten muss, die eben übrig sind.

Immerhin: Darunter befinden sich in Dirk Nowitzki (Dallas), Dennis Schröder (Atlanta) und Tibor Pleiß (Utah) alle NBA-Profis, die dem Deutschen Basketball Bund (DBB) zur Verfügung stehen. "Echt schade", findet Power Forward Nowitzki die Misere, die gerade auf seiner Position Lücken gerissen hat durch die Ausfälle von Maxi Kleber, Daniel Theis und Elias Harris. "Aber mit dem Verletzungspech müssen wir zurechtkommen", sagt er, "da heißt es eben: Next man up!" Der Nächste bitte.

Germany v France - Men's Basketball Friendly

Wünscht sich Signale auf dem Feld: Bundestrainer Chris Fleming fordert ein agressive Spielweise seiner Mannschaft, um die Gruppenphase zu überstehen.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Nowitzki und Kollegen sammeln 25 000 Euro für Pro Asyl

Bundestrainer Fleming glaubt, "wir sind sowieso nicht die Favoriten", trotz der drei NBA-Profis und des Heimvorteils in der Vorrunde. Dafür ist die Gruppe B - abgesehen von Außenseiter Island - auch zu stark besetzt mit dem WM-Zweiten Serbien, dem EM-Zweiten Spanien, den erstmals seit Jahren in Bestbesetzung antretenden und deshalb als Mitfavorit gehandelten Italienern sowie den Türken, die in Berlin ja auch so etwas wie Heimspiele haben. Von diesen sechs Teams kommen nur vier weiter in die K.o.-Runde nach Lille/Frankreich, wo es dann neben dem Titel auch um die Wahrung der Olympia-Chance für 2016 geht. "Es ist kein Geheimnis, dass wir um Olympia spielen wollen", sagt Fleming.

Wenn der DBB nicht den kostspieligen Weg nach Rio als Ausrichter eines der drei Olympia-Qualifikationsturniere im Frühsommer 2016 gehen will, muss die Mannschaft bei der EM unter die ersten Sieben kommen, also mindestens auch noch das Achtelfinale überstehen. "In einem K.o.-Spiel ist immer alles möglich", sagt Nowitzki, "aber unser Minimalziel ist erst mal, aus der Gruppe rauszukommen, notfalls mit Kratzen und Ziehen."

So richtig aggressiv war die Stimmung im deutschen Team freilich noch nicht an diesem Donnerstag, an dem der DBB zur Auftakt-Pressekonferenz im Team-Hotel geladen hatte. Die Akteure auf dem Podium wirkten aber immerhin schon sehr auf ihre Aufgaben fokussiert, was daran zu erkennen war, dass sie mehrmals nachhakten: "Was war die Frage noch mal?"

Die Spiele der deutschen Mannschaft

Gruppe B (in Berlin) Deutschland, Serbien, Spanien, Italien, Türkei, Island.

Samstag, 5.9.: Deutschland - Island 15.00 Uhr

Sonntag, 6.9.: Serbien - Deutschland 15.00 Uhr

Dienstag, 8.9.: Deutschland - Türkei 17.45 Uhr

Mittwoch, 9.9.: Italien - Deutschland 17.45 Uhr

Donnerstag, 10.9.: Deutschland - Spanien 17.45 Uhr

Weitere Informationen zu den Spielen der Basketball-Europameisterschaft der Männer stehen hier.

Die meisten Fragen drehten sich erwartungsgemäß um Dirk Nowitzki, der in weiser Voraussicht auch in der Mitte des Podiums platziert worden war. Der beste Basketballer, den Deutschland bis dato hervorgebracht hat, bestreitet seine siebte und wahrscheinlich letzte Europameisterschaft: "Schön, dass ich mit 37 noch mal bei einer Heim-EM dabei sein darf", versicherte er ein ums andere Mal: "Das ist auch für mich eine Riesensache." Und für die Fans offenbar auch: Dirk Nowitzkis fünf Auftritte mit dem deutschen Team bei seiner Abschiedstournee sind alle seit längerem ausverkauft.

Außerhalb der Halle werden die Fans ihr Idol kaum zu sehen bekommen: "Bei fünf Spielen innerhalb von sechs Tagen werde ich nicht in der Stadt rumlaufen und mir die Mauer anschauen", teilte Nowitzki mit. Was aber nicht bedeutet, dass die deutschen Basketballer kein politisches Bewusstsein haben: Teamintern und beim Verband haben sie 25 000 Euro eingesammelt für Pro Asyl, die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge. "Wir wollten zeigen, dass wir mit ihnen empathisieren und hinter den Leuten stehen, die sich für sie einsetzen", erklärte Teamkapitän Heiko Schaffartzik. Pro-Asyl-Geschäftsführer Bernd Mesovic war bei der Scheck-Übergabe "sehr beeindruckt" von der Geste. "Davon geht ein Signal aus", sagte er: "Aus dem Leistungssport haben wir ja noch nicht so viele Unterstützer."

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