Bad Tölz:Fest der Vielfalt

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"Da könnts ihr heit ausflippen, wie ihr wollts, des is schließlich des Tollhausfestival": Claudia Koreck begeistert das Publikum im Festzelt. (Foto: Neubauer)

Erst Claudia Koreck, dann eine Feuershow im Regen: Das Tollhaus-Festival macht seinem Namen zum Auftakt alle Ehre

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Die Plüschpferde, mit denen man über das Tollhaus-Gelände beim Kesselhaus reiten kann, scharren quasi mit den Hufen. Auch die Bürgermeister-Busserl-Maschine ist mit einem Schaumkuss bestückt und bereit zum Einsatz. Beim "Jäger von Fall" herrscht am Freitagabend Zurückhaltung. "Auf geht's, i muss a amoi sauber wern", versucht eine junge Frau im Neoprenanzug ein Grüppchen Schaulustiger zu animieren. Das überzeugt eine Besucherin: Der dritte Wurf mit einem kleinen Ball auf eine Toröffnung trifft, das Brett kippt nach unten und die Frau ins Wasserbecken. Die Zuschauer applaudieren, auch die tropfnasse Akteurin hat offensichtlich Spaß.

Die Veranstalter haben sich einiges für das Festival zum 20-jährigen Jubiläum des Real-Verbunds Isarwinkel einfallen lassen. "Vielfalt" lautet das Motto, und das Zeug zu einem verrückten, bunten Festival hat das Tollhaus allemal. Bis zum 20. September lockt es auf dem Gelände des Rehazentrums Isarwinkel, Buden und Gastronomie sind bereits ab Mittag geöffnet. Am Eröffnungsabend hält sich der Besucherstrom noch in Grenzen: Über die Wiese mit den Buden und dem Karussell schlendern kleine Gruppen, der Kletterbaum steht verwaist. Herbstlich ist es, und wer unter dem Zeltdach vor einer der beiden Außenbühnen sitzt, braucht schon eine dickere Jacke.

Als gegen 22 Uhr der aus Äthiopien stammende und in Tölz lebende Akrobat Solomon Solgit seine Feuershow zeigt - gratis, wie alle Konzerte und Events im Außenbereich - hat sich die Wiese vor der Bühne gut gefüllt. Trotz des Regens, der ausgerechnet dann einsetzt, als Solgit seine Feuerräder schwingt und zu bombastischer Mittelaltermusik im schwarzen Umhang aus einem Feuernebel auftaucht.

Eingeheizt hat den Zuschauern zuvor Claudia Koreck im Konzertzelt. "Schee, dass da seid's", begrüßt sie die Leute im 400-Mann fassenden Zelt, das nicht ganz ausverkauft ist. "Da könnt's ihr heit ausflippen, wie ihr wollt's, des is schließlich des Tollhaus-Festival", sagt sie und strahlt. Und das tun die Leute. Spätestens nach der Pause sitzt niemand mehr auf den Bierbänken: Alles tanzt, klatscht und singt.

Koreck schafft es mühelos, ihr Publikum mitzureißen: Mit ihrer intensiven Stimme und einer unverstellten Natürlichkeit, die sofort gute Laune verbreitet. Begleitet von ihrem Ehemann Gunnar Graewert (Keyboard, Ukulele), Andi Bauer (Bass), Oscar Kraus (Schlagzeug) und dem großartigen Luke Cyrus Goetze (E-Gitarre, Lap Steel), spielt sie überwiegend Lieder aus dem aktuellen, fünften Album. Treibende Rocknummern, wie "Schuah aus", oder "Danzn", ruhige Balladen wie "S' ewige Lem" oder das poetische "Good Morning Greece". Das Wiegenlied "Sleep little Darling", das ihr Mann für die kleine Tochter geschrieben hat und das als letzte von drei Zugaben auch das tobende Publikum beruhigen soll. Und natürlich "Fliang", den Song, mit dem Koreck im Jahr 2007 abgehoben hat.

"StadtLandFluss" heißt das aktuelle Album, in dem sie oft vom Hin- und Hergerissensein singt und vom sich Daheimfühlen. "Sonn aufgeht" hat sie für all jene geschrieben, die ihre Heimat verloren haben und auf der Flucht sind. "Es tut mir weh, dass es so viele gibt, die diese Menschen nicht reinlassen wollen", sagt sie. Ein eindringlicher Song mit klarer Botschaft - nach der letzten Zeile herrscht für Momente Stille.

29 ist Koreck inzwischen, im vorigen Jahr hat sie ihr zweites Kind bekommen und ist zurück aufs Land gezogen, nach Traunstein, wo sie herkommt. Auf der Bühne scherzt sie mit ihrem Mann und gibt viel preis von ihrem Leben. Erzählt von der kleinen Lani, deren Name "Himmel" bedeute. Tagsüber sei die Eineinhalbjährige himmlisch, nachts weniger. "Deswegen san mir heit so guat drauf, weil mia in Bad Tölz übernachten."

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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