Wahlkampf in Wien und Oberösterrreich:Angst vor einem Rechtsruck in Österreich

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Rechnet sich Chancen aus, bald Bürgermeister von Wien zu werden: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. (Foto: Dieter Nagl/AFP)
  • Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) setzt im Wahlkampf verstärkt auf das Thema Flüchtlinge.
  • Er reagiert damit auf den wachsenden Erfolg der rechtspopulistischen FPÖ in Umfragen.
  • Auch in Wien drohen die Volksparteien ÖVP und SPÖ zugunsten der FPÖ an Stimmen zu verlieren.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Josef Pühringer kennt derzeit praktisch nur ein Thema: Flüchtlinge. Das unterscheidet ihn nicht von vielen anderen Österreichern; was ihn unterscheidet, ist, dass Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich, am kommenden Sonntag um sein Amt und die Führungsrolle der Österreichischen Volkspartei in Linz kämpft.

Seit 20 Jahren ist er im Amt, für österreichische Landeschefs keine Seltenheit, aber die Macht der Volksparteien bröckelt in Österreich, wie überall in Europa. Und so hatte sich Pühringer zuletzt mit den Grünen in eine wohl eher ungeliebte Koalition retten müssen. Nun steht auch die auf dem Spiel. Die ÖVP mobilisiert mit allen Mitteln, denn sie sieht eine große Gefahr am Horizont: "Die FPÖ marschiert durch."

Flüchtlingsdebatte als Rezept gegen den Erfolg der FPÖ

In dem Bundesland finden in vier Tagen Landtagswahlen statt, die auch zu anderen Zeiten viel Aufmerksamkeit gefunden hätten, weil Österreichs Bundesländer mächtig und die Landeshauptleute auch für die Politik in Wien oft kriegsentscheidend sind. Aber derzeit starrt die Republik besonders intensiv in die Landeshauptstadt Linz. Denn Umfragen zufolge dürften sich die Stimmen der rechtspopulistischen FPÖ verdoppeln - von 15 auf 30 Prozent. Die regierende schwarz-grüne Koalition wird damit wohl kippen. Deshalb spricht Pühringer, phänotypisch dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ähnlich, aber mit einem weitaus härteren Zug um den Mund, nun eben vor allem über: Flüchtlinge.

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Er höre immer die gleichen Fragen im Wahlkampf, sagt der Landeschef auf einer Pressekonferenz mit EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn (ebenfalls ÖVP): "Wie viele kommen noch? Wie lange bleiben die? Wird das meinen persönlichen Wohlstand beeinträchtigen?" Er habe daher schon vor Wochen ein "Asyl auf Zeit" für Österreich gefordert: Drei Jahre könnten Asylbewerber bleiben, dann müssten sie gehen, wenn der Asylgrund weggefallen ist. "Die Leute" hätten Angst davor, dass die Migranten hier auf Dauer leben wollten, und Politik sei eben nur dann erfolgreich, wenn man im Sichtkontakt mit der Bevölkerung agiere, so der Politiker. Dass das auch ein Rezept gegen den unheimlichen Erfolg der Rechtspopulisten sein soll, bestreitet Pühringer nicht. Er sei schließlich im Wahlkampf - und tue alles, was nötig sei, um die FPÖ klein zu halten.

Die ÖVP und die SPÖ könnten um die zehn Prozentpunkte verlieren

Die Idee vom "Asyl auf Zeit", die in der Genfer Konvention ohnehin vorgesehen ist, aber in der Praxis eher als populistisch motivierter Papiertiger gilt, hat mittlerweile die gesamte ÖVP aufgenommen, die SPÖ hätte nichts dagegen. Denn nicht nur in Oberösterreich stehen die Parteien im Wahlkampf, sondern auch in Wien. Dort wird in zwei Wochen gewählt, und auch dort steht ein fulminanter Zugewinn der FPÖ ins Haus, der die rot-grüne Koalition in der Hauptstadt gefährden könnte. Die Grünen sind in beiden Bundesländern stabil, aber ihre jeweiligen Koalitionspartner, die ÖVP in Linz und die SPÖ in Wien, könnten um die zehn Prozentpunkte verlieren.

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Die FPÖ, deren Spitzenkandidat und Parteichef Heinz-Christian Strache sich offiziell um das Bürgermeisteramt in Wien bewirbt, ist beim Thema Flüchtlinge eher auf Orbán- als auf Merkel-Kurs: Zäune auch für Österreich sowie ein Asyl-Volksbegehren werden gefordert. In der ersten Plenardebatte nach den Sommerferien am Mittwoch sagte Strache, die Regierungskoalition lade die "Last ihres Scheiterns, Unvermögens, Amtsmissbrauchs, ihrer Gesetzesbrüche" nun auf Länder, Gemeinden und Bürger ab, welche die Flüchtlinge unterzubringen hätten. Hintergrund ist ein am Mittwoch gegen die Stimmen der FPÖ beschlossenes Gesetz, mit dem eine Verteilung von Flüchtlingen auf die Kommunen auch gegen deren Willen vorgenommen werden kann.

Während nach wie vor ungezählte Freiwillige täglich Tausende durchreisende Flüchtlinge betreuen und auch Bundespolitik und Behörden demonstrativ auf Hilfe und Willkommenskultur setzen, wächst parallel hinter den Kulissen die Besorgnis, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippen - und sich das in den anstehenden Wahlen niederschlagen könnte. Die Wiener ÖVP hat daher eine "Flüchtlings-Hotline" eingerichtet. Anrufen sollen nicht Migranten, die nicht weiterwissen, sondern besorgte Bürger.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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