Titelrennen in der Bundesliga:Spannung, bitte!

FC Bayern München - Borussia Dortmund

Im direkten Duell ist es immer spannend: Münchens Jérôme Boateng, r., und Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Von Thomas Hummel

Der FC Bayern München ist der beliebteste Fußballklub im Land. Je nach Hochrechnungen der Meinungsforschungsinstitute kommt er auf neun bis zwölf Millionen Anhänger und damit mindestens dreimal mehr als jeder andere Verein. Und dennoch: Das wird am Sonntag von 17.30 Uhr an nicht reichen. Dann werden viel mehr Menschen den Gegner unterstützen. Dann spielt der FC Bayern quasi gegen Borussia Deutschland.

"Ich verstehe, dass uns alle verlieren sehen wollen. Das ist normal", sagt Bayern-Profi Jérôme Boateng. Das liegt weder daran, dass sich beim FC Bayern die Bewunderer und die Verabscheuer ungefähr die Waage halten noch an den hübschen schwarz-gelben Trikots der Dortmunder. Der Grund, warum das Fußballland (minus FC-Bayern-Fans) dem BVB mindestens ein Unentschieden, wenn nicht gleich einen Sieg wünscht, ist die Sehnsucht nach Spannung. Die Sehnsucht danach, die altehrwürdige Bundesliga möge mal wieder einen Kampf um Platz eins erleben, der diesen Namen verdient. Damit der FC Bayern nicht wie in den vergangenen drei Spielzeiten so hoch über den anderen schwebt, dass nicht einmal ein Hoeneßsches Fernglas nützt, um ihn im Orbit zu erkennen.

"Dabei setzen eben viele ihre Hoffnung in uns", erklärt Michael Zorc im kicker. Eigenlob riecht zwar heute nicht besser als früher. Doch der Dortmunder Sportdirektor hat schlichtweg recht. Auf wen soll sich die Hoffnung sonst richten? Wolfsburg hat in München gerade fünf Stück in neun Minuten kassiert, Leverkusen zuvor ein fast glückliches 0:3, Schalke erscheint zu unerfahren.

Kann es ein ernsthaftes Duell um Platz eines geben?

Der BVB hat die Hoffnung auf ein Comeback als Bayern-Jäger in den ersten Wochen dieser Saison selbst mächtig genährt. Er hat angeleitet vom neuen Trainer Thomas Tuchel von den ersten elf Pflichtspielen elf gewonnen, führte die Tabelle zwischenzeitlich an. Bundestrainer Joachim Löw (nach Beckenbauer die höchste Instanz) verfügte vor drei Wochen entsprechend: "Dortmund hat eine sehr, sehr große Qualität. Ich glaube schon, dass das dieses Jahr wieder der Kampf werden kann." Der Kampf FCB gegen BVB. Der deutsche Clásico.

Doch ist das wirklich so? Kann es ein ernsthaftes Duell um Platz eins geben? Bis zum Schluss?

Viele Beobachter und Beteiligte der Unterhaltungsbranche Fußball sähen es gerne. Sponsoren zum Beispiel. Oder Medienpartner. Weil ein Kampf um Platz eins schlichtweg die Aufmerksamkeit erhöht. Als zum letzten Mal die Entscheidung um die Meisterschaft bis ins hintere Saisondrittel ging - das war im Frühling 2012 - trafen Dortmund und Bayern an einem Mittwochabend im April aufeinander. In München mussten die übertragenden Kneipen und Wirtshäuser Türsteher engagieren, um den Andrang der Leute zu bändigen. Die Partie des 30. Spieltags wollte niemand verpassen, das Hackentor von Robert Lewandowski (damals noch für den BVB) und der verschossene Elfmeter von Arjen Robben fanden Eingang in den Erinnerungsladen der Bundesliga.

Die Bayern konzentrieren sich auf die Champions League

Seither? Bayern Meister mit 25 Punkten Vorsprung. Bayern Meister mit 19 Punkten Vorsprung. Bayern Meister mit zehn Punkten Vorsprung - allerdings auf Wolfsburg. Dortmund hatte zuletzt sagenhafte 33 Zähler weniger geholt.

Dabei gibt es durchaus Menschen, denen das überhaupt nichts ausmacht. Zum einen den Großteil der Münchner Anhänger, der sicherlich keinen Hang zu einer spannenden Bundesliga in sich spürt. Sondern die Gewissheit bevorzugt, dass alles seinen geregelten Mia-san-Mia-Gang geht - umso früher, desto besser. Angesichts der kolossalen Dominanz in finanziellen wie sportlichen Dingen käme ein zweiter Platz auch einer Blamage gleich, die erhebliche Schmähungen mit sich brächte. Außerdem konzentriert sich der Klub insgeheim ohnehin auf das Champions-League-Halbfinale. Da kann so ein ernsthafter Bundesliga-Endspurt nur stören.

Doch selbst der Chef der Bundesliga, von Amtswegen her neutral, sieht überhaupt kein Problem in der bayerischen Vorherrschaft. Die Diskussion um die Langeweile in der Liga sei langweilig oder auch komplett überflüssig, erklärt Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), wieder und wieder. Er verweist dabei auf die wirtschaftlichen Kennzahlen: Zuschauerzahlen, TV-Quoten, Sponsorengelder etc. Und die sprechen tatsächlich gegen einen Rückgang des allgemeinen Interesses.

Kaum ein Experte mehr glaubt noch an Spannung

So wird Seifert auch achselzuckend zur Kenntnis nehmen, dass nur drei Wochen nach Löws Prophezeiung kaum mehr ein Experte an eine lange Spannung an der Bundesliga-Spitze glaubt. Zu stark traten die Bayern zuletzt auf. Die Zugänge Costa, Coman, Vidal und Kimmich entpuppen sich allesamt als Volltreffer. Selbst die Ausfälle von Arjen Robben und Franck Ribéry fallen kaum mehr ins Gewicht. Nicht wenige meinen, dass sich schon an diesem Sonntag, am achten Spieltag, die Meisterschaft entscheidet, falls die Münchner das Spiel gewinnen. Nach den beiden Wacklern des BVB gegen Hoffenheim und Darmstadt läge der FC Bayern dann sieben Punkte vor den Dortmundern. Und gegen welche Gegner soll diese Mannschaft noch sieben Punkte abgeben?

In Dortmund will man von der nationalen Aufgabe eines Bayern-Jägers ohnehin nichts wissen. Auch beim BVB weiß man um die Stärke des Gegners und das Projekt Tuchel ist noch sehr jung. "Ich finde, dass wir gut damit fahren, uns auf uns zu konzentrieren und unsere eigenen Ansprüche zu erfüllen. Die sind sehr hoch." Die Borussia richtet sich in der Außenseiterrolle ein. Immerhin: Das hat ihr auch in der Ära Jürgen Klopp überhaupt nicht geschadet.

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