Erster Saisonsieg für Hannover 96:Frontzeck beruhigt die Spielerfrauen

Hannover gewinnt gegen Bremen ein klassisches Null-zu-Null-Spiel mit 1:0, der 96-Coach erspart seinen Spielern weitere Trainingslager im Kloster.

Von Stefan Rommel, Hannover

Am Ende war es an Leon Andreasen, die Ereignisse auf einen einfachen Nenner zu bringen. "Es war ein Kampfspiel, ja. Aber was war denn anderes zu erwarten? In unserer Situation kann es nur so gehen", sagte Andreasen und warf dem Fragesteller einen ungläubigen Blick zu.

Hannover 96 war als Tabellenletzter in die Partie gegen Werder Bremen gegangen, war die einzige sieglose Mannschaft der Liga und hatte demnach einige unruhige Tage zu überstehen gehabt, trotz des beachtlichen 1:1 am Vorwochenende in Wolfsburg. Auch deshalb quartierte sich die Mannschaft unter der Woche für zwei Tage in die Abgeschiedenheit der ligaweit gerne aufgesuchten Klosterpforte im westfälischen Harsewinkel, Kreis Gütersloh. Zwei Siege und ein Remis waren in der jüngeren Vergangenheit nach dem Besuch der alten Klosteranlage herausgesprungen. Gegen Werder siegte Hannover nun erneut. Nicht schön, aber erfolgreich. "Und nur das zählt. Gerade in so einem typischen Null-zu-Null-Spiel", wie Andreasen zur Sicherheit noch einmal betonte. Der Weg zu diesem mühsam errungenen 1:0 (0:0) durch ein Tor von Mittelfeldspieler Salif Sané (55.) war gespickt mit Missverständnissen und fußballerischen Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten. Die erste Halbzeit darf getrost zu einer der schwächsten der laufenden Saison gezählt werden.

Verwirrung durch den Schiedsrichter

Für die aufregenden Momente zeichneten sich Schiedsrichter Peter Sippel und seine Assistenten verantwortlich, die zunächst ein Handspiel von Marcelo kurz vor dem Strafraum übersahen und nur kurz darauf die Partie unterbrechen mussten - und so ziemlich jeden im Stadion ratlos zurückließen. Andreasen war aus kurzer Distanz im Strafraum am Arm getroffen worden. Sippel unterband Sekunden später die Partie, umringt von einem Spielerrudel versuchte er den Anweisungen des vierten Offiziellen Timo Gerach zu lauschen. Fast eine Minute lang ließ sich der Referee für seine Spielfortsetzung Zeit, die dann - ganz diplomatisch und korrekterweise - mit einem Schiedsrichterball erfolgte.

"Keiner wusste so genau, was da passiert. Ich habe lange mit ihm geredet, ohne selbst zu wissen, was Sache ist", sagte 96-Torwart Ron-Robert Zieler. Bis auf diese auflockernde Episode bekamen 49.000 Zuschauer aber kaum etwas zu sehen.

Die Statistiker wiesen zur Halbzeit zwar acht zu sieben Torschüsse aus - die meisten davon waren für die Zuschauer als solche allerdings kaum zu identifizieren. Lediglich Andreasens Versuch aus spitzem Winkel hatte bedrohlichen Charakter für das Bremer Tor (35.), auf der Gegenseite köpfte Anthony Ujah eine hohe Hereingabe aus kurzer Distanz gegen die Querlatte (42.). Immerhin: Hannover schaffte es so zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison, eine Halbzeitpause ohne Gegentor und auch ohne Rückstand zu erreichen.

Hannover 96 v Werder Bremen - Bundesliga

Mevluet Erdnic (Hannover) liefert sich einen Zweikampf mit Jannik Vestergaard (Bremen).

(Foto: Martin Rose/Getty)

Sané springt am höchsten, Wiedwald verharrt auf der Linie

Die Niedersachsen erzielten dann zehn Minuten nach der Pause nach einem Standard selbst den einzigen Treffer des Nachmittags. Sané sprang nach einer Ecke sechs Meter vor dem Tor am höchsten und setzte den Ball per Kopf unhaltbar in die linke untere Ecke. Werders Keeper Felix Wiedwald hätte das Tor höchstens dann verhindern können, wenn er sich vorher die Flanke geschnappt hätte.

Jetzt erst fanden die Gäste zu sich. Die Hereinnahme von Youngster Maximilian Eggestein auf die Position hinter den Spitzen zeigte Wirkung. Ganz im Gegensatz zu jener von Claudio Pizarro, der bis zum Schlusspfiff kaum zu sehen war. Mehr und mehr rückte Hannovers Torhüter Zieler in den Mittelpunkt, der gegen Zlatko Junuzovic, Eggestein, Clemens Fritz und Fin Bartels teilweise fabelhaft parierte. Bei einigen wenigen Konterangriffen hatte Hannover die Chancen zum entscheidenden 2:0, aber Mevlüt Erdinc und der emsige Kenan Karaman scheiterten an Wiedwald.

Unerklärlicher Bremer Optimismus

Der Sieg mache "einiges einfacher in den nächsten Tagen", sagte Frontzeck. "Nach dem Stuttgart-Spiel ist es ziemlich dunkel geworden bei uns, aber gegen Wolfsburg und heute haben wir am Limit gespielt. Die zwei Wochen Pause tun uns ganz gut." Erste sehr zaghafte Ansätze von echtem Kombinationsspiel hat Frontzecks Mannschaft in der zweiten Hälfte gezeigt. Allerdings auch sehr begünstigt von einem Gegner, der bemerkenswert ideenlos agierte und sich mit dem vierten Negativerlebnis in Serie in die Länderspielpause verabschiedet.

Schema & Statistik

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

Umso erstaunlicher, dass sowohl Sportdirektor Thomas Eichin als auch Trainer Viktor Skripnik die Partie in Hannover als Fortschritt bewerteten. "Man kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Es gab andere Spiele, da war ich sauer auf die Mannschaft. Heute kann ich das nicht sein", sagte Eichin und fand Unterstützung bei Skripnik, der "ein sehr gutes Spiel" von seiner Mannschaft gesehen hatte. "Wir haben alles getan, nur leider vergessen, ein Tor zu machen."

Werder hat den Anschluss nach oben längst verpasst, der Blick richtet sich vorerst wieder einmal nach unten. "Immerhin wissen wir, was uns da erwartet. Wir kennen die Situation aus der letzten Saison und wissen auch, wie wir damit umzugehen haben", meinte Eichin. Die kommenden Aufgaben werden Eichins Worte auf eine harte Bewährungsprobe stellen. Die nächsten Gegner heißen Bayern München, FSV Mainz und Borussia Dortmund. In Hannover bewahrte der erste Saisonsieg derweil auch den häuslichen Frieden bei Kapitän Christian Schulz. "Wenn wir bald wieder in die Klosterpforte fahren, würde ich Ärger mit meiner Frau bekommen", scherzte der Ex-Nationalspieler. Und Trainer Michael Frontzeck versprach prompt: "Bis zum Winter wird es dort kein Trainingslager mehr geben."

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