Peter Altmaier:Der Schwarze in der grünen Hölle

Peter Altmaier bei den Grünen

Zu Gast im Haus der Heinrich-Böll-Stiftung: Peter Altmaier (l.)

(Foto: Denkler)

Kanzleramtschef und BND-Aufseher Peter Altmaier folgt einer Einladung der Grünen, um mit ihnen über die NSA-Affäre zu diskutieren. Sie kennen keine Gnade.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Da freut sich Peter Altmaier. Er grinst ins Publikum, hebt einige Male wissend die Augenbrauen. Ja, er hat es getan. Er. Der Kanzleramtsminister. Der Aufseher über den Bundesnachrichtendienst (BND). Er hat die Liste mit den Selektoren gesehen. Jenen Suchbegriffen, die der amerikanische Nachrichtendienst NSA auf den Analyserechnern des BND eingesetzt hat. Und mit denen die NSA ziemlich eindeutig gegen deutsche und europäische Interessen verstoßen hat. Weil die NSA damit gegen alle Absprachen europäische Konzerne wie EADS, Eurocopter, französische Behörden und Ministerien im Blick hatte.

Neben Altmaier sitzt Konstantin von Notz auf dem Podium dieser fünften netzpolitischen Soiree der grünen Bundestagsfraktion im Haus der den Grünen nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin-Mitte. Von Notz ist Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Vor ihm in der ersten Reihe verfolgen seine Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die Parlamentsgeschäftsführerin Britta Hasselmann, der erfahrene Geheimdienst-Kontrolleur Hans-Christian Ströbele und Volker Beck die Debatte. Irgendwann mischen sie auch lautstark mit.

Eine sehr grüne Veranstaltung also an diesem Dienstagabend. Und Altmaier, der Schwarze, mittendrin in dieser grünen Hölle. Ihm macht das nichts. Da ist er schmerzfrei. Und als Mitglied der früheren schwarz-grünen Pizza-Connection weiß er die Grünen zu nehmen. Mit Konstantin von Notz jedenfalls pflegt er das Du.

Für von Notz ein klarer Verfassungsbruch

Von Notz ist es, der die Sache mit den Selektoren anspricht. Sie ärgert ihn. Anders als Altmaier nämlich darf von Notz die Liste mit den etwa 40 000 Suchbegriffen nicht einsehen, die im Kanzleramt in einem Tresor lagert. Nur ein Vertrauensmann darf das. Ein Vertrauensmann "der Regierung", wie von Notz betont. Für von Notz ein klarer Verfassungsbruch. Grüne und Linke haben deshalb vergangene Woche die Bunderegierung vor dem Bundesverfassungsgericht verklagt. Und namentlich auch Peter Altmaier.

Der sieht es gelassen. Er hält sein Konstrukt für rechtskonform: Eine vom Ausschuss benannte aber von der Regierung bestellte Vertrauensperson schaut sich die Liste an. Und der Ausschuss kann sie dann fragen, was grob drinsteht. Kurt Graulich heißt der ehemalige Verwaltungsrichter, der die Liste gerade im Kanzleramt prüft. Ein Vorschlag der SPD. "Ich kannte den vorher gar nicht", gesteht Altmaier. Er habe auch mal an "Otto Schily gedacht", grinst er. Von Notz: "Das wäre die Krönung!" War auch wohl nicht so ernst gemeint, die Idee.

Altmaier erklärt, er habe als Kanzleramtsminister eben abwägen müssen zwischen den verfassungsrechtlich verbrieften Rechten des Parlamentes. Und dem völkerrechtlich bindenden Geheimdienst-Abkommen mit den USA. Darum sein Vorschlag mit der Vertrauensperson.

"Verwaltungsabkommen!", ruft Britta Hasselmann aus der ersten Reihe dazwischen. "Verwaltungsabkommen!" Sie kriegt sich kaum mehr ein.

