Einsicht in Verhandlungspapiere:Für wen TTIP geheim ist - und für wen nicht

Cyclist rides past graffiti that reads, 'No TAFTA, No TTIP', in Brussels, Belgium

Graffiti in Brüssel: Ohne die Bürger geht es nicht.

(Foto: REUTERS)
  • Erstaunlich viele Mitarbeiter aus Bundesministerien haben leichten Zugang zu den geheimen TTIP-Verhandlungspapieren.
  • Bundestagabgeordnete aber bleiben immer noch außen vor.
  • Die Grünen sind empört und machen das in einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert deutlich.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Für einen einfachen Referenten im Wirtschaftsministerium ist es leichter, Zugang zu den geheimen TTIP-Verhandlungsdokumenten zu bekommen als für einen Bundestagsabgeordneten. Wie einfach, wurde jetzt bekannt. Und auch, wie erstaunlich viele Mitarbeiter es sind. Nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen können derzeit 139 Mitarbeiter aus verschiedenen Ministerien die Dokumente problemlos einsehen. Darunter nicht nur Abteilungsleiter, sondern auch Referenten und Referatsleiter. Also praktisch jeder, der im Ansatz inhaltlich von den TTIP-Verhandlungen betroffen ist.

Der Streit um die Transparenz begleitet die TTIP-Verhandlungen seit ihrem Beginn. Die Europäische Kommission veröffentlicht seit geraumer Zeit Verhandlungsdokumente auf ihrer Internetseite. Besonders brisante Unterlagen aber bleiben den Regierungen der Mitgliedsländer vorbehalten. In Brüssel gibt es dafür eine Stelle, in der die Regierungen Einsicht in die Akten bekommen können.

Die US-Seite stellt die gleichen Dokumente seit Mai dieses Jahres in speziellen Leseräumen ihrer europäischen Botschaften zur Verfügung. Das gilt auch für die US-Botschaft am Pariser Platz in Berlin. Das sei ein Angebot als "Reaktion auf das Anliegen der Mitgliedsstaaten, einfacher Zugang zu den Dokumenten zu erhalten", heißt es auf den Internetseiten der US-Botschaft.

Besondere Bedingungen stellt die US-Botschaft nicht. Aus der Antwort vom 4. September geht hervor, dass die Bundesregierung lediglich eine Namensliste vorlegen muss. Spezielle Geheimhaltungsvorschriften über das übliche Maß hinaus scheinen nicht zu greifen.

Die Dokumente "können von allen von der Bundesregierung angemeldeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien eingesehen werden. Die Nutzungsbedingungen machen keine Vorgaben zur Amtsbezeichnung der Personen, die zur Nutzung berechtigt sind", heißt es in der Antwort, die der SZ vorliegt. Auch Nachmeldungen sind möglich: "Die Liste der zugangsberechtigten Personen wird fortlaufend angepasst."

Umso unverständlicher, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages nach wie vor keinen Einblick in die Dokumente bekommen können. "Das aktuelle Verfahren sieht nicht vor, dass Mitglieder der Parlamente der Mitgliedsstaaten die konsolidierten Texte einsehen", heißt es dazu bei der US-Botschaft.

Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, hält das nicht länger für tragbar. "Hier wird Demokratie mit Füßen getreten", sagte sie zu SZ. Ein Vertragswerk mit so weitreichenden Folgen wie TTIP dürfe nicht nur der Regierung überlassen werden. "Das Parlament muss beteiligt werden."

In einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vom Mittwoch schreibt Haßelmann: "Ich halte es für völlig inakzeptabel für unser Parlament, sich mit dem Nicht-Zugang abzufinden." Angesichts der umfänglichen Nutzungsmöglichkeiten für Mitarbeiter der Bundesregierung sei es erst recht ungeheuerlich, dass den Abgeordneten des Bundestages der Zugang zum Leseraum weiterhin verwehrt sei. Sie forderte Lammert auf, sich "mit Nachdruck gegenüber US-Regierung, EU-Kommission und Bundesregierung für die Öffnung der Leseräume für Bundestagsabgeordnete" einzusetzen.

Haßelmann kündigte an, diese Frage in der Sitzung des Ältestenrates an diesem Donnerstag erneut auf die Tagesordnung zu setzen.

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