Seminar in Freising:Traumjob Nikolaus

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Tadeln und schenken: Bei einem Seminar werden Männer zu Nikolaus-Experten ausgebildet - und lernen, was zu tun ist, wenn sie bei den Kindern auffliegen.

Von Franziska Gerlach, München

Es muss ja nicht immer so schiefgehen, wie in dem Klassiker von Gerhard Polt: Schon im Hausflur klauen dem Nikolaus zwei Grünschnäbel die Bischofsmütze, anschließend wird sein Gedichtvortrag vom Gedudel des Fernsehers geschluckt, Polt in der Rolle des Vaters dreht sich nicht einmal zu ihm um, und als er den Preis für seinen Auftritt nennt, findet die Dame des Hauses das gar nicht witzig. "Was - 62,50 Mark? Ich habe gedacht, da ist der Krampus auch noch dabei!"

Hätte der unglückselige Nikolaus mal besser die Schule von Reinhard Sentis und Stefan Lesting besucht, die am Samstag im Bildungszentrum der Erzdiözese München und Freising, dem Kardinal-Döpfner-Haus, stattgefunden hat - das erste Mal in Bayern überhaupt. Als die 20 Teilnehmer kurz vor der Mittagspause den Poltschen Schwank sehen, da wissen sie längst, dass im Rheinland ein gewisser Hans Muff den Part des Krampus übernimmt. In vielen Regionen kennt man den Knecht Ruprecht, in der Pfalz heißt der düstere Begleiter Pelznickel.

Kinder als musizierende Engel

Dabei gibt es durchaus Alternativen für diese Furcht einflößenden Gestalten, finden die Referenten. Als musizierende Engel verkleidet, könnten sogar Kinder beim Auftritt mitmachen. Seit 2011 bilden Sentis und Lesting Nikolaus-Experten aus, wie sie es nennen, und haben klare Vorstellungen, welche Qualifikationen einen solchen auszeichnen. "Ein Nikolaus-Experte kennt die Legenden und Geschichten, er weiß, wie man eine Weihnachtsfeier gestaltet und sich richtig kleidet."

Die Runde aus Theologen und Lehrern, Erziehern und Großvätern, die in Freising ihre Nikolaus-Kompetenzen schulen will, erweist sich als versierte Gruppe, mancher von ihnen schlüpft schon seit Jahren selbst ins Kostüm. Dass der Nikolaus mit dem Cola-Weihnachtsmann nichts zu tun hat, muss man hier niemandem mehr erklären. Die Teilnehmer beschäftigt die Frage, wie man den Nikolaus heutzutage angemessen interpretieren kann, weg von blinkenden Zipfelmützen und röhrenden Rentieren - und nah am Vorbild des Heiligen, dessen Gedenktag der 6. Dezember ist. Aber dennoch zeitgemäß.

Zu jung für den Nikolaus?

Bischof Nikolaus hat im 4. Jahrhundert nach Christus in Myra gewirkt, dem heutigen Demre in der Türkei. Er gilt als Schutzpatron von Russland und Lothringen, von Berufsgruppen wie Bäckern oder Bierbrauern, aber eben auch von Kindern und alten Menschen. Und wie es sich für einen Heiligen gehört, ranken sich einige Legenden um seine Person. Im Kardinal-Döpfner-Haus stehen die Teilnehmer jetzt um ein Spielzeugschiff herum, aus winzigen Säcken rieselt Korn.

Was bei dem sogenannten "Kornwunder" geschehen ist, erklärt eine Teilnehmerin: Als in Myra eine Hungersnot ausbrach, habe der Bischof Schiffsleute darum gebeten, ein paar Säcke ihrer Ladung abzugeben - es werde kein Körnchen fehlen, wenn sie ihr Ziel erreichten, prophezeite er. Und behielt natürlich recht.

Als Nikolaus zum Priester geweiht wurde, soll er etwa im gleichen Alter gewesen sein wie Johannes Stopfer, der gerade seinen roten Chormantel herzeigt. Bislang hat der 21 Jahre alte Stopfer aus der Nähe von Landshut immer den Krampus gespielt, da sich in seiner Gemeinde allerdings einige ältere Darsteller zur Ruhe setzen, tritt er nun erstmals als Nikolaus vor die Kinder. Zu jung fühlt er sich für diese Aufgabe nicht. "Die Person an und für sich strahlt schon Autorität aus", sagt er.

Lichtgestalt mit Rauschebart

Doch muss Kritik überhaupt sein? Immerhin ist der Nikolaus eine Lichtgestalt, die über das Böse siegt. Wenn man tadeln müsse, so Sentis, dann konstruktiv, es solle aber auch nicht in Lobhudelei ausarten. Entscheidend sei vielmehr, sich Zeit zu nehmen und Zuversicht auszustrahlen, die Welt der Kinder nicht nur gut zu kennen, sondern sie auch einzubeziehen und eigene Geschichten erzählen zu lassen.

Wenn eines dann doch darauf kommen sollte, dass der Mann mit dem Rauschebart der Nachbar ist, rät Lesting zu einem offenen Umgang. Der Nikolaus habe vor vielen Jahren gelebt und stehe für selbstloses Schenken, solle man sagen. "Und dafür bin ich heute da."

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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