Flüchtlinge in der Brauneck-Gemeinde:Heimat Lenggries

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Die SZ-Tour durch den Landkreis widmet sich in der vierten Etappe dem wichtigsten Thema derzeit - der Hilfe für Asylsuchende. Bürgermeister Werner Weindl (CSU) schafft viele Plätze, um eine Belegung der Kaserne zu verhindern

Von Alexandra Vecchiato und Julia Schneidawind, Lenggries

Ein Monat auf der Flucht: Ahmad Laila brach mit seiner Frau Maisaa und ihren vier Kindern in Damaskus in Syrien auf. Den Sohn mussten sie zurücklassen, sagt der 55-Jährige, er sitze im Gefängnis. Mit dem Bus ging es in den Libanon, mit einer Fähre in die Türkei, in einem winzigen Boot nach Griechenland. Weiter über die Balkanroute zu Fuß nach Ungarn und Deutschland. Seit neun Tagen heißt die neue Heimat der Familie Laila Lenggries. "Hamdulillah", sagt der Familienvater. Gott sei Dank.

Nur eine Familie in der Container-Wohnanlage für Asylsuchende an der Geiersteinstraße in Lenggries - und es dürften wieder mehr werden: Am Donnerstag machte die SZ-Tour mit Bürgermeister Werner Weindl (CSU) Station in Lenggries zu diesem Thema, das seit Monaten den ganzen Landkreis bewegt. Noch im Juli kochten die Emotionen bei der Infoveranstaltung im Alpenfestsaal hoch. Jetzt sagt der Bürgermeister, er höre gar nichts mehr. 32 Personen leben derzeit in der Anlage unweit der Schule, Platz hätten 75 Personen. Weindl hat dem Landratsamt sogar vorgeschlagen, die Unterkunft um eine Container-Etage aufzustocken. So könnte Wohnraum für mehr als 100 Flüchtlinge geschaffen werden.

Ahmad Laila und Maisaa Al Aseel (Mitte) haben die Flucht gemeinsam mit ihren Töchtern Dania (13, v.l.), Mahal (18), Siham (6) und Aya (8) überstanden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Rage reden kann sich der Lenggrieser Bürgermeister, wenn es um das Gelände der Flussmeisterstelle an der Isar geht. Schon 2014 hatte Weindl bei der Regierung von Oberbayern nachgefragt, ob das Areal, das dem Freistaat gehöre, als Aufstellungsort für Container herangezogen werden könne. Eine Antwort blieb bis Juni 2015 aus, dann hieß es, die Fläche sei ein Naturschutzgebiet. Die Bedenken habe er ausräumen können, sagt Weindl. Zwei Wochen später sei die Fläche plötzlich als geeigneter Standort eingestuft worden. Weiter dreht sich der Streit um das Baurecht an der Stelle. Braucht es einen Ausgleich für den Eingriff in die Natur? Braucht es eine eigene Zufahrt? Weindl ärgert sich über die Verzögerung: "Man mag diese Fläche einfach nicht zur Verfügung stellen. Der Freistaat hält sich bei seinen eigenen Liegenschaften vornehm zurück."

Bis zu 100 Asylbewerber könnten auf dem Areal der Flussmeisterstelle Unterkunft finden. Dennoch werde man sich im Rathaus Gedanken über weitere mögliche Standorte auf gemeindeeigenen Flächen machen. Insgesamt leben aktuell 80 Flüchtlinge in Lenggries. Sie werden von 120 Ehrenamtlichen betreut. "Die machen eine ganz tolle Arbeit", sagt Weindl. Doch selbst wenn so eine große Anzahl an Freiwilligen im Einsatz sei, unendlich belastbar seien diese Bürger nun auch nicht. Viel hänge davon ab, wie viele Asylsuchende die Gemeinde noch werde aufnehmen müssen. Sollte die konservativere Schätzung stimmen, dass bis Ende des Jahres 1728 Asylbewerber hinzukämen , müsste Lenggries weitere 138 Flüchtlinge aufnehmen. Stimmt die Prognose mit 3214 Personen, kämen 184 Asylsuchende zusätzlich.

Bürgermeister Werner Weindl (CSU, 2. v. r.) auf Tour mit den SZ-Mitarbeitern Julia Schneidawind und David Costanzo sowie Leser Heiner Schwab (Foto: Harry Wolfsbauer)

Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) hatte angekündigt, im Notfall auch die ehemalige Prinz-Heinrich-Kaserne gegen den Willen der Gemeinde Lenggries zu beschlagnahmen, um Flüchtlinge unterzubringen. Dem sieht Weindl gelassen entgegen. Diese Maßnahme könne nur von kurzer Dauer sein und müsse obendrein sehr gut begründet werden. "Das Landratsamt müsste aufzeigen, dass es keine Alternativen gibt - und zwar im ganzen Landkreis."

Zur Kaserne gehören zwei Gebäude, in denen früher Soldaten wohnten. Diese möchte der Eigentümer dem Landratsamt als Asyl-Unterkünfte überlassen. Laut Bebauungsplan befinden sie sich in einem Gewerbegebiet, eine Nutzung als Asylunterkunft ohne Genehmigung auf Nutzungsänderung, sei nicht möglich, so Weindl. trotzdem habe das Landratsamt dort Flüchtlinge einquartiert, dagegen klagte Lenggries. "Wir mussten diesen Weg gehen", betont er. Denn die Gemeinde müsse an ihrem Planungswillen, also der Festlegung auf ein Gewerbegebiet, beharren, sonst könnte das Gericht davon sprechen, die Kommune habe eine Wohnnutzung geduldet. Dann habe man nie mehr eine Chance, ein komplett neues Wohngebiet auf dem 15 Hektar großen Kasernenareal zu verhindern. Der Eigentümer der Liegenschaft wiederum hat gegen den Bebauungsplan geklagt. Am 17. September trifft sich das Verwaltungsgericht zu einem Ortstermin. Weindl hofft auf ein schnelles Urteil.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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