Innere Sicherheit:Wie man Flüchtlinge vor Islamisten schützt

Ankunft von Flüchtlingen in Schönefeld

Asylbewerber am Bahnhof Schönefeld in Brandenburg: Größer als die Angst vor Terroristen, die mit dem Flüchtlingsstrom nach Europa schwimmen wollen, ist die Sorge, dass Flüchtlinge in Deutschland in den Einflussbereich islamistischer Gruppen geraten könnten.

(Foto: dpa)
  • Ex-Innenminister Friedrich warnt vor Terroristen, die gemeinsam mit den Flüchtlingen nach Deutschland kommen könnten.
  • Geheimdienste und Experten schätzen diese Gefahr eher als gering ein.
  • Mehr Sorge bereiten ihnen die Versuche von Islamisten, die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland für ihre Ziele zu gewinnen.

Von Paul Munzinger

Ist Deutschland ein "Hippie-Staat", der den Bezug zur Realität verloren hat, ein Land, das seinem Herzen und nicht mehr seinem Hirn folgt? Hans-Peter Friedrich hat diese Worte des britischen Politilogen Anthony Glees nicht benutzt. Aber auch der CSU-Politiker und ehemalige Innenminister ist offenbar der Meinung, dass Deutschland buchstäblich seinen Verstand verloren hat, als es entschied, Flüchtlinge aus Ungarn einfach einreisen zu lassen. Unbürokratisch, ohne Registrierung, ohne Kontrolle.

Deutschland durchwankt in den Augen Friedrichs gerade einen humanitären Vollrausch. Und Friedrich warnt vor einem schlimmen Kater.

In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse bezeichnet er die unbürokratische Aufnahme Tausender Flüchtlinge als "beispiellose politische Fehlleistung", die "verheerende Spätfolgen" haben werde. Es sei "völlig unverantwortlich", die Flüchtlinge einreisen zu lassen, ohne abschätzen zu können, "wie viele davon IS-Kämpfer oder islamistische Schläfer" seien. Kein anderes Land der Welt würde sich derart "naiv und blauäugig einer solchen Gefahr aussetzen", so Friedrich weiter. "Wir haben die Kontrolle verloren."

Sind die Bedrohten auch eine Bedrohung?

An Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen fehlt es in der deutschen Debatte wahrlich nicht: Alles Wirtschaftsflüchtlinge, alles Schmarotzer, die dem Steuerzahler das Geld aus der Tasche ziehen, sich aber selbst ein Smartphone leisten können. Aber die Frage, ob mit den Vertriebenen nicht auch Terroristen einwandern, ob die Bedrohten nicht auch eine Bedrohung darstellen, diese Frage wurde in Deutschland, wenn überhaupt, bislang nur leise gestellt.

Wie leise, das ruft nicht nur der alarmistische Zwischenruf aus Bayern in Erinnerung. Das wird auch mit dem Blick auf die Debatten in anderen Ländern deutlich: Ein ungarischer Bischof sprach von einer muslimischen "Invasion", der Chef des amerikanischen Homeland-Security-Komitees warnte vor der "größten Konzentration islamistischer Terroristen aller Zeiten" in Syrien und dem Irak, eine französische Stadt will Flüchtlinge nur dann aufnehmen, wenn die "absolute Sicherheit" bestehe, "dass es keine verkappten Terroristen sind".

29 erwiesene Syrien-Kämpfer? Das Innenministerium dementiert

Die Passauer Neue Presse hat zum Friedrich-Interview auch eine Zahl präsentiert: 29. So viele "erwiesene Syrien-Kämpfer" hätten die Sicherheitsbehörden bereits unter den Asylbewerbern identifiziert. Das Bundesinnenministerium dementierte umgehend. Es gebe zwar immer wieder Hinweise, dass "unter den Flüchtlingen auch IS-Kämpfer sein könnten", sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. "Bislang hat sich aber kein solcher Anhaltspunkt konkret bestätigt."

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz teilt auf SZ-Anfrage mit, dass "die theoretische Möglichkeit für terroristische Organisationen, Mitglieder als Asylsuchende einzuschleusen", nicht ausgeschlossen werden könne. Belastbare Erkenntnisse, dass Dschihadisten den Flüchtlingsstrom als Einreiseweg nutzten, gebe es aber nicht. Auch belastbare Erkenntnisse "zum Aufenthalt von IS-Mitgliedern oder -Symapthisanten in Flüchtlingsunterkünften" fehlten bisher.

Rauf Ceylan, Islamwissenschaftler an der Universität Osnabrück, glaubt nicht an eine erhöhte Terrorgefahr - und warnt vor einem Generalverdacht gegenüber muslimischen Flüchtlingen. "Das sind Menschen, die vor Extremisten fliehen", sagt Ceylan. "Sonst wären sie ja in Syrien geblieben." Auch Gerhard Schindler, Chef des Bundesnachrichtendienstes, sagte kürzlich in einem Bild-Interview: "Flüchtlinge sind keine Terroristen."

Salafisten wollen die Hilfsbedürftigkeit von Flüchtlingen ausnutzen

Größer als die Angst vor Terroristen, die mit dem Flüchtlingsstrom nach Europa schwimmen wollen, ist derzeit eine andere Sorge: dass Flüchtlinge in Deutschland in den Einflussbereich islamistischer Gruppen geraten könnten. Der bayerische Verfassungsschutz hat jetzt einen Bericht des Bayerischen Rundfunks bestätigt, wonach Salafisten am Münchner Hauptbahnhof um Flüchtlinge werben.

"Die Hilfsbedürftigkeit von Flüchtlingen wollen Salafisten gezielt für ihre Zwecke ausnutzen und missbrauchen", teilt das Amt mit. Sie versuchten auch, unbegleitete junge Flüchtlinge anzusprechen, "die ohne ihre Familien kommen und in besonderer Weise nach Anschluss und Unterstützung suchen". Auch das Bundesinnenministerium bestätigt, dass sich Flüchtlinge mitunter "den Einflussnahmeversuchen von Salafisten ausgesetzt" sähen.

Der berüchtigte salafistische Prediger Pierre Vogel hat auf seiner Facebook-Seite Tipps für die richtige Ansprache von Flüchtlingen verbreitet. "Bildet Teams in eurer Umgebung"" lautet einer, "Macht alle Flüchtlingsunterkünfte in eurer Umgebung ausfindig!", "Bringt Geschenke mit!", "Lasst euch nicht entmutigen".

"Man darf diesen Rattenfängern keinen Raum für die Mobilisierung geben", sagt Islamwissenschaftler Ceylan. Die Flüchtlinge kämen mit großen Erwartungen nach Deutschland. Jetzt sei es wichtig, diese Erwartungen nicht bitter zu enttäuschen und so ein Vakuum entstehen zu lassen, das die Islamisten auszufüllen versuchten. Sobald die Flüchtlinge deutschen Boden beträten, müssten sie aufgefangen, betreut und integriert werden, sozial, kulturell und religiös. "Wie die Bürger die Flüchtlinge am Hauptbahnhof in München begrüßt haben, war ein sehr guter Start", sagt Ceylan. "Daran muss man jetzt anknüpfen."

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