Schinderkreppe:Paradies von Menschenhand

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Die Schinderkreppe war eine Müllhalde, bis Dachau in den Achtzigerjahren damit begann, ein Landschaftsschutzgebiet zu schaffen.

Von Petra Schafflik, Dachau

Margeriten, Labkraut, Zittergras oder Wiesenknopf: Blumen und Gräser, wie sie für unsere Region typisch sind, wachsen an der Schinderkreppe in Dachau-Süd nicht von alleine. Nur durch ein durchdachtes und konsequentes Pflegekonzept verwandeln sich die Wiesen auf der ehemaligen Müllkippe über die Jahre langsam in ein kleines Naturparadies am Rande der Stadt. Was schon jetzt dort im Landschaftsschutzgebiet gedeiht, welche Entwicklungsziele die Experten der Stadtgärtnerei noch verfolgen, das erläuterte Leiter Stefan Tischer interessierten Bürgern, wenigen Stadträte und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) beim Informationsrundgang zwischen Stadtweiher und Landschaftssee. Die fachkundigen Spaziergänger fragten intensiv nach, waren aber am Ende voll des Lobs. "Eine wunderbare Erholungsfläche, einfach schön."

Vor allem jüngere Dachauer wissen es vermutlich nicht: Was sich an der südlichen Stadtgrenze heute Spaziergängern, Sportlern, Naturbeobachtern als grüne Oase präsentiert, wurde lange Zeit zur Abfallentsorgung genutzt. "Sperrmüll wurde abgekippt, ein Bagger verdichtete dann das Material", erzählte einer der älteren Rundgangsteilnehmer.

Erst in den 1980er-Jahren begann die Stadt, das Gelände zu rekultivieren. Diese Vorgeschichte wirkt bis heute nach: Weil eine 50 Zentimeter dicke Lehmschicht als Abdichtung zwischen Müll und Oberboden liegt, sind stattliche Bäume anders als im benachbarten Stadtwald auf diesen Naturflächen ein Tabu. Tiefwachsende Wurzeln würden die Lehmdecke durchbohren, schädliche Stoffe könnten ausgewaschen werden. Jährlich wird daher das Grundwasser überprüft, "und größere Bäume müssen wir entfernen", erklärt Stadtgärtner Tischer.

Die Teilnehmer zeigen sich begeistert. (Foto: Toni Heigl)

Ungestört entwickeln kann sich an der Schinderkreppe aber eine Heckenlandschaft. Eine Beschränkung, die kein Schaden sein muss, so der Experte. Denn vielfältige Sträucher wie Hagebutte, Schlehen und Pfaffenhütchen bieten Vögeln und Kleintieren wichtigen Rückzugsraum und Nahrung. Noch nicht zufrieden ist Tischer mit den weitläufigen Wiesen zwischen Gehölz und Spazierwegen. Was dort wächst, "ist relativ eintönig." Auf dem nährstoffreichen Boden haben es Blumen und Kräuter schwer. Zweimal im Jahr müssen die Flächen gemäht werden, "sonst verdrängt das Gras auch noch die letzte Blüte".

Mähen im Juni und Herbst ist angesagt, seit dem Frühjahr hat die Stadtgärtnerei hier neue Helfer: Niedrig gehalten wird das Grün nun auch von einer Herde Heidschnucken, die im Mai und Oktober für jeweils vier bis sechs Wochen dort weiden. "Das sind gute Landschaftspfleger", sagt Stadtgärtner Tischer. Und schon bei den Ziegen, die den Sommer über am Schlossberg grasen durften, habe sich gezeigt, dass vor allem Kinder viel Freude daran haben, Tiere mitten in der Stadt zu erleben.

Die Dachauer Schinderkreppe bietet alles: Panorama, seltene Pflanzen beim näheren Hinsehen und deswegen viel Naherholung. (Foto: Toni Heigl)

Um an der Schinderkreppe einheimische Wildpflanzen zu unterstützen, belässt es die Stadtgärtnerei aber nicht beim Mähen und Abwarten. Kleine Areale wurden mit Steinmauern abgegrenzt, dort Mahdgut der vielfältigen Garchinger Heide verteilt. Eine Informationstafel erläutert Spaziergängern, was nun gedeiht. Versuche machen die städtischen Gärtner auch mit sogenanntem autochthonen Saatgut, das sind gezielt entwickelte Samenmischungen, die genau auf spezielle Regionen zugeschnitten sind. Wenn auf diese Weise an der Schinderkreppe regionaltypische Pflanzen wie der Wiesenknopf heimisch würden, eine blau leuchtende Blume, die dem seltenen Ameisenbläuling als Nahrung dient, "wären wir am Ziel." Geduld ist gefragt. Tischer ist optimistisch.

Aber nicht nur die Natur, auch Erholung suchende Bürger sollen an der Schinderkreppe zu ihrem Recht kommen. Auf Anregung des Seniorenbeirats wurden an den Wegen neue Bänke installiert, auch der Aussichtshügel, der einen traumhaften Blick in die Berge, aber auch zum Dachauer Schloss bietet, neu "möbliert". Witzig fanden die Bürger beim Rundgang die neuen, holzbeplankten Ruheliegen, die Jung und Alt zum Rasten einladen. Für Jogger und Walker gibt es eine Gruppe extraniedriger Holzbänke, wo die Sportler ihre Muskeln dehnen können. Ein Bürgerservice in Abstimmung mit dem benachbarten ASV-Sportverein, erklärt Stadtgärtner Tischer.

Stefan Tischer, Leiter der Stadtgärtnerei, führt durch die Landschaft und erläutert deren Besonderheiten. (Foto: Toni Heigl)

Wo an der Schinderkreppe Natur und Mensch gleichermaßen zu ihrem Recht kommen sollen, zählt am angrenzenden Stadtweiher zumindest im Sommer stärker die Nutzung als Badesee. Die Bürger berichteten über Besucher, die mit der Kettensäge im benachbarten Wald Feuerholz machen, viel Müll hinterlassen und nachts lärmen. Deshalb sei im August ein Sicherheitsdienst tätig, informierte der OB. Geplant ist für 2017, dass am See Bänke, Tische, Grills und Abfallbehälter erneuert werden. Die Bürger sind nicht so anspruchsvoll, wollen ihre Idylle bewahren. "Macht's lieber nicht so viel Ausstattung", sagte eine Anwohnerin. "Der See, so wie er ist, gefällt uns einfach gut."

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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