Icking:Weltgewandt im Isartal

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Im "Rittergütl" von Richard Weiß passen Schweinsbraten und Shepherd's Pie auf eine Karte

Von Claudia Koestler, Icking

Vielleicht ist es der einzigartige Charme des Isartals, mit seinen Bauernhäusern, blühenden Gärten und kleinen Kirchen, dem schon so viele Persönlichkeiten und Sommerfrischler erlagen. Oder aber die sensationelle Fernsicht von der Benediktenwand bis ins Karwendelgebirge. In einem Beweggrund herrscht bei Einheimischen und Ausflüglern Einigkeit: Wer hier regionale Köstlichkeiten mit weltoffenen Einflüssen in bester Qualität genießen will, hat einen Treffpunkt, den Landgasthof Rittergütl in Irschenhausen.

Für die einen ist dies die örtliche Dorfgaststätte, die frische, nicht tümelnde Heimatverbundenheit bietet. Für die anderen ein Geheimtipp, der Ausflügler weit über die Grenzen der Region anlockt und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ein Spagat, den der Wirt und Besitzer Richard Weiß seit Jahren meistert: "Wir wollen, dass alles stimmt, dass es für jeden etwas auf der Karte gibt und sich Einheimische wie Ausflügler, Handwerksburschen und Akademiker, Mütter und Rentner gleichermaßen willkommen fühlen", sagt er.

Und moderne Gemütlichkeit und das spektakuläre Alpenpanorama sind beileibe nicht die einzigen Gründe, im Rittergütl einzukehren. Denn Weiß überzeugt mit einer anspruchsvollen, hochwertigen Küche, in der bayerische Wirtshauskost mit heimischen Frischprodukten fein zubereitet wird, zu moderaten Preisen. Und sich neben den Klassikern der Wirtshausküche auch kreative oder leichte Spezialitäten finden wie Topfenbergkäsepflanzerl oder ein Radieserl-Frischkäsesalat.

Die Karte schreibt Weiß täglich neu. Im Winter ist sie kleiner, mit eher deftigen Speisen darauf, im Sommer mehr Leichtes und Frisches. Und dass er einen besonderen Fokus auf regionale und saisonale Küche hat, das habe sich einfach ergeben: "Die Leute aus der Umgebung kommen mit ihren Waren auf mich zu, und wenn die Qualität passt, kaufe ich am liebsten die", sagt Weiß.

Seinen Ursprung nahm der heutige Landgasthof als Pension für die Sommerfrischler, die um die Jahrhundertwende den Weg ins Isartal fanden. Der damalige Eigentümer hieß Ritter, und weil die Landfläche um das Gebäude herum groß war, sprachen die Einheimischen eben vom Rittergütl. "Das ist manchmal für Kinder ein bisschen enttäuschend, wenn sie das erste Mal kommen, weil sie sich eine Art Raubritterburg unter dem Namen vorstellen", sagt Weiß lachend. Zwischendurch wechselte das Haus Besitzer und Namen. Doch als Weiß' Vater es 1978 erwarb, renovierte und umbaute, besann er sich auch auf den ursprünglichen Namen der Wirtschaft. "Mein Vater hat mir viel Freiraum gelassen", sagt Weiß dankbar. Denn viele Jahre lang hatte er gar nicht vor, das Rittergütl zu übernehmen. Als "Scheidungskind", wie er sich selbst nennt, wurde der heute 48-Jährige in den Vereinigten Staaten geboren, Sohn eines Deutschen und einer Engländerin. Er wuchs bei der Mutter auf der britischen Insel auf, doch die damalige Rezession in Großbritannien ließ seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt schwinden. Also zog er nach Icking zu seinem Vater, lernte zunächst Deutsch und begann eine Kochlehre. Sein Handwerk lernte er zunächst in einem Sterne-Betrieb in Garmisch-Partenkirchen, dann ging er auf Wanderschaft: ins Elsass, in die Schweiz, nach Großbritannien, und zweimal heuerte er auch auf einem großen Kreuzfahrtschiff an, wo er unter anderem für Wolfgang Puck arbeitete. "Das waren wunderbare Einflüsse, in jedem Hafen gab es neue Gemüsesorten, neue Gewürze, neue Eindrücke", schwärmt Weiß. All das loszulassen habe er sich lange nicht vorstellen können, bis zu einem besonderen Moment im Jahre 1993. "Da kam ich gerade aus China, wo der Smog immer alles überdeckt", erinnert er sich. Und als er in Irschenhausen ankam und die Alpenkette sah, wusste er: "Hier bin ich zu Hause, ich bin angekommen."

Im Jahr 2000 übernahm er den Gasthof von seinem Vater und renovierte ihn. "Ich wollte, dass es offener wirkt, man muss ja immer versuchen, am Ball zu bleiben", sagt er. Vor allem aber kam auch neues Geschirr dazu: "Das ist die sanfteste Methode, Eltern in der Gastronomie zu sagen, jetzt beginnt was Neues." Doch auch wenn es ihn nicht mehr in die Ferne zieht: Seine vielfältigen Eindrücke finden sich auch auf der Karte wieder. Sogar seine englischen Wurzeln finden manchmal Einzug: "Was ich mag, ist fish and chips, das gibt es bei mir auch tatsächlich manchmal auf der Karte, ganz original mit Malzessig. Oder Shepherd's Pie, ein Auflauf mit Hackfleisch und Kartoffelpüree." Grundsätzlich sei es eine Mischung aus verschiedenen Landesküchen und Geschmacksrichtungen, ohne dass er dabei die bayerische Tradition vergesse. Und so ist das Haus eigentlich berühmt für seinen reschen Schweinsbraten und das Original Wiener Schnitzel, hauchdünn geklopft, wie es sein sollte.

Auch wenn Weiß die Sterne-Küche nicht fremd ist: Selbst nach den Sternen zu greifen, das "ist nicht meine Richtung", sagt er unumwunden. "Das wäre einfach Stress pur. Ich wollte auch nie ein In-Lokal sein, denn wer in ist, ist irgendwann auch wieder out. Jeder ist bei mir willkommen, und jeder muss es sich leisten können", sagt er. Qualität und Beständigkeit, das seien seine Parameter, erklärt er.

Weiß ist verheiratet und hat zwei Kinder, seine Frau hilft im Gasthaus mit. Wenn er durch Irschenhausen geht oder die Kinder zur Schule bringt, grüßt ihn jeder. "Für mich hat sich der Kreis geschlossen", sagt er. "Was man hier finden kann, das Flair, das gibt einem viel. Und ich wünsche mir, dass dieses Glücksgefühl bleibt, und unser Familienbetrieb dieses Gefühl den Gästen noch lange mitgeben kann."

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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