Altmaier sagt, der Vertrag sei völkerrechtlich bindend

Kurzer Exkurs, um den Zwischenruf zu verstehen: Auf der Ebene der Geheimdienste gibt es noch aus Zeiten des Kalten Krieges eine solche Vereinbarung. Danach müssen beide Seiten die jeweils andere Seite um Erlaubnis bitten, wenn sie Informationen an das Parlament weiterreichen wollen, die den Partnerdienst betreffen. Altmaier sagt, der Vertrag sei völkerrechtlich bindend. Die Grünen meinen, weil es kein Abkommen auf Regierungs-, sondern nur auf Behörden-Ebene ist, sei es eben nicht bindend. Ergo gibt es auch keinen Grund, den Abgeordneten die Liste nicht zu zeigen.

Alles ganz schön kompliziert also.

Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Club, sitzt auch auf dem Podium. Ihr ist das alles zu kleinklein, nicht genug. "Wir müssen grundsätzlich die Frage stellen, wollen wir die komische Nadel-im-Heuhaufen-Ideologie auch fahren?" Kurz hätte es auf dem Podium nicht gebraucht. Notz und Altmaier hatten sich auch zu zweit genug zu sagen.

Notz ist Realist genug

Altmaier und von Notz gucken, als würde Kurz die Debatte nicht ganz verstehen. Von Notz ist keiner, der jetzt die Geheimdienste abschaffen will. Er ist Realist genug, um zu wissen, dass manchmal auch die Suche nach der Nadel im Heuhaufen nötig ist. Ihm geht es um die Frage, ob der Daten-Heuhaufen auf einer rechtlich einwandfreien Grundlage zustande gekommen ist, also rechtsstaatlich zu verantworten ist. Das nämlich würde Anzahl und Größe solcher Heuhaufen schon deutlich minimieren.

Seine Forderung: Alle Geheimdienst-Dokumente müssen nach 20 Jahren öffentlich werden. Vorbild USA. Und jetzt müsse erst mal ein Moratorium her für alle Arten von Massenüberwachung und Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten. So lange, bis die Rechtsgrundlagen geklärt sind. Der Bundesnachrichtendienst, findet er, handelt heute nämlich in weiten Teilen rechtswidrig.

Altmaier richtet sich auf. Das geht ihm zu weit. "Wo denn?! Wo denn?!", unterbricht er von Notz. "Mir hat noch niemand von den Grünen gesagt, gegen welche Gesetze verstoßen wird." Eine Anzeige hätten die Grünen auch noch nicht gestellt. Also, wo ist das Problem?

Elementare Grundrechte gelten auch für Ausländer

Auch das ist kompliziert. Es gibt kein Gesetz, das etwa die Massendatenüberwachung des BND im Ausland verbietet und unter Strafe stellt. Es gibt dafür keine rechtliche Grundlage. Verfassungsrechtler wie der früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, sagen, dass elementare Grundrechte auch für Ausländer gelten. Die müssten genauso geschützt werden wie Deutsche. Werden sie aber nicht. Weil der BND und Bundesregierung das gänzlich anders sehen.

Das ist die Stelle, an der Altmaier gehörig ins Schwimmen kommt. Bei allem Respekt vor Hans-Jürgen Papier, sagt er, er könne viele andere Verfassungsrechtler nennen, die das anders sehen.

Jetzt haut Britta Hasselmann wieder dazwischen. Und Ströbele auch. Einen soll Altmaier nennen. Nur einen!

Altmaier hüstelt, kommt aus dem Konzept. "Also ich, äh, war auch mal an einem Verfassungslehrstuhl."

"Einen nur!"

Altmaier zeigt kaum noch Gegenwehr: "Ich bin selbstverständlich überzeugt, dass wir das liefern können. Wenn nicht, spendiere ich Herrn von Notz eine Pizza. Die kann er dann verzehren."

Klarer Punktsieg für die grüne Übermacht. Nur, dass die Grünen nicht an der Macht sind. Sondern Peter Altmaier. Immerhin behauptet Altmaier nicht, dass sich der BND jederzeit an Recht und Gesetz gehalten hat. Altmaier sagt stattdessen: "Ich glaube, dass der BND, jedenfalls was die deutschen Gesetze angeht, sich sehr darum gekümmert hat, sie einzuhalten." Dieser eine Satz reicht eigentlich schon, um das ganze Ausmaß der NSA/BND-Affäre deutlich zu machen. Oder wie es die Moderatorin vom Berliner Tagesspiegel trocken zusammenfasst: "Der BND, er hat sich stets bemüht."

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