Joel Matip bei Schalke 04:Blankoscheck für den Unbezahlbaren

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Fixpunkt in der Schalker Deckung - und beim Torjubel: Joel Matip. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)
  • Der Schalker Innenverteidiger Joel Matip überzeugt in der Bundesliga mit konstant guten Leistungen.
  • Seine Stärke liegt nicht nur in der Defensive - das macht ihn bei anderen Vereinen begehrt.
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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Die Aluminium-Stollen erzeugten dieses typische Klackergeräusch, der Mann in den dazugehörigen Fußballschuhen war offenkundig schnell unterwegs - ein wenig zu schnell eigentlich, es bestand akute Rutschgefahr auf dem glatten Boden. Aber das war Joel Matip einerlei, der Fluchtreflex war stärker als das Vorsichtsgebot. Matip hatte die Journalisten gesehen, er wusste, dass sie ihn anquatschen würden, wenn er nicht zügig die Kabine erreichen sollte.

Doch es wurde ein guter Abend. Er entkam rechtzeitig, er musste nicht zu den Reportern sprechen und sich nicht befragen lassen, wie er sich fühlte, nachdem er sein Team mit einem späten Kopfballtreffer 1:0 in Führung gebracht hatte, was beileibe nicht sein einziger wichtiger Beitrag zu Schalkes 2:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt war.

Joel Matip, kürzlich 24 Jahre alt geworden, hat schon gegen die besten Stürmer der Welt gespielt, er hat oft genug bewiesen, dass ihm auf dem Fußballplatz keine Herausforderung zu groß ist. In seinem jungen Fußballerleben hat er bereits 216 Liga-, Pokal- und Europacupspiele für Schalke bestritten, mit Kameruns Nationalelf an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen - aber es ist und bleibt ihm ein Graus, im Mittelpunkt der öffentlichen Neugier zu stehen und ein paar Sätze über sich selbst zu sprechen. Nun gerät er damit zunehmend in Schwierigkeiten. Denn Matip drängt sich als führendes Thema im Schalker Diskurs selbst auf.

Matip glänzt mit Offensivqualitäten

Nach dem Verkauf von Julian Draxler stellte sich in Gelsenkirchen die Frage, wer den Nationalspieler halbwegs ersetzen könnte. Man dachte an Leute wie Max Meyer, Leon Goretzka und Leroy Sané. Niemand hätte geahnt, dass in Wahrheit der Abwehrmann Joel Matip die Rolle des Spielentscheiders übernehmen würde. Das 1:0 gegen die Eintracht war sein drittes Saisontor (einen Treffer im Europacup eingerechnet), außerdem schmücken drei Torvorlagen seine Statistik.

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Der eine trifft wie er will, der andere motzt wie er will: Diese Spieler und Trainer ließen am sechsten Spieltag alle Hemmungen fallen.

Am Mittwochabend hat der Verteidiger die Partie nicht nur als Torschütze gewendet, sondern auch als Torverhinderer beeinflusst, als er für den ausnahmsweise machtlosen Torwart Ralf Fährmann den Ball von der Linie entfernte. Darüber hinaus bildete er den starken Fixpunkt der Schalker Deckung, und wenn er mit seinen Storchenschritten den Ball über die Mittellinie führte, dann ließ er meistens einen gescheiten steilen Flachpass folgen, der den Mittelfeldspielern und Angreifern neue Räume öffnete.

Weil Joel Matip an diesem unterhaltsamen Fußballabend gegen eine spielerisch gute Eintracht keine Ausnahmeleistung bot, sondern eine Leistung, die seit Saisonbeginn für ihn typisch ist, werden nun also alle auf ihn aufmerksam. Und so häuften sich die Fragen an den Manager Horst Heldt, ob Matip jetzt allmählich "unbezahlbar" werde und ob man in der Führungsetage nicht "schnell handeln" müsse - bevor sich ein anderer Klub die Dienste des Abwehrspielers sichern könnte. Der Vertrag des in Bochum geborenen Verteidigers, der als Achtjähriger dem Verein beitrat, läuft zum Saisonende aus.

Finanziell wäre Matips ablösefreier Wechsel eine mittlere Katastrophe, sportlich sowieso. Erstklassige Innenverteidiger sind teuer, der VfB Stuttgart hatte jüngst vom AS Rom 13 Millionen Euro für Antonio Rüdiger erhalten. Heldt behauptete, er sei "grundsätzlich gelassen". Beim ersten Sondierungsgespräch mit dem Berater im Frühjahr habe er Signale empfangen, dass sich Matip das Bleiben "vorstellen kann". Den Preis dafür fürchtet Heldt nicht: "Wir haben seinen Wert schon früher hoch beziffert", versichert er.

Europäische Spitzenvereine hatten früh Interesse

Aber ganz so sicher ist sich der Manager nicht. Gerade weil Matip seit Kindesbeinen Schalker ist, macht er sich Sorgen. Irgendwann, fürchtet Heldt, könnte sich der Wunsch regen, die weite Welt zu sehen. Früher hatten bereits namhafte Vereine aus Spanien und Italien angefragt, angeblich hatte sogar der FC Barcelona Interesse. Er werde Matip "einfach einen Blankoscheck ausstellen", witzelte Heldt. Oder war das gar kein Witz?

Auf Schalke kommt so etwas ja gelegentlich vor, einst hatte der Präsident Günter Eichberg den Bayern-Stürmer Radmilo Mihajlovic als Zugang gewonnen, indem er ihm die Freiheit ließ, eine beliebige Summe einzutragen. Mihajlovic war dann auch noch so clever, das Gehalt in Dollar anzugeben, was Eichberg aber erst viel später auffiel.

Matips Treffer gegen Frankfurt war das Ergebnis schematischer Trainingsarbeit. Johannes Geis, Schalkes neuer Frei- und Eckstoßspezialist, schlägt seine schneidigen Flanken nach dem Prinzip: Alle Bälle auf 1,95-Meter-Mann Matip. "Wir wissen ja, dass Joel riesengroß und ein guter Kopfballspieler ist. Da muss ich die Dinger einfach nur reinbringen", meinte Geis. Gern hätte man Matip zu seiner Sicht der Dinge befragt. Aber als er aus der Kabine kam, hatte er es sehr eilig.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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