Ebersberg:Lange Finger

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In Milliardenhöhe bewegt sich der Schaden, den Ladendiebe dem Einzelhandel zufügen. (Foto: dpa)

Einzelhändler klagen über immer mehr Ladendiebe, die inzwischen auch bandenmäßig unterwegs sind

Von Florentine Kary, Ebersberg

- Es sind Waren im Wert von mehreren Milliarden Euro, die jedes Jahr bundesweit gestohlen werden, "das ist nicht schön". Friedrich Peschel klingt resigniert, wenn er über die Verluste spricht, die durch Ladendiebstahl entstehen. Peschel betreibt in Ebersberg und Gauting zwei große Edeka-Märkte und kennt sich aus bei dem Thema. Immer wieder kommt es in seinen Supermärkten zu Diebstählen, dabei gehen die Täter immer dreister vor und agieren sogar in Gruppen, die zusammen arbeiten. Er unterscheidet dabei zwischen Profis, die organisiert vorgehen, und einem Ladendieb, der "einfach irgendwas einsteckt".

Der Handelsverband Bayern warnt nun in einer Pressemitteilung vor einer gestiegenen Zahl der Ladendiebstähle. Voriges Jahr wurden in ganz Bayern rund 45 126 Ladendiebstähle registriert, davon alleine in Oberbayern 13 393, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 0,8 Prozent. Das Problem ist allerdings, dass nur ungefähr jeder zehnte Dieb entdeckt wird.

Im Jahr 2014 hat die Polizei in Poing insgesamt 101 Ladendiebstähle aufgenommen, bemessen an der gesamten Kriminalitätsrate sind das vier Prozent, im Jahr davor waren es noch 125 Fälle. "Die Aufklärungsquote ist erfahrungsgemäß hoch, weil uns der Täter ja mehr oder weniger geliefert wird", sagt Helmut Hintereder, Dienststellenleiter in Poing. Für 2015 schätzt er, dass die Zahlen ähnlich werden wie 2014: Im ersten Halbjahr bis Juni wurden 48 Delikte angezeigt. Wenn die Polizei anrückt, ist der Dieb meistens schon gestellt durch Ladendetektive oder das Personal des Geschäftes. Wie viel tatsächlich entwendet wird, kann der Ladenbesitzer nur durch seine Abrechnung feststellen. Die Dunkelziffer der Diebstähle wird deshalb weit höher eingeschätzt. Nur ungefähr jeder zehnte Dieb wird der Polizei zufolge überhaupt erwischt. Neben kleinen Produkten von geringem Wert hätten es Diebe hauptsächlich auf Spirituosen, Kondome und andere Dinge abgesehen, die sich im Rotlichtmilieu gut weiterverkaufen lassen, vermutet Peschel.

Momentan hätten die Polizei und der Einzelhandel immer häufiger mit organisierten Banden aus Osteuropa zu tun, stellt Hintereder fest. Bei der Ermittlung der Täter habe es Hintereder zufolge die Polizei schwer - vor allem, wenn das Bild der Überwachungskamera zu schlecht ist und die Täter noch nicht aktenkundig seien. Ladendiebe finde man allerdings auch in allen anderen Gesellschaftsschichten, sagt Gerhard Freudenthaler von der Polizeiinspektion Ebersberg. "Es gibt nicht den typischen Ladendieb. Vielen geht es um den Reiz und den Nervenkitzel." Ein durchgehendes kriminalistisches Bild abzugeben, sei schwer. Viele Diebe, die erwischt werden, hätten genügend Bargeld dabei, mit dem sie ihr Diebesgut eigentlich bezahlen könnten. Im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr gibt es in Ebersberg einen Anstieg von vier Fällen, von 34 in 2014 auf 38 im ersten Halbjahr 2015, das entspricht ebenso wie in Poing vier Prozent von allen Straftaten. "Werden die Täter ertappt, kommt es immer zu einer Anzeige und einem Hausverbot", warnt Ladeninhaber Peschel. Kinder bis 14 Jahren gingen zwar straffrei aus, das Vergehen werde aber dem Staatsanwalt vorgelegt. Grundsätzlich werde jeder Ladendiebstahl zur Anzeige gebracht, allerdings verliefen die Ermittlungen bei Minimalbeträgen oft im Sande und würden nicht weiter verfolgt, beklagt Peschel. Dem Einzelhandel entstünde jährlich ein Millionenschaden, doch die Delikte würden von der Staatsanwaltschaft oft als "Peanuts" abgetan. Die Belastung der Justiz sei bestimmt enorm, sagt Peschel, trotzdem fordert er ein härteres Durchgreifen.

Auch, weil die Diebe immer dreister werden, wie die Polizei feststellt. In einem Fall suchten Täter gezielt teure Alkoholika, Fleisch und Schokolade aus und marschierten mit dem vollen Einkaufswagen einfach zum Eingang raus. Die Diebe hätten gewusst, dass im Eingangsbereich keine Kameras installiert waren. Kaufmann Peschel setzt in seinen Geschäften Ladendetektive ein. Verdächtige Kunden könne der Detektiv überprüfen und auch festhalten. Kameras setzt Peschel lediglich im Außenbereich ein.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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