Baseball:Zwei Artisten

MLB: Los Angeles Dodgers at San Francisco Giants

Historisch gut: Clayton Kershaw (im Bild) und Zack Greinke von den Los Angeles Dodgers führen nahezu alle wichtigen Pitching-Kategorien an.

(Foto: USA Today Sports)

Die herausragenden Werfer Clayton Kershaw und Zach Greinke haben die Los Angeles Dodgers in die Playoffs geführt - aber reicht diese erlesene Kombination für den ersten Titel seit fast 30 Jahren?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer in Los Angeles Künstler live bei der Arbeit erleben möchte, der hat durchaus ein paar Möglichkeiten: Er kann ein Konzert in der Hollywood Bowl besuchen, sich auf dem Sunset Boulevard von einem Komiker unterhalten lassen oder im Museum of Art mit Designern über Filmkostüme sprechen. Er kann aber auch zum Hügel von Chavez Ravine fahren, dort zunächst den Blick über Downtown Los Angeles genießen und dann drei Stunden lang einen der beiden Artisten bewundern, die dort regelmäßig auftreten: die Werfer Clayton Kershaw und Zach Greinke vom Baseballverein Los Angeles Dodgers.

Am Wochenende absolvieren die Dodgers gegen die San Diego Padres die letzten beiden Partien der regulären Saison, Greinke (in der Nacht von Samstag auf Sonntag) und Kershaw (Sonntag auf Montag) sind die vorgesehenen Werfer. Die beiden Spiele dienen lediglich zur Vorbereitung auf die Playoffs, die die Dodgers zum dritten Mal nacheinander erreicht haben. Sie werden von 9. Oktober an gegen die New York Mets um den Einzug ins Finale der National League antreten. Der Gewinner dieser Serie wird dann gegen den Sieger der American League in der World Series um den Titel kämpfen.

Experten bemühen Vergleiche zu legendären Spielern von 1964 - und 1917

Die Qualität von Greinke und Kershaw lässt sich nicht nur live bestaunen, sondern auch statistisch belegen. Einer der beiden führt in jeder bedeutenden Kategorie der nordamerikanischen Profiliga MLB: Greinke in Siegquote, erlaubten generischen Punkten und erfolgreichen gegnerischen Schlagversuchen, Kershaw bei Strikeouts und absolvierten Spielabschnitten, er könnte am Sonntag zudem der erste Werfer seit 2002 werden, dem 300 Strikeouts in einer Saison gelingen. Seine Vorgänger: die legendären Curt Schilling und Randy Johnson. Ein derart erfolgreiches Duo hat es lange nicht mehr gegeben, Experten gehen zurück bis ins Jahr 1964 (Sandy Koufax und Don Drysdale bei den Dodgers), andere erinnern an das famose Duo Fred Anderson und Ferdie Schupp, das 1917 die New York Giants verzauberte.

"Ich habe unglaubliches Glück. Mit zwei Werfern dieser Klasse zu arbeiten, das ist überaus selten. Es ist meine Aufgabe, es nicht zu versauen", schrieb zuletzt A.J. Ellis. Er ist der Fänger der Dodgers, er signalisiert vor jedem Wurf die möglichen Varianten und wartet dann hinter der Home Plate auf ein neues kleines Kunstwerk von Kershaw oder Greinke. In einem Essay für The Players' Tribune - einer Internetseite, auf der Profisportler teilweise großartige Texte verfassen (www.theplayerstribune.com) - beschreibt Ellis die Zusammenarbeit mit den beiden: "Clayton und Zack sind unterschiedliche Typen, weshalb sich jeder Spieltag komplett anders anfühlt." Kershaw tüftele vor jeder Partie an einem Plan, den er konsequent ausführe - Anmerkungen würden eher geduldet als gewünscht, Abweichungen solle es bestenfalls nicht geben: "Ich bringe meine Gedanken ein, aber ich achte darauf, dass sie mit denen von Clayton übereinstimmen. Sonst kann es vorkommen, dass er wütend wird und sagt: 'So was mache ich nicht, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.'"

