Wahlkampf in Griechenland:Tsipras legt seine Zurückhaltung ab

Alexis Tsipras und Evangelos Meimarakis bei einer Fernsehdebatte 2015

Koalition ist keine Option: Alexis Tsipras und sein konservativer Kontrahent Evangelos Meimarakis.

(Foto: dpa)
  • Alexis Tsipras zeigt im TV-Duell mit Oppositionsführer Evangelos Meimarakis: Er will wieder die Macht, das Land zu verändern.
  • Tsipras verspricht, das Sparprogramm so schnell wie möglich umzusetzen. Wo er Spielraum habe, Härten abzufedern, werde er das tun.
  • Sein politischer Gegner Meimarakis macht sich dagegen unglaubwürdig.

Von Mike Szymanski, Athen

Alexis Tsipras will in Griechenland weiterregieren. Beim TV-Duell mit Oppositionsführer Evangelos Meimarakis von der konservativen Partei Nea Dimokratia am Montagabend hält er sich nicht mit Schuldgefühlen auf, weil er den Bürgern viel zu viel versprochen hat. Er will mehr Zeit zum Regieren, sagt er den Leuten. Und er will wieder die Macht, das Land zu verändern.

In der letzten Woche vor der Wahl zeigt Tsipras, dass er noch längst nicht aufgegeben hat. Im Vergleich zur Abstimmung im Januar, als sein Linksbündnis Syriza noch auf 36 Prozent kam, hat die Partei stark an Zustimmung verloren. In manchen Umfragen büßt sie mehr als zehn Prozent ein und liegt nun in etwa gleich auf mit der Nea Dimokratia. Die hatte eigentlich schon niemand mehr auf der Rechnung.

Verwunderlich ist der Absturz von Syriza nicht: Tsipras setzt mit dem dritten Hilfspaket das Gegenteil dessen um, was er den Griechen versprochen hatte. Er macht neue Sparpolitik, anstatt sie zu beenden. Die radikalen Linken innerhalb Syriza - die lieber die Drachme hätten, als sich auf die Bedingungen der EU einzulassen - haben sich aus Protest abgespalten. Unter diesen Umständen ist es eher erstaunlich, dass es der Partei nicht noch schlechter geht.

Das einzig verbliebene Kapital von Syriza

Im TV-Duell wird deutlich, dass Tsipras das einzig verbliebene Kapital von Syriza ist. Er ist ein glänzender Wahlkämpfer. Er versucht, die Leute davon zu überzeugen, dass er keine andere Wahl hatte, als die Vereinbarung mit den Geldgebern am Ende zu unterzeichnen. Ohne das deutliche Nein der Bevölkerung zu weiteren Sparauflagen beim Referendum Anfang Juli wäre es noch dicker gekommen, argumentiert er. Er verspricht, das Programm so schnell wie möglich umzusetzen. Wo er Spielraum habe, Härten abzufedern, werde er das tun.

Beim ersten Wahl-Talk vor einer Woche, als alle Parteichefs mitredeten, wirkte Tsipras noch defensiv. Diese Zurückhaltung hat er am Montag abgelegt. Gleich zu Beginn des Duells schließt er eine große Koalition mit der Nea Dimokratia aus. Diese Partei gehöre der Vergangenheit an, in der die etablierten Parteien das Land in den Ruin getrieben hätten. Entweder gehe Syriza als "progressive" Kraft in die Regierung oder werde eine progressive Opposition.

Meimarakis mit Glaubwürdigkeitsproblem

Dieser Entschlossenheit hat Meimarakis am Montagabend wenig entgegenzusetzen. Nea Dimokratia geht mit dem Versprechen in die Wahl, eine große Koalition bilden zu wollen, eine Allparteien-Regierung der Pro-Euro-Kräfte schwebt ihr vor. Meimarakis trägt diesen Wunsch mittlerweile so lautstark vor sich her, dass man den Eindruck bekommt, die Partei will überhaupt nicht alleine regieren. Als habe die Nea Dimokratia regelrecht Angst davor, die unbequeme Politik umzusetzen, die tatsächlich alternativlos ist.

Meimarakis, als Spitzenkandidat eine Verlegenheitslösung, macht sich auch unglaubwürdig, wenn er Tsipras vor laufender Kamera als Lügner beschimpft, ihm aber im nächsten Augenblick die Hand zur Kooperation reicht.

Die kommenden Tage werden entscheiden, wer die Wahl am Sonntag gewinnt. Tsipras hat sich mit seiner waghalsigen Politik zwar in schwere Bedrängnis gebracht. Geschenkt bekommt Nea Dimokratia die Regierungsmacht von ihm aber sicher nicht.

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