Tibor Pleiß bei Basketball-EM:Grübler ist jetzt Anführer

Supercup - Deutschland - Israel

Mit 25 Jahren schon einer der Erfahrensten: Center Tibor Pleiß (rechts)

(Foto: David Ebener/dpa)
  • Tibor Pleiß zeigt bei der Basketball-EM, dass er bereit ist für ganz große Aufgaben - auch für die NBA.
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Von Jonas Beckenkamp, Berlin

So ganz abgehakt hat Tibor Pleiß die entscheidende Szene im Spiel gegen Serbien noch nicht. Der Treffer von Nemanja Bjelica wirkte nach dem 66:68 in der Vorrunde der Basketball-EM noch lange nach. "Wir hätten fast gegen den Vizeweltmeister gewonnen, leider hatte Bjelica was dagegen und haut das Ding von hinter dem Brett rein." Tatsächlich war es ein beinahe unmöglicher Wurf, den der serbische Spielverderber da verwandelte - aber ob hinter dem Brett oder davor, das spielt nun keine Rolle mehr. Der Ball war drin. Da half es auch nichts, dass Pleiß seine 2,18 Meter in die Höhe schraubte.

Wer sich mit dem Center der deutschen Nationalmannschaft unterhält, muss sich selbst auch in die Höhe schrauben - mindestens auf Zehenspitzen sollte der Gegenüber sich stellen, sonst kommen Zwergengefühle auf. Der gebürtige Rheinländer gibt sich aber alle Mühe, nicht zu riesig zu wirken - er beugt sich leicht zu seinem Gesprächspartner nach vorne.

Und er hat tatsächlich was zu sagen: "Ich bin hier mit 25 Jahren ja schon einer der Erfahrensten, das muss man sich mal vorstellen." Im Team gibt es als Anführer die beiden Kapitäne Heiko Schaffartzik (31) und Dirk Nowitzki (37), dazu den gerade eingebürgerten Anton Gavel (30) - und es gibt Pleiß, der schon seit sechs Jahren Nationalspieler ist.

Früher galt er als Riesentalent, als Mann der Zukunft, aber auch als junger, dürrer Lulatsch, der noch viel lernen musste. Es gibt eine Szene von der EM 2009, die bei Youtube dokumentiert ist: Darin schubst ihn der Grieche Sofoklis Schortsanitis einfach mit dem Hintern aus dem Weg. Pleiß purzelt fast bis auf die Auswechselbank, während sein 150 Kilo schwerer Gegner den Ball wie auf der Playstation in den Korb knallt. "Ich gebe zu, das sah ziemlich ungeschickt und lustig aus. Irgendwie fehlte mir da die Anspannung", sagte der damals gerade nach Bamberg gewechselte Pleiß. Heute würde ihm das nicht mehr passieren, heute ist er der Chef-Bewacher des deutschen Korbes. Selbst die Serben prallten manchmal an ihm ab.

"Meine Rolle ist viel bedeutender als früher, weil ich mich im Ausland weiterentwickelt habe", findet Pleiß, der nach zwei Jahren in Vitoria und einem beim FC Barcelona in diesem Herbst in Utah seine NBA-Karriere startet. Viele Beobachter wollten ihn schon früher in den USA sehen, nachdem seine Rechte bereits 2010 an die Oklahoma City Thunder gingen. Doch Pleiß ist keiner, der die Dinge überstürzt. Er plant seinen Weg sorgfältig, er macht sich viele Gedanken - manchmal sogar zu viele, wie Alex Jensen meint. Der Amerikaner ist Assistenzcoach der Utah Jazz. Bei dieser EM unterstützt er den Stab von Bundestrainer Chris Fleming. Er kümmert sich vor allem um die langen Leute und versucht, Pleiß fit für das körperbetonte Spiel in Amerika zu machen.

Skifahren und Schnorcheln verboten

"Er ist ein smarter Typ. Aber das Spiel der großen Jungs ist eigentlich sehr einfach. Grübelei wirft einen da nur zurück", erklärt Jensen. "Allein, dass Tibor das Feld rauf und runter rennt, verleiht dem Team enorme Präsenz." Wenn er noch aktiver Rebounds vom Ring pflückt und sich an die Ellbogengesellschaft in den NBA-Zonen gewöhnt, habe er "alle Möglichkeiten, um sich auch unter den Besten in Amerika zu behaupten".

Ähnlich sieht das Bundestrainer Fleming, der beim Medientermin vor dem Türkei-Spiel am Dienstag (17:45 Uhr, Liveticker auf SZ.de) verblüfft darüber war, wie viele Fragen er zu Pleiß beantworten sollte. "Er scheint hier der gefragteste Spieler zu sein", scherzte der 45-Jährige. Natürlich weiß auch er: Ohne Pleiß wären die vielen Ausfälle (es fehlen Maik Zirbes, Daniel Theis oder Maxi Kleber) auf den großen Positionen nicht zu kompensieren.

Fleming widmete seinem letzten verbliebenen Top-Center entsprechend ausführliches Lob: "Er hat hier schon gezeigt, dass er bereit ist. Er ist viel selbstbewusster geworden und beschäftigt sich nicht mehr so lange mit Rückschlägen." Nachdem Pleiß sich gegen Serbiens Koloss Miroslav Raduljica schon sehr physisch gewehrt hatte, wartet auf ihn nun der türkische Hüne Semih Erden. Den früheren Profi der Boston Celtics und der Cleveland Cavaliers kennt der Deutsche bestens aus Duellen in der Euroleague. "Wir spielen schon viele Jahre gegeneinander. Ich trete gern gegen ihn an", sagt Pleiß.

Nach Erden trifft er mindestens noch auf den Italiener Andrea Bargnani und den Spanier Pau Gasol. Und von Oktober an kann er sich dann mit weiteren Riesenkerlen aus der NBA messen. Nur eines darf er in Utah übrigens nicht: Skifahren. "Es gibt dort wunderbare Gebiete, aber mein Vertrag verbietet mir solche Aktivitäten. Ich darf nicht mal Schnorcheln."

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