Greinke könnte den Klub nach der Saison verlassen

Greinke bereite sich zwar ebenso penibel vor wie Kershaw, doch sei er offener für Anmerkungen: "Er fragt mich, und ich frage ihn. Auch während des Spiels sprechen wir über mögliche Veränderungen." Wenn eine bestimmte Variante nicht funktioniert, dann bittet Greinke seinen Fänger, diese Variante nicht so häufig aufzurufen: "Man sieht direkt, wie sein Gehirn bei jedem einzelnen Wurf arbeitet, wie er sich anpasst und stets neue Wege findet, den Gegner zu attackieren."

Kershaw und Greinke sind zwei Künstler mit unterschiedlicher Herangehensweise an ihre Profession, der eine ist ein Freund der Routine, der andere ein eher spontaner und bisweilen schrulliger Genosse. Kershaw will an Spieltagen seine Ruhe und achtet nicht auf seine Umgebung, während Greinke dafür sorgt, dass sich die Kollegen nach dem Toilettenbesuch die Hände waschen. "Zwei völlig gegensätzliche Charaktere", schreibt Ellis: "Doch ist es für beide notwendig, so zu sein - genau das macht sie so großartig." Die Dodgers lassen sich diese Großartigkeit einiges kosten, Kershaw verdient bis 2020 durchschnittlich 30,7 Millionen pro Jahr. Greinkes Vertrag wird mit durchschnittlich 24,5 Millionen Dollar pro Spielzeit honoriert, trotz einer Gültigkeit bis 2018 kann er nach dieser Saison den Verein wechseln. Es könnte also durchaus sein, dass die beiden in diesen Playoffs zum letzten Mal für denselben Klub spielen.

In den Playoffs haben die Stars eine unterdurchschnittliche Bilanz

Weil es im Stadion der Dodgers immer wieder Kunstwerke von Greinke und Kershaw zu bestaunen gibt, ist der Gegensatz zu den weiteren Abenden umso deutlicher. Bei allem Respekt für die anderen Werfer wie Brett Anderson, Mike Bolsinger und Alex Wood: Gegen das, was Greinke und Kershaw auf dem Wurfhügel veranstalten, sind die Darbietungen der anderen wie Malen nach Zahlen. Die Siegquote der beiden Stars liegt bei spektakulären 77,2 Prozent - alle anderen Werfer gemeinsam haben mehr Spiele verloren als gewonnen.

Auch aufgrund der Verletzungen von Hyun-jin Ryu, Brandon McCarthy und Bronson Arroyo sind die Dodgers auf Greinke und Kershaw angewiesen. Das waren sie auch in den vergangenen beiden Playoffs - und scheiterten jeweils früh. Kershaw hat die vergangenen vier Playoff-Spiele verloren, seitdem haftet ihm der Makel an, in den Playoffs nicht erfolgreich zu sein. Greinkes Bilanz im gleichen Zeitraum ist 2:2. Kershaws Mentor Sandy Koufax - genau jener aus dem angesprochenen Jahr 1964 - hält die Bilanzen für statistische Anomalien, die sich nun ändern würden: "Er soll sich nicht zu viele Gedanken darüber machen, weil einen das zerstören kann."

Die Mets haben ihrerseits keinen Werfer, der an die Qualität von Greinke und Kershaw heranreicht. Sollte Steven Matz (Rücken) rechtzeitig genesen, dann haben sie vier beinahe gleichwertige Handwerker (die anderen sind Jacob deGrom, Matt Harvey und Noah Syndergaard, als Ersatzmann für Matz steht Bartolo Colon bereit), die zuverlässig überdurchschnittliche Leistungen zeigen, dazu die wohl besser besetzte Ersatzbank. In der ersten Playoff-Runde werden maximal fünf Partien innerhalb von sieben Tagen absolviert - dann wird sich zeigen, ob die Strategie funktionieren kann, mit zwei Künstlern zum ersten Mal seit 1988 den Titel zu gewinnen.

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