Markt Schwaben:Ulrichs Vermächtnis

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Bei einem Festabend wird an die Gründung Markt Schwabens vor 900 Jahren und die starke Integrationskraft der Gemeinde erinnert

Von Michael Haas, Markt Schwaben

Ritter Ulrich von Moosach wirft sich nieder. Er hebt die Hände und überreicht dem Abt ein gerolltes Papier, im Hintergrund erklingen die Choräle der Mönche. Der todkranke Abt beginnt, die lateinische Urkunde zu verlesen, reiht Wort für Wort aneinander. Dann fällt das entscheidende Wort: "suaben". Es wird dunkel, donnernder Applaus erfüllt die Markt Schwabener Dreifachturnhalle. Wegen dieser Szene sind die etwa 800 Besucher an diesem Samstagabend hier: Im Jahr 1115 verschenkt Ritter Ulrich eine Mühle an das Kloster Ebersberg. Sie liege bei "suaben", heißt es in der Urkunde. Es ist die erste Erwähnung der Gemeinde, die heute Markt Schwaben heißt. 900 Jahre also blüht und gedeiht der Ort nun schon, sagt die Erzählerin. "Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist!"

Und wie sie feiern, die Markt Schwabener: 22 Veranstaltungen haben sie für ihr Jubiläumsjahr organisiert. In den kommenden Wochen werde es noch einen Mittelaltermarkt, ein historisches Theater und eine Ausstellung geben, erzählt Bernd Romir. Minutenlang bedankt sich der Leiter des Organisationsteams und des Heimatmuseums bei den Helfern.

Auch am großen Festabend zum Auftakt des Jubiläumswochenendes sind sie zahlreich im Einsatz. Die Dreifachturnhalle wurde zum Saal umgebaut, eine große und zwei kleinere Leinwände rahmen die Bühne ein. Der imposanten Lichtanlage wegen machen sich die Gstanzl-Sänger Karl Haushofer, Jakob Hechtl und Martin Schimpf denn auch prompt Sorgen um die finanzielle Situation der Gemeinde - vor allem aber um ihre Verpflegung: "Des mit der Leinwand, des is scho famos. Andrerseits is die Speiskart' gar ned so groß." Vier Strahler und zwei Lautsprecher weniger, dann hätte es auch für einen Rollbraten gereicht, da sind sie sich sicher.

Markt Schwaben hat laut Reinhard Heydenreuter, Professor für Bayerische Landesgeschichte, eine "Integrationskompetenz seit der Gründung". (Foto: Christian Endt)

Das Trio eröffnet den Abend mit einem eigens komponierten Jubiläumslied, in dem sie die Geschichte des Orts besingen. Auch die Begrüßung der Ehrengäste dürfen sie übernehmen, und so gerät das oft trockene Aufzählen von Namen zum kabarettistischen Rundumschlag. Von der Landtagsabgeordneten, die vor fremden Garagen parken soll, bis zum "Viertel-Markt Schwabener", Landrat Robert Niedergesäß (CSU), werden alle derbleckt. Über den ausgiebig radelnden Bürgermeister weiß Haushofer zu berichten: "Der gfreit si auf sei Red, weil für ihn is heid besser, wenn er aufrecht dosteht."

Spätfolgen der letzten Fahrradtour sind bei Georg Hohmann (SPD) dann aber doch nicht zu sehen. Der Bürgermeister nutzt seine Rede nicht nur dazu, von Markt Schwaben als stetig schöner und attraktiver werdender Gemeinde zu schwärmen, sondern schwört die Besucher auch auf kommende Aufgaben ein. Denn in den kommenden Wochen soll auch die Dreifachturnhalle der Gemeinde zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. "Es werden Menschen zu uns kommen, denen solche Feiern, wie wir sie hier begehen, nicht vergönnt sind", sagt der Bürgermeister. Hohmann würdigt das Engagement der rund 160 ehrenamtlichen Helfer, die sich bereits jetzt zu einem Aktivkreis zusammengefunden hätten und bittet um eine freundliche Aufnahme der Flüchtlinge in der Gemeinde.

Bürgermeister Georg Hohmann schwärmt, dass seine Gemeinde immer schöner und attraktiver wird. (Foto: Christian Endt)

Schwierig sollte das mit Blick auf die 900 Jahre lange Geschichte der Gemeinde nicht werden, sagt Festredner Reinhard Heydenreuter später. Der Professor für Bayerische Landesgeschichte spricht Markt Schwaben eine "Integrationskompetenz seit der Gründung" zu. Ausführlich erklärt er die weltpolitische Lage der damaligen Zeit: der Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser, die Ängste der Bevölkerung vor dem Jüngsten Gericht, sich anbahnende Kreuzzüge, Völkerwanderungen. Es war eine Zeit starken Glaubens. Der habe wohl auch zur Schenkung der Mühle bei "suaben" an das Kloster geführt, sagt Heydenreuther. Ritter Ulrich habe das Stück Land und zwei Leibeigene übergeben, um das "Seelenheil" für seinen Onkel - den Abt Rupert - und sich selbst zu erreichen.

Heydenreuthers Vortrag ist eng mit den historischen Szenen verwoben, die rund 40 Schauspieler unter Leitung von Regisseur Otmar Demharter anschließend auf die Bühne bringen. Sie zeigen in kurzen Ausschnitten, wie das Leben der damaligen Zeit aussah. So finden sich die Besucher plötzlich in der Alhambra-Festung von Granada wieder, wo sich der Sultan die Vorführung einer Bauchtänzerin ansieht, beim Gesang eines Barden in einer mittelalterlichen Stadt oder bei der Ausbildung junger Ritter. Pauken erklingen und Nebel zieht durch die Halle, als durch den Mittelgang vier Ritter zur Bühne schreiten. Ein Kampf entbrennt, Schwerter klirren, dann liegen zwei Männer auf dem Boden. Es wird dunkel. "In jener Zeit lag eine tiefe seelische Belastung auf den Menschen", sagt Erzählerin Elke Deuringer. Die Angst vor der Wiederkehr Christi und dem jüngsten Gericht sei allgegenwärtig gewesen. Und dann kniet er da: Ritter Ulrich hat den Kopf gesenkt, betet verzweifelt. Eine Frau eilt herbei und erzählt ihm, Abt Rupert liege im Sterben. Ulrich zögert kurz, dann antwortet er: "Ich weiß, was zu tun ist."

Markt Schwaben feiert Geburtstag. Da darf natürlich auch eine ordentliche Brotzeit nicht fehlen. (Foto: Christian Endt)

Es ist der Moment, in dem Markt Schwaben - wie Heydenreuther es formuliert - "geboren wird". Ein schönes Bild, das Erzählerin Deuringer nach dem Stück zu einer Überraschung und dem emotionalsten Moment des Abends nutzt. Bevor die Darsteller unter dem Klatschen der Zuschauer durch die Halle tanzen, wird es kurz völlig still und Deuringer beginnt mit zarter Stimme zu singen: "Happy birthday to you, Happy birthday to you, happy birthday, mein Markt Schwaben, happy birthday to you."

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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