Kommentar:Gesichter für den Mehrwert

Am Tag vor dem Topspiel Bayern gegen Dortmund kann die Bundesliga zeigen, was sie - außer dem deutschen Clásico - zu bieten hat. Manche Marke erleidet dabei Rückschläge.

Von Sebastian Fischer

Das Wichtigste vorneweg: Am Samstagnachmittag haben fünf Fußball-Bundesligaspiele stattgefunden. Klar, das ist ein Hammer, aber es wird noch besser: Am Sonntag kommen noch drei hinzu. Drei, nicht nur eines.

Es geht in diesen Tagen ja nur um "The German Clásico": Bayern gegen Dortmund. Seitdem der BVB zu neuer Stärke findet, regt sich vor dem Spiel am Sonntag die Hoffnung auf Spannung im Kampf um die Meisterschaft. Spannung, die auf der Marketingetage der Deutschen Fußball Liga GmbH gerne gesehen ist: Denn im Frühjahr 2016 sollen die Fernsehrechte für deutschen Erstligafußball in In- und Ausland erstmals mehr als eine Milliarde Euro wert sein. Deshalb darf die Bundesliga nicht von Spanien überholt werden, wo der echte Clásico zwischen Real Madrid und Barcelona ja für ein glamouröses Image der ganzen Liga reicht. Darum geht es an diesem Wochenende darum, dieses Spiel mit aller Macht zu bewerben: Wird etwa Arjen Robben auflaufen? Wird Marco Reus so aufspielen wie sein Avatar auf der Playstation? Wie viele Tore schießt Lewandowski diesmal? Und wie lange haben Thomas Tuchel und Pep Guardiola im Schumann's gesessen und mit Salzstreuern Taktiken nachgespielt? Waren es zwei, oder doch drei Stunden? Bleiben Sie dran!

In England schlägt der Achte den Ersten schon mal 4:1

Nun ist jedoch das Fernziel der DFL, irgendwann mal der Premier League Konkurrenz zu machen, dem Branchenführer aus England. Dort ist ein Ligaspiel im Schnitt 13,6 Millionen Euro wert, während die Rechteinhaber für ein Bundesligaspiel durchschnittlich 1,1 Millionen Euro bezahlen. Doch in England passiert es eben auch einfach mal so, dass der Tabellenachte den Tabellenführer mit 4:1 schlägt, geschehen am letzten Wochenende, da gewann Tottenham Hotspur in dieser Höhe gegen Manchester City. Ein 4:1 gegen Bundesligatabellenführer Bayern? Klingt wie eine Fieberfantasie.

Deshalb war der Samstag für die DFL eine Feuerprobe: Gibt es neben Dortmund, Bayern und den durch die Champions League auch in Mexiko und Thailand bekannten Schalkern und Leverkusenern (die am Sonntag gegen Köln bzw. Augsburg spielen) noch andere Teams, deren Spiele mehr als 1,1 Millionen Euro wert sein könnten? Die Antwort: Jein.

Denn da sind zum einen vielversprechende Marken, die ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Der VfB Stuttgart wollte sich in diesem Jahr neu erfinden: Alexander Zorniger sollte den Spielern ultramodernen Pressingfußball beibringen. In der Realität hat der trotz lauter Niederlagen stur an seinem System festhaltende Trainer allerdings leider nicht die notwendigen ultramodernen Pressingfußballer dafür. Sondern eine Mannschaft, die Tabellenletzter ist und in Hoffenheim nur 2:2 spielte, weil sie zwei ultraaltmodische Tore erzielte: Flanke, Kopfball, Tor.

Abgas-Manipulationen und Mittelmaß-Gekicke

Auch Wolfsburg ist so eine vielversprechende Marke - mit der man allerdings neben Abgas-Manipulationen gerade einen Fußball konnotiert, der wieder ins Mittelmaß zu driften scheint. Der VfL hat 0:2 in Gladbach verloren und nun seit drei Spielen nicht gewonnen.

Auf der anderen Seite könnte Deutschland an überraschender Stelle aufholen: London, Madrid, Rom - in europäischen Hauptstädten wird seit Jahren groß aufgespielt, in Berlin gab es dagegen stets Graubrotfußball zu sehen, der, wenn es gut lief, gerade so für die erste Liga reichte. Die Hertha ist in diesem Jahr allerdings eine der Positivüberraschungen. Das 3:0 gegen Hamburg war der vierte Sieg, in Vedad Ibisevic hat Berlin einen lange vermissten Torjäger und plötzlich reihenweise feine Passgeber im Mittelfeld: Cigerci, Darida, Baumjohann. Ein feiner Passgeber reicht dem FC Ingolstadt, der zweiten Überraschungsmannschaft: Pascal Groß, Schütze des Führungstreffers beim 2:0 gegen Frankfurt, könnte eines der Gesichter dieser Saison werden. Und Gesichter machen sich immer gut in Powerpoint-Präsentationen für Verhandlungen über millionenschwere Fernsehverträge.

Ein Gesicht dieser Saison ist schon jetzt Gladbachs Trainer André Schubert. Seit der verzweifelte Lucien Favre ihm die Verantwortung für die Borussia überließ, hat die zuvor sieglose Mannschaft drei von drei Bundesligaspielen gewonnen. Das Schönste daran: Schubert scheint egal zu sein, dass seit seinem ersten Arbeitstag ein Trainer gesucht wird, der ihn ablösen soll. Ihm ist egal, dass er am Seitenrand einen unglaublich hässlichen knallgrünen Trainingsanzug trägt. Und ihm - das ist nun das Fazit - ist wohl auch egal, ob so ein Spiel zwischen Gladbach und Wolfsburg 1,1 oder 3,4 oder 7,8 Millionen Euro wert ist. Er will das Spiel einfach nur gewinnen, und dann ist es gut.

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