Politische Stimmung:Flüchtlingskrise kratzt an Popularität der Kanzlerin

Angela Merkel Bundestag CDU Flüchtlinge

Amtiert seit November 2005 als deutsche Regierungschefin: Angela Merkel

(Foto: AFP)
  • Die Popularität von Kanzlerin Merkel sackt in mehreren Umfragen ab.
  • Ihr CDU-interner Kritiker Wolfgang Bosbach ist im ZDF-Politbarometer beliebter als die Kanzlerin.
  • Auslöser für die gesunkenen Werte der Kanzlerin ist wohl ihr Kurs in der seit Wochen schwelenden Flüchtlingskrise.
  • Die Mehrheit der Deutschen ist zuversichtlich, dass die Republik die Aufnahme der großen Anzahl von Flüchtlingen verkraftet.

Von Oliver Das Gupta

Vor bald zehn Jahre ist Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt worden. Nun, im Zenit ihrer Macht, agiert sie in der Flüchtlingskrise anders als bisher: Mutiger, entscheidungsstärker und zuweilen konfrontativ. Das gefällt nicht jedem. Die CDU-Vorsitzende verliert deutlich an Popularität in Deutschland. In drei Umfragen, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden, sind die Werte für die CDU-Vorsitzende abgesackt.

  • Im jüngsten ZDF-Politbarometer rutschte Merkel auf Platz vier ab. Auf einer Skala von plus 5 bis minus 5 kam sie dort auf einen Durchschnittswert von 1,9 - ihren schlechtesten Wert in dieser Legislaturperiode.
  • Im aktuellen Forsa-Wahltrend von Stern und RTL büßte die Kanzlerin drei Punkte auf 49 Prozent ein. Damit erzielte die Kanzlerin den niedrigsten Wert in diesem Jahr.
  • Eine weitere Umfrage, die TNS Forschung im Spiegel-Auftrag erhoben hat, sieht eine Verschlechterung um fünf Prozentpunkte. Auch hier nur noch Platz vier für die Kanzlerin.

Die Flüchtlingskrise hat sich auf das Stimmungsbild ausgewirkt. Laut Politbarometer sind 50 Prozent der Meinung, Merkel mache im Bereich Flüchtlinge und Asyl ihre Sache gut. Doch auch 43 Prozent stellen ihr dafür ein schlechtes Zeugnis aus. In den zurückliegenden Monaten hat Merkels Kurs mehrmals für Aufsehen gesorgt, was zur Erosion ihrer Beliebtheit beigetragen haben dürfte:

Operation Kurskorrektur

Merkel hatte zu Beginn der Flüchtlingskrise so agiert, wie meistens: Sie wartete ab, blieb im Ungefähren, stets darauf bedacht, nicht anzuecken. Auch dieses Verhalten trug dazu bei, dass Merkels Beliebtheit wuchs. Denn so fühlten sich auch Bürger von ihr repräsentiert, für die die Union in der Vergangenheit weniger attraktiv war, wie etwa Liberale oder gut ausgebildete Frauen.

Bei einem kontroversen, hochemotionalen Thema wie der Flüchtlingskrise stieß sie mit ihrem Politikstil allerdings an ihre Grenzen. Als immer mehr Asylbewerberunterkünfte brannten, erwarteten die Deutschen klare Kante. Die Kanzlerin wollte offenkundig anfangs die Kritik an ihrer Passivität aussitzen. Ähnlich wie in der Debatte über den NSA-Skandal.

Doch das klappte diesmal nicht. Die Kritik wuchs sich zur offenen Entrüstung aus, die Glaubwürdigkeit nahm Schaden, Zweifel kamen auf. Politische Rivalen machten vor, wie couragiert man sich rechten Fremdenfeinden entgegenstellt.

Plötzlich eine Klartext-Kanzlerin

Dann, am Montag, den 24. August, legte Merkel den Hebel um. Sie verdammte die ausländerfeindlichen Auswüchse. Später, als sich Kriegsflüchtlinge zu Tausenden in Ungarn und an der Grenze zu Österreich sammelten, öffnete sie die Grenzen - und hebelte damit das Dublin-III-Abkommen aus.

