Deutsche Bischofskonferenz:Verwässern oder verbessern

Herbstvollversammlung Deutsche Bischofskonferenz

Redet die Kirche nur von Barmherzigkeit? Konservative und Reformer beim Eröffnungsgottesdienst der Bischofskonferenz.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Vor der Familiensynode streiten sich die Bischöfe über wiederverheiratete Geschiedene. Die einen trommeln laut, die anderen bleiben eher defensiv. Doch da wären noch die Deutschen in Rom.

Von Matthias Drobinski, Fulda

Es ist an diesem Morgen einer seiner letzten Auftritte als Prediger bei der Bischofskonferenz. Kommenden Mai wird Karl Lehmann 80 Jahre alt, dann beginnt selbst für katholische Kardinäle der Ruhestand. 26 Jahre lang, bis 2008, hat der Mainzer Bischof diese Konferenz geleitet, jetzt kann er sich nur noch mit Mühe durch den Fuldaer Dom bewegen, zum Predigen muss er sitzen. Er redet über die Stelle im Markus-Evangelium, dass, wer Jesus nachfolgen wolle, sein Kreuz auf sich nehmen solle. Die "konkrete Hingabe an Gott und die Menschen" müsse "der Kern und die Mitte jeder Reform sein", sagt Lehmann.

Reform. Kaum einer hat so beharrlich wie Lehmann für sie gearbeitet, kaum einer hat dafür so oft in Rom auf die Ohren bekommen. Gut 20 Jahre ist es her, da hat er gemeinsam mit dem damaligen Rottenburg-Stuttgarter Bischof Walter Kasper und dem Freiburger Erzbischof Oskar Saier angeregt, Geschiedene, die wieder geheiratet haben, in Ausnahmefällen zur Kommunion zuzulassen. Papst Johannes Paul II. und Kardial Joseph Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, stoppten das sofort: So etwas stelle die Unauflöslichkeit der Ehe in Frage. Basta.

Jetzt, eine Bischofsgeneration und zwei Päpste später, ist der Vorschlag wieder da, abermals formuliert von Walter Kasper, inzwischen Kardinal und emeritierter Ökumene-Minister des Papstes. Am 4. Oktober beginnt in Rom eine Weltbischofssynode, sie hat das weite Feld von Ehe und Familie zum Thema. Die wieder verheirateten Geschiedenen sind eigentlich ein Detailproblem der Beratungen. Und doch ist die Frage aufgeladen wie keine zweite: Redet die katholische Kirche nicht nur von Barmherzigkeit, sondern praktiziert sie sie auch? Welches Verhältnis von Lehre und Seelsorge findet sie? Und wenn es noch nicht einmal hier Änderungen gibt, wo sonst? Die Erwartungen vieler Katholiken sind hoch, auch die Emotionen. Die Konservativen überziehen die Reformer mit Vorwürfen: Sie wollten die Lehre der Kirche verwässern und aller Welt den westlichen Liberalismus beibiegen. Elf Kardinäle haben gemeinsam ein entsprechendes Buch veröffentlicht, unter ihnen der emeritierte Kölner Kardinal Joachim Meisner und der deutsche Kurienkardinal Josef Cordes.

Es rächt sich, dass die Deutschen stets ihre konservativsten Brüder in den Vatikan entsandt haben

Abschlusspressekonferenz mit dem Bischofskonferenzvorsitzenden und Münchner Kardinal Reinhard Marx im Bibliothekssaal des Fuldaer Priesterseminars. Es geht, natürlich, um die Flüchtlinge; die Kirche müsse an ihrer Seite stehen, sagt Marx. Hier sind sich die Bischöfe einig, wenn auch mit Nuancen: Zum Treffen der CSU mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán äußerte sich Marx diplomatisch, woraufhin sein Kölner Amtsbruder Rainer Maria Woelki sagte, ein solches Gespräch könne höchstens sinnvoll sein, wenn die CSU Orbán überzeuge, dass "Stacheldraht, Schlagstöcke und Nagelbomben" keine Mittel sein könnten, "um traumatisierte Flüchtlinge von der Grenze abzuhalten." Marx soll nicht amüsiert gewesen sein.

Doch die schwierigere Frage ist, wie die Bischöfe sich in der anstehenden innerkirchlichen Reformdebatte verhalten sollen. Auch für ihn stehe "die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe außerhalb jedes Zweifels", sagt Marx den Journalisten, doch es müsse "ein Weg gefunden werden, wie Gläubige, die nach einer zivilen Scheidung abermals zivil geheiratet haben, in der Kirche leben und mitwirken können".

Marx ist, wie die Mehrheit der Bischofskonferenz, für einen offeneren Umgang mit Scheidung, Homosexualität oder Paaren, die ohne Trauschein zusammenleben - doch die Bereitschaft, dafür zu kämpfen, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode, der gemeinsam mit Marx und dem neuen Berliner Erzbischof Heinrich Koch die Deutschen in Rom vertreten wird, hat angedeutet, dass er sich dort auch eine Kampfabstimmung vorstellen könnte, die mal die Mehrheitsverhältnisse klärt. Sein Mitreisender Koch dagegen erklärt im Fachblatt Herder-Korrespondenz, dass die Gegensätze nicht mit Konfrontation überwunden werden können.

Zu den entschiedenen Reformern gehört der Trierer Bischof Stefan Ackermann, der in seinem Bistum eine eigene Synode einberufen hat, die gerade über die künftigen Seelsorge-Schwerpunkte im Bistum diskutiert. Zu ihnen gehört auch mehr und mehr der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und länger schon der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst. Doch viele warten offenbar ab, wie die Synode in Rom ausgeht - weil sie in einer für sie schwierigen Debatte unsicher sind, weil sie nicht bei den Verlierern sein wollen. Und dann gibt es noch die konservative Gruppe um den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Für sie muss die Kirche ihre Lehre besser erklären und Paare besser begleiten, nicht irgendwelche heiklen Ausnahmen von der Regel machen.

Vielleicht ein Drittel der deutschen Bischöfe sieht das so, doch ihr Einfluss reicht weit. Zum einen haben sie mächtige Unterstützer in Rom - Kardinal Müller, den obersten Glaubenswächter, Erzbischof Georg Gänswein, den Diener beider Päpste, den Kurienkardinal Paul-Josef Cordes. Für sie sind die deutschen Bischöfe zeitgeistergebene Anpasser; es rächt sich, dass die deutschen Bistümer immer ihre konservativsten Pfarrer nach Rom geschickt haben.

Und dann gibt es noch ein merkwürdiges Ungleichgewicht: Die Konservativen in der Kirche sammeln sich gerade, organisieren sich, entwickeln Strategien - wie es nahe liegt, wenn man etwas durchsetzen will. Die Reformer dagegen argumentieren defensiv: Selbstverständlich stehe man fest im Glauben, natürlich wolle man niemanden dominieren. Vieles, was in den Tagen vor der Synode kommt, klingt selbstbeschränkend, als sei man geradezu erschrocken über die neuen Möglichkeiten unter Papst Franziskus.

"Die Diskussionen sind freier und offener geworden," sagt ein Bischof. "Aber wenn einer sagt: Da verlässt Du das Fundament des Glaubens, dann erschrecken wir immer noch."

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