Griechenland:Tsipras' Wahlsieg für den Euro

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Die Wähler haben Tsipras mit Zähneknirschen den Auftrag erteilt, keine Experimente mehr zu wagen. (Foto: Bloomberg)

Das Wahlergebnis in Griechenland birgt mehrere Botschaften. Die wichtigste: Die große Mehrheit der Bürger will den Euro behalten. Koste es, was es wolle.

Kommentar von Christiane Schlötzer

War da was? Griechenland hat gewählt, und die neue Regierung ist die alte. Wieder eine Koalition aus Rechtspopulisten, die außer halbstarker Rhetorik bislang nichts zustande gebracht haben, und Alexis Tsipras' linker Syriza - ein eigentlich unmögliches Bündnis. Mehr Déjà-vu geht gar nicht. Also alles wieder auf Anfang in Athen?

Nicht wirklich. Tsipras II ist nicht Tsipras I. Vor der Wahl im Januar hatte der Syriza-Chef den Griechen versprochen, er werde die Kreditverträge mit der EU und dem IWF in der Luft zerreißen. Zuletzt warb er genau für das Gegenteil: die Erfüllung neuer Sparauflagen. "Verräter", schallte es Tsipras entgegen, von links wie von rechts. Da fragt sich nur, wie hätte die konservative Opposition gewettert, wenn Tsipras seine ursprünglichen Wahlversprechen erfüllt und Griechenland aus dem Euro katapultiert hätte?

Die Antwort haben nun die Wähler gegeben: Sie haben Tsipras mit Zähneknirschen den Auftrag erteilt, keine Experimente mehr zu wagen, damit ihr Land in der Euro-Zone bleiben kann. Koste es, was es wolle. Und der konservativen Nea Dimokratia haben die Wähler mitgeteilt: Ihr hattet eure Chance und habt sie nicht genutzt. Die Partei hat schließlich bislang nicht gezeigt, dass sie willens ist, ihre Vergangenheit als Klientelagentur hinter sich zu lassen. Noch immer fehlen mutige Konservative, die das Sündenregister der ND öffnen, in dem Minister und Ministerpräsidenten stehen, die immer mehr Geld ausgegeben haben, als sie hatten.

Die meisten Griechen wollen eins: Europas Währung behalten

Die Botschaft ist überaus klar: Nicht einmal 20 Prozent der Stimmen entfielen auf Parteien, die eine Rückkehr zur Drachme empfehlen. Die übrigen 80 Prozent eint die Angst vor einem solchen Szenario. Dabei hatte Syriza wiederum einen klaren Vorteil, weshalb auch Unternehmer zuletzt eher Tsipras zuneigten, aus der schlichten Erkenntnis heraus: Gegen die bürgerliche Linke - und Syriza ist überwiegend eine bürgerliche Partei - werden die für die nächsten drei Jahre mit der EU bereits grundsätzlich vereinbarten Reformen im Parlament nie Gesetz werden.

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Damit hat Tsipras nun eine große Aufgabe, mit einem kleinen, windigen Bündnisgenossen zur Seite. Dass der Premier sich wieder für seinen alten Partner Panos Kammenos entschieden hat, ist ein Ausdruck von Bequemlichkeit, nach dem Motto: Der Mann redet mir am wenigsten drein. Für Tsipras könnte sich diese simple politische Logik als gefährlich erweisen, weil 155 Stimmen in einem 300-köpfigen Parlament eine knappe Mehrheit sind, und weil die Spannungen in der Syriza den Spaltpilz weiter nähren dürften.

Noch etwas verrät das Resultat. Griechenland ist tief gespalten, in Wähler und frustrierte Nichtwähler. Nur gut jeder Zweite hat überhaupt seine Stimme abgegeben, ein Negativrekord im Mutterland der Demokratie. Dies sollte ein Alarmsignal sein, auch für alle europäischen Krisenbewältiger. In Griechenland muss nicht nur ein Staat wieder aufgebaut werden, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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