Dachau:Zu wenige Lehrer

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Vor allem die Grund- und Mittelschulen müssen die Integration der Flüchtlingskinder im Landkreis leisten. Vom Freistaat sehen sie sich dafür unzureichend vorbereitet.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Die steigende Zahl der Flüchtlinge im Landkreis wirkt sich zu Beginn des neuen Schuljahres auch auf den Schulbetrieb aus. Grund- und Mittelschulen sowie Berufsschulen könnten langfristig unter Lehrermangel leiden, da sie praktisch allein für die Aufnahme von Kindern aus Flüchtlingsfamilien zuständig sind und entsprechende Integrations- und Sprachprobleme werden bewältigen müssen. Die Berufsschule Dachau wird mit zwei weiteren Integrationsklassen in das neue Schuljahr gehen. An der Mittelschule Erdweg wird erstmals eine Übergangsklasse eröffnen können. An den Grund- und Mittelschulen in Karlsfeld und Dachau-Ost bestehen bereits Übergangsklassen. Die Schulen im Landkreis werden sich bis Jahresende um bis zu 170 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmern müssen; 50 sollen in dieser Woche in Weichs einziehen.

Zwar hat das Kultusministerium von Bayern 750 000 Euro zur Verfügung gestellt, damit die Schulen zusätzliche Mitarbeiter einstellen könnten. Doch Kritikern wie dem Lehrerverband, der Gewerkschaft GEW und der Landesschülervereinigung reicht das nicht. Alles viel zu wenig, findet auch Martin Güll, SPD-Landtagsabgeordneter aus dem Landkreis Dachau und ehemaliger Volksschuldirektor. Nach seiner Rechnung entsprechen 750 000 Euro dem Gegenwert von 15 Lehrerstellen - für den gesamten Freistaat. Ihn stört, dass die Mittelschulen allein die Lasten der Zuwandererbeschulung übernehmen sollen. "Nur weil die Jugendlichen kein Deutsch sprechen, muss die Mittelschule noch lange nicht die richtige Schule für sie sein", sagt er. Sein Vorschlag ist, eine Fachstelle einzurichten, welche die Kenntnisse der Kinder und Jugendlichen prüft, um sie dann der richtigen Schulart zuweisen zu können. Wichtig ist für ihn auch, dass Kinder mit Gleichaltrigen in eine Klasse gehen und zudem möglichst am Ort, so dass sie keine weiten Wege haben.

Der gleichen Meinung ist auch Thomas Frey, Leiter der Mittelschule Markt Indersdorf. "So richtig unterstützt fühle ich mich von meinem Dienstherrn nicht", sagt er. Mit 430 Schülern und 46 Lehrern geht er in das neue Schuljahr, zusätzliche Mittel oder Lehrerstunden hat er nicht bekommen. Pro Woche hat er vier Lehrerstunden, die er für Schüler, die kein oder kaum Deutsch sprechen, einsetzen kann. Optimistisch sagt er: "Wir haben eine vergleichsweise kommode Situation, weil wir eine Ganztagsschule sind." Förderstunden und Nachmittagsunterricht könnten den Bedürfnissen entsprechend etwas angepasst werden. Letztlich, sagt Frey, überlasse der Freistaat jedoch die Ausbildung und Integration von Migranten- und Flüchtlingskindern dem jeweiligen Engagement von Schulleitern oder Bürgermeistern. Kommunen können aus ihrem Etat zusätzliche Mittel für externe Deutschlehrer bereit stellen. Martin Güll sieht ein weiteres Problem: "Wer denkt eigentlich an Dolmetscher?" Lehrer müssten sich mit ihren Schülern oder deren Eltern unterhalten können. Dolmetscher könne man unter den Flüchtlingen selbst rekrutieren, schlägt er vor.

Zuversichtlich gibt sich Johannes Sommerer, Leiter der Berufsschule Dachau. Bisher habe man allen jungen Menschen im Landkreis einen Platz einer Schule bieten können. Im neuen Schuljahr wird er sechs Integrationsklassen mit jeweils 18 Schülern haben. Geplant ist, zum Halbjahr zwei weitere zu eröffnen. Insgesamt besuchen 1600 Jugendliche die Berufsschule - für die Sommer auch genügend Lehrer hat und dazu sogar die Mittel, weitere einzustellen. Dass der Sportunterricht wegen der Belegung der Turnhalle mit Flüchtlingen noch bis Anfang Oktober ausfallen muss, macht Sommerer weniger Sorgen.

Auch einige Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums werden zu Schuljahresbeginn nur alle 14 Tage Sportunterricht haben. Das ITG nutzt ebenfalls die Halle der Berufsschule. Davon abgesehen, starten die drei Gymnasien im Landkreis recht entspannt in das neue Schuljahr. Die Schülerzahlen sind stabil, die Lehrkräfte ausreichend. Alle Gymnasien starten mit fünf fünften Klassen, hinzu kommen zwei fünfte Klassen im Ganztagszweig des Effner-Gymnasiums. In Markt Indersdorf wird in diesem Jahr erstmals eine der fünften Klassen eine Chorklasse sein mit einer Stunde zusätzlichem Chor-Unterricht.

Nur an der Ludwig-Thoma-Mittelschule wird es zum Schuljahresbeginn keine fünfte Klasse mehr geben, neue Schüler werden nicht mehr aufgenommen. Für die 72 Schüler und ihre sieben Lehrer ist es das letzte Schuljahr bevor ihre Schule geschlossen wird. Bereits jetzt haben sie sich in den ersten und zweiten Stock zurück gezogen, das Erdgeschoss nutzen Hortgruppen und die Volkshochschule.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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