Neubiberg:Überflieger

Neubiberg, BW-Uni, Vorstellung neuer Studiengang für Piloten,

Die Piloten des neuen Studiengangs stellen sich in Neubiberg vor einem ausgemusterten Helikopter vor.

(Foto: Angelika Bardehle)

An der Universität der Bundeswehr in Neubiberg wird erstmals ein Studiengang für angehende Piloten angeboten. Bei der Umgestaltung der Truppe wird immer mehr interdisziplinäres Wissen verlangt

Von Sabine Oberpriller, Neubiberg

Am Flugsimulator waren Dennis Machheit, 23, und Maximilian Liepold, 22, schon. Zum ersten Mal. "Jetzt können wir es erst recht kaum erwarten zu lernen - und bald in ein echtes Cockpit zu steigen", sagen beide. Ein bisschen werden sie sich noch gedulden müssen. Denn die ersten Semester des neuen Studiengangs Aeronautical Engineering an der Militäruniversität der Bundeswehr in Neubiberg sind eher theoretischer Natur. Im ersten Studiengang für Piloten in Deutschland.

Er soll, wie es der Stellvertreter des Inspekteurs der Marine, Vizeadmiral Rainer Brinkmann, bei der Eröffnungsfeier ausdrückt, "Theorie und Praxis versöhnen". Während des dualen Fachhochschulstudiums beschäftigen sich die Aspiranten mit den technischen Facetten der Luftfahrt sowie mit Management und Wirtschaftswissenschaften. Denn auch im Militär ist interdisziplinäres Wissen vermehrt gefragt. Die Bundeswehr sucht Führungskräfte. Die Mittel, die die Bundeswehr und die Universität dafür zur Verfügung stellen, sind enorm: Sechs neue Professuren, 25 Mitarbeiterstellen. "Der Erfolg dieses engen Studiums liegt auch in der optimalen Betreuung der Studierenden", sagt die Präsidentin der Universität Merith Niehuss.

An insgesamt sieben Flugsimulatoren werden sich die künftigen Piloten auf ihren Einsatz vorbereiten. Wesentliche Bereiche sind auf dem Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn untergebracht, wo der Flugzeughersteller Airbus seinen Sitz hat. In den ersten zweieinhalb Jahren der Grundausbildung, Offiziersschule und Universität lernen die Studierenden parallel die Grundzüge des Fliegens und machen den Segelflugschein. Dann geht es nach Arizona ins Trainingscenter in Goodyear; dort bildet auch die Lufthansa ihre Piloten aus. In nur viereinhalb Jahren sollen die Anwärter nicht nur die akademische, sondern auch die Reife für das Cockpit erlangen.

Dass es den Studiengang seit diesem Semester gibt, ist ein Meilenstein für die Luftwaffe. Bisher waren die Piloten die einzigen, die kein Studium absolviert haben mussten, um beim deutschen Militär eine höhere Laufbahn einschlagen zu können. Aber es war auch mit enormen Hindernissen verbunden: Fünf Jahre Studium, gut zwei Jahre Fliegerausbildung und dann der Einstieg in die Staffel - erst mit Anfang 30. Die Kräfte, die in einem Kampfjet auf den Körper wirken, sind so enorm, dass der Pilot rundum fit sein muss. Spätestens mit Anfang 40 beenden Kampfpiloten normalerweise ihre Karriere im Cockpit. Bis dahin haben sie den Staat je nach Einsatzbereich eine Summe im sechsstelligen Bereich gekostet.

Bisher quittiert ein Teil der Soldaten mit 41 den Dienst und sieht sich auf dem freien Markt vor dasselbe Problem gestellt wie die ausrangierten Kollegen aus dem zivilen Luftverkehr: Für was ist ein über 40jähriger Quereinsteiger mit sehr fachgebundenem Know How qualifiziert?

Olaf Maurischat, 36, steht kurz vor diesem Schritt. Er ist im Tornado Einsätze in vielen Regionen der Welt geflogen. War in Italien stationiert, in Südafrika. Studiert hat er nicht. Mittlerweile macht er sich Gedanken um seinen Neuanfang. Ein Wirtschaftsstudium soll es werden.

Dieser Umbruch mit 41 sei zu meistern, heißt es von verschiedenen Seiten bei der Bundeswehr. Und so bestätigt es auch Olaf Maurischat: "Von den meisten höre ich, dass es eine tolle Chance ist, so einen Neuanfang im Leben zu bekommen Da kannst du dich jetzt selbst verwirklichen." Er kennt keinen, der gescheitert wäre, sagt er. Aber es bedeutet zunächst eine finanzielle Einschränkung. Und für diejenigen, die mit ganzem Herzen an der Fliegerei hängen und die auch im übersättigten Pilotenmarