Ebersberg:Hausärzte sollen Notaufnahme entlasten

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Ärzte-Sprecher Werner Klein, Neurologe in Ebersberg, befürwortet eine Bereitschaft an der Klinik. (Foto: Endt)

Eine Bereitschaftspraxis an der Ebersberger Klinik hätte für Patienten und Mediziner einige Vorteile. In der Ärzteschaft des Landkreises ist das Projekt allerdings umstritten

Von Barbara Mooser, Ebersberg

In der Notaufnahme der Ebersberger Kreisklinik ist fast immer viel los. Dorthin kommen aber nicht nur Patienten, die tatsächlich die hochspezialisierte Betreuung brauchen, die das Krankenhaus bietet - auch wegen Schnupfen oder Schlaflosigkeit suchen die Ebersberger Hilfe, oder weil sie sich am Freitag beim Sport verletzt haben und schon mal ein Attest für den Montag holen wollen. Seit längerem gibt es daher Pläne, eine Notdienstbereitschaftspraxis der niedergelassenen Ärzte in der Klinik einzurichten. Doch das Vorhaben, das als Pilotprojekt laufen soll, liegt derzeit auf Eis: Es gebe noch Abstimmungsbedarf, teilt ein Sprecher der Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) mit. In der Ebersberger Ärzteschaft ist die Idee umstritten.

Werner Klein, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands, gehört nicht zu den Skeptikern: In seinen Augen wäre es das richtige Konzept für die Zukunft. Diese Ansicht teilt er mit Stefan Huber, dem Geschäftsführer der Kreisklinik. Denn während im stationären Bereich die Patientenzahlen im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent zugenommen haben, sind es im ambulanten Bereich sogar fünf Prozent. In vielen Fällen sehen die Patienten die Notaufnahme als so etwas wie eine Hausarztpraxis mit verlängerten Öffnungszeiten - was aber das System in der Notaufnahme bisweilen arg belastet. Daher gibt es nun eben die Idee, die niedergelassenen Ärzte direkt an die Klinik zu holen und ihnen dort Räume für ihren Bereitschaftsdienst unter der Woche abends und an den Wochenenden zu bieten. Auch die Labors und wichtige Geräte könnten die Allgemeinmediziner dort nutzen. Und die Patienten haben eine zuverlässig besetzte Anlaufstelle, vor allem bei geringfügigeren Beschwerden. Und wenn sich beim Besuch der Notdienstbereitschaftspraxis herausstellt, dass die Erkrankung schwerwiegender ist als angenommen, kann die Klinik den Patienten problemlos übernehmen.

Werner Klein, der selbst als Neurologe in Ebersberg tätig ist, sieht aber auch für die Mediziner Vorteile - vor allem vor dem Hintergrund der älter werdenden Ärzteschaft und der zunehmenden Probleme, die Bereitschaftsdienste in der bisher praktizieren Form zu organisieren. "Die Bereitschaftsdienstgruppen dünnen aus, die Dienstbelastung pro Kopf steigt", erläutert der Fachmann. Und zunehmend werde es auch schwierig, die Fahrdienste zu organisieren. Nicht nur Ärztinnen hätten bei Hausbesuchen in abgelegenen Gegenden bisweilen ein ungutes Gefühl: "90 Prozent aller Kolleginnen und Kollegen wurden schon einmal mit Aggressionen konfrontiert", sagt Klein. Das habe eine Studie nun gezeigt.

In einer Notdienstpraxis an der Kreisklinik könnte man nach Angaben des Ebersberger Ärzte-Sprechers vieles anders organisieren. Beispielsweise könnten hier auch Ärzte tätig werden, die keine Praxis im Landkreis haben: Wiedereinsteiger etwa, oder Mediziner, die nur in Teilzeit tätig werden wollen. Auch Honorarärzte oder Jungmediziner, die fast am Ende ihrer Facharztausbildung sind, könnten das Team verstärken. Fahrdienste und Dienste in der Praxis würden gesondert eingeteilt. Und die vielen Fachärzte, die zwar theoretisch derzeit ebenfalls Bereitschaftsdienste machen müssen, praktisch aber oft Kollegen bitten, sie gegen Honorar zu übernehmen, hätten weniger Probleme, diese Vertretungen zu organisieren.

Dennoch herrscht unter einigen Kollegen im Landkreis Skepsis, was das neue Modell betrifft, wie Klein weiß: Etliche von ihnen stehen schon relativ am Ende ihres Berufslebens und sind deshalb nicht interessiert daran, jetzt noch einmal bei einer doch auch kräftezehrenden Neustrukturierung mitzuwirken. Andere kritisieren, dass Doppelstrukturen aufgebaut werden, und sie gewissermaßen in zwei Praxen Dienst machen und möglicherweise durch den ganzen Landkreis fahren müssen. "Momentan tauschen Befürworter und Gegner Argumente aus", so Klein. Eine Entscheidung würde ohnehin die KVB letztlich den Ärzten abfordern, dies sei aber "momentan nicht konkret geplant", so ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung.

Andere Landkreise haben den Prozess hingegen schon hinter sich: "Die Erfahrungen sind sehr gut", sagt Elmar Gerhardinger, Ärztesprecher im Landkreis Erding. Zwar gab es vor der Umstellung im Jahr 2007 auch hier Vorbehalte, inzwischen habe sich das System aber bewährt. "Das neue Angebot ist sagenhaft angenommen worden", so Gerhardinger. Die Ärzte müssten bei weitem nicht mehr so oft Bereitschaftsdienste übernehmen, vier bis fünf Mal im Jahr muss man in der Regel ran. Sehr bewährt habe sich auch, dass Fahr- und Praxisdienste nun getrennt seien: Der Arzt müsse nun nicht mehr entscheiden, ob er zuerst einen Hausbesuch unternehme oder sich erst um die Patienten in der Praxis kümmere. Damit sei ein "unlösbarer Konflikt" beseitigt.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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