Kriegsfolgen:Sprengstoff im Wald

Kampfmittelbeseitiger in Sachsen-Anhalt

Tausende Tonnen Munition stecken noch im Erdreich - hier wurden Granaten in Sachsen-Anhalt zur Entschärfung gesammelt.

(Foto: Jens Wolf/lah)
  • Weil die US-Armee dort einen großen Sprengplatz für Beute-Munition unterhielt, lagern im Schwaighauser Forst bei Regensburg gefährliche Altlasten.
  • Experten warnen, dass die Überreste jederzeit explodieren könnten - schon bei geringer Außeneinwirkung.
  • Die Räumung, Entschärfung und Bodensanierung könnte Millionen kosten.

Von Christian Sebald

Der Schwaighauser Forst im Nordwesten von Regensburg ist ein beliebtes Ausflugsziel. Für Naturliebhaber wurde dort sogar ein bodenkundlicher Lehrpfad eingerichtet, auf dem man viel Wissenswertes über die unterirdische Welt des Waldes erfährt. Was die Spaziergänger auf dem Lehrpfad nicht gesagt bekommen: Im Schwaighauser Forst lagern gefährliche Altlasten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg unterhielt die US-Armee dort ihren größten Sprengplatz für Beute-Munition in Bayern. Die chemischen Rückstände der Sprengungen sind eine so große Belastung für das Grundwasser, dass eine umfangreiche Bodensanierung nötig ist. Aber nicht nur das: Experten warnen davor, dass im Schwaighauser Forst womöglich jederzeit alte Munition oder deren Überreste explodieren könnten.

Die "Rüstungsaltlast Hainsacker", wie der einstige Sprengplatz des US-Militärs auf Beamtendeutsch heißt, ist ein knapp vier Hektar großes rechteckiges Waldstück nahe der gleichnamigen Ortschaft. Angeblich lagerte die US-Armee auf dem Gelände bis zu 60 000 Tonnen Gewehr-Munition und leichte Artilleriegranaten, die ihre Soldaten im Kampf gegen die Wehrmacht erbeutet hatten. Schwere Geschosse oder gar Bomben waren nicht darunter. Die US-Armee lagerte die Kampfmittel aber nicht nur. Sie jagte sie auch in die Luft, damit sie nicht in falsche Hände gelangen konnten. Und zwar in großem Stil.

"Bis Ende der Vierzigerjahre sprengte sie hier 12 000 Tonnen Munition", sagt Benedikt Grünewald, der Chef der Abteilung Natur- und Umweltschutz am Landratsamt Regensburg. Die Soldaten taten das auf eine ebenso simple wie wirkungsvolle Weise: Sie gruben etwa fünf Meter tiefe, trichterförmige Löcher in den Boden und füllten sie bis oben mit Munition. "Anschließend zündeten sie eine Handgranate und warfen sie oben auf die Munition drauf", sagt Grünewald. Das Ganze flog mit einem ohrenbetäubenden Knall in die Luft, die Überreste wurden weit in alle Himmelsrichtungen verstreut. Drei Sprengfelder gab es auf dem Hainsacker. Die Sprengtrichter, die die US-Soldaten auf ihnen ins Erdreich gruben, addieren sich auf mehrere Hundert.

Mindestens 60 000 Kubikmeter Boden müssen gereinigt werden

Kriegsfolgen: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Nach dem Abzug der US-Armee geriet der Sprengplatz alsbald in Vergessenheit. Bis die Rewag, der Energie- und Trinkwasserversorger der Stadt Regensburg, in dem Gebiet Trinkwasser fördern wollte. Untersuchungen des Grundwassers ergaben eine so hohe chemische Belastung, dass es nicht als Trinkwasser verwendet werden kann. Die Ursache: Im Boden unter dem Hainsacker lagern noch heute mehr als eine Tonne Sprengstoff und Abbauprodukte, die von den Explosionen in der Nachkriegszeit herrühren. "Seit das bekannt ist, ist auch klar, dass wir wenigstens 60 000 Kubikmeter Boden auf dem Hainsacker austauschen und reinigen müssen", sagt der Umwelt-Experte Grünewald. "Sonst bekommen wir das Grundwasser dort niemals sauber."

Nun hat sich die Situation erneut verschärft. Der Ingenieur Thomas Hennike hat das Landratsamt darauf aufmerksam gemacht, dass Teile der Munition oder ihre Überreste, die noch im Boden lagern, schon bei geringen Einwirkungen von außen detonieren könnten. Als Beispiel nannte er Erschütterungen durch Forstarbeiten in der Umgebung. Der Grund für die neue Gefahr seien die jahrzehntelangen Verwitterungen und Zersetzungsprozesse, denen die Kampfmittel inzwischen ausgesetzt sind. Hennike muss es wissen. Er betreibt in Weimar ein Fachbüro für Kampfmittelräumung und Rüstungsaltlasten.

Ein Gutachten soll klären, wie groß die Gefahr ist

Seit Hennikes Warnung herrscht Alarmstimmung in der Region. Das Regensburger Forstamt hat alle Waldarbeiten rund um den Hainsacker ausgesetzt. "Ich gehe da kein Risiko ein", sagt Forstamtschef Erwin Engeßer. "Das bin ich meinem Förster und den Waldarbeitern ja schon aus Arbeitsschutzgründen schuldig." Auch in der Marktgemeinde Lappersdorf, auf deren Flur der Hainsacker liegt, ist man sehr beunruhigt. "Radler, Jogger, Wanderer, in den Wäldern rund um den alten Sprengplatz ist ja immer viel los", sagt Rathauschef Christian Hauner. Als Bürgermeister ist Hauner für die Sicherheit in seiner Gemeinde verantwortlich. Deshalb hat er sofort Warnschilder an den Parkplätzen und Wanderwegen aufstellen lassen.

Außerdem haben Grünewald, Engeßer, Hauner und all die anderen Verantwortlichen ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie groß die Gefahr tatsächlich ist. Denn es geht ja nicht nur darum, dass sie womöglich den Wald für die Erholungssuchenden sperren müssen. Sondern dass sie einen Kampfmittelräumer, wie der Ingenieur Hennike einer ist, damit beauftragen, den Hainsacker nach alter Munition abzusuchen, bevor sie sich an die Bodensanierung machen. Schon jetzt steht fest, dass das alles sehr teuer wird. "So was geht ganz schnell in die Millionen", sagt Bürgermeister Hauner. "Und da stellt sich uns natürlich die Frage, wer das bezahlen wird."

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