Damit verprellte sie Parteifreunde, allen voran die CSU. Kritik aus Bayern moderierte sie nicht wie bisher wolkig ab, sondern hielt frontal dagegen ("...dann ist das nicht mein Land").

Viele hat das überrascht: Aus der vage formulierenden Politikerin ist plötzlich eine Klartext-Kanzlerin geworden. Merkel, der man vorwarf, Beliebtheit durch Beliebigkeit erreicht zu haben, eckt nun an. Das Ergebnis zeigt sich in Umfragen. Es geht abwärts.

Konkurrenten gestärkt

Mit Merkels Popularitätsschwund geht die wachsende Zustimmung für einige Gegenspieler einher.

Da ist etwa ihr Parteifreund, der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach. Der Law-And-Order-Mann war beim Politbarometer bislang gar nicht aufgeführt; nun hat er Merkel sogar überholt.

Bosbachs Aufstieg wird der Kanzlerin nicht gefallen: Der konservative Rheinländer stemmt sich seit längerem gegen die Griechenlandpolitik Merkels, Bosbach stimmte im Bundestag gegen die letzten Rettungspakete für Athen. Alle Versuche der CDU-Spitze, Bosbach einzubinden oder zu isolieren, schlugen fehl.

Ebenso Sorge muss der Kanzlerin der wachsende Zuspruch für einen Rivalen ums Kanzleramt bereiten. Die Spiegel-Umfrage sieht Außenminister Frank-Walter Steinmeier als beliebtesten Politiker der Republik.

Es ist das erste Mal in dieser Legislaturperiode, dass ein Sozialdemokrat diese Liste anführt. Das Politbarometer sieht den SPD-Kanzlerkandidaten von 2009 auf Platz 2. Steinmeier gilt auch als möglicher Frontmann für die nächste Bundestagswahl.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer kann sich angesichts der Umfragewerte freuen. Seine harte Linie scheint bei manchen Deutschen so gut anzukommen, dass seine Popularität in der Spiegel-Umfrage um sechs Punkte steigt. Das stärkt ihn wohl darin, Krawall mit Merkel zu suchen. Der Ober-Bayer hat in den vergangenen Wochen seine Partei auf Konfrontation zur Kanzlerin ausgerichtet. Diejenigen, die da nicht so recht mitziehen wie Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, werden entsprechend abgewatscht (hier mehr dazu).

Wachsender Zuspruch für Kretschmann und Gabriel

Um denselben Wert verbessert sich auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der in seiner Partei das Ja zur umstrittenen Ausweitung der sicheren Herkunftsländer durchsetzte (hier mehr dazu).

Das bedeutet offenkundig nicht, dass die Bevölkerung maßgeblich auf einen flüchtlingskritischen Kurs schwenkt. Eine deutliche Mehrheit zeigte sich im Politbarometer zuversichtlich, dass die Republik die Aufnahme auch von einer großen Menge von Flüchtlingen gut verkraftet.

Entsprechend liegt es auch nahe, dass die Deutschen Sigmar Gabriels Engagement in der Flüchtlingskrise goutieren. Der Zuwachs des Sympathiewerts für den Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler fällt noch größer aus als bei Seehofer.

Der SPD-Chef war es, der vor Merkel nach Heidenau fuhr, als eine bräunliche Meute gegen Flüchtlinge randalierte. Gabriel bezeichnete die Ausländerfeinde damals als "Pack". Zuletzt reiste er in ein syrisches Flüchtlingscamp in Jordanien (hier eine SZ-Reportage dazu).

Die Kanzlerin sollte gewarnt sein: Wenn sie und Seehofer das frostige unionsinterne Klima auf Dauer nicht mehr auf eine behagliche Temperatur bringen, könnte das nicht wenige von der SPD einst gewonnene Wähler wieder dorthin zurücktreiben.

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