Gladbach in der Champions League:Lehrstunde in Psychologie

Borussia Mönchengladbach - Manchester City

Gladbach verliert in letzter Minute - und wieder war ein Foul im Sechzehner ausschlaggebend.

(Foto: dpa)

Von Andreas Morbach, Mönchengladbach

Zu seinem persönlichen Königsklassendebüt erschien André Schubert Ton in Ton. Der froschgrüne Kapuzenpulli, in dem er die Gladbacher aus den dunkelsten Tiefen gecoacht hat, musste diesmal im Schrank bleiben. Stattdessen trug Borussias Übergangstrainer aus protokollarischen Gründen: einen dunkelgrauen Anzug, schwarze Schuhe, schwarzes Hemd. Das sah ein bisschen nach Trauerfeier aus, die Stimmung des 44-Jährigen jedoch war das genaue Gegenteil. Trotz des 1:2 gegen Manchester City, besiegelt durch ein Elfmetertor in letzter Minute.

Von Gladbachs null Punkten nach zwei Partien in der Champions League wollte André Schubert nichts wissen. Viel lieber sprach er über die Minuten nach dem vom Argentinier Sergio Agüero verwandelten Strafstoß. Als sich sein Team nochmals aufbäumte - als Keeper Yann Sommer gegen Agüero aber auch ein weiteres Gegentor verhindern musste, dabei mit Teamkollege Oscar Wendt zusammenprallte und mit stark blutender Nase auf den Rasen niedersank. Dia Diagnose lautete am Donnerstagmittag: Nasenbeinbruch.

Problem: neun Elfmeter in zehn Spielen

"Es war beeindruckend, wie wir nach dem 1:2 sofort versucht haben, noch irgendwas zu machen. Dieses Selbstbewusstsein, das zeichnet die Mannschaft aus", schwärmte Schubert. Nach dem plötzlichen Rücktritt des ratlosen Cheftrainers Lucien Favre vor elf Tagen sind die Gladbacher unter dem vorübergehend beförderten U23-Coach vehement dabei, zu ihrem technisch sauberen, blitzgeschwinden Stil zurückzufinden. Und dass das nun auch gegen das sündhaft teure Ensemble von Manchester City über weite Strecken klappte, machte die Verlierer erkennbar stolz.

"Wir haben uns hervorragend verkauft - gerade, wenn man bedenkt, wo wir vor zwei Wochen standen", goutierte Schubert den frisch reaktivierten Mut und Spielwitz seines Teams, die auch dem Kollegen aus der Premier League nicht entgangen waren. City stehen zwei Partien gegen Sevilla bevor, es sind womöglich die entscheidenden auf dem Weg ins Achtelfinale, da die Gruppe D von Juventus Turin angeführt wird.

Doch Manuel Pellegrini blockte die rhetorische Frage entschieden ab: "Für uns geht es nicht nur um Sevilla", erklärte der chilenische Coach der Citizens. "In dieser Gruppe sind alle Mannschaften sehr gut."

Stindl lässt die Arena beben

Also auch die Gladbacher - die den Borussia-Park beim Führungstor durch Lars Stindl erbeben ließen, trotz sportlicher Kehrtwende aber auch ein dickes Problem mit sich herumschleppen: den ungesunden Hang, sich pausenlos Elfmeter einzuhandeln. Mit seinem ungeschickten Zweikampfverhalten gegen den späteren Schützen Agüero erhöhte Fabian Johnson die Quote gerade auf neun in zehn Pflichtspielen.

"Das sind eindeutig zu viel. Wir müssen in solchen Situationen einen Schritt schneller sein", bemängelte Flügelspieler Patrick Herrmann, der prinzipiell der Meinung ist: "In der 90. Minute einen Elfmeter gegen sich zu bekommen - das darf nicht sein."

Rafael versagen die Nerven

Klare Worte, nach denen sich der der unglückliche Johnson mit kaum vernehmbarer Stimme vorsichtig verteidigte. "Das ist immer ein schmaler Grat. In so einer Szene kann man nicht passiv hingehen, sonst schiebt er den Ball rein", argumentierte der US-Nationalspieler, der aber einsah: "Ein bisschen cleverer müssen wir schon werden." Zumal dem erneut starken Raffael in der ersten Halbzeit am Elfmeterpunkt die Nerven versagten. Mutmaßlich das Verdienst von City-Schlussmann Joe Hart, der sich vor der Ausführung erst mal seelenruhig hinter sein Tor begab, um sich dort ausgiebig die Handschuhe mit einem Handtuch zu säubern.

Kurz darauf triumphierte Hart im Duell mit Raffael, der seine Verwirrung später so beschrieb: "Ich war unsicher, habe in der letzten Sekunde noch mal die Schussrichtung geändert." Die internationale Lehrstunde in den Fächern Psychologie und Körperbeherrschung haben die Gladbacher nun hinter sich. Unbestritten bleibt jedoch der rasante Leistungsumschwung unter André Schubert. Gegen die ebenfalls in der Königsklasse beschäftigten Wolfsburger wollen die Borussen den positiven Trend am Samstag fortsetzen. "Wir müssen einfach so weiterspielen", findet Spielmacher Raffael. Die Verteidigungsarbeit im eigenen Strafraum ausdrücklich ausgeschlossen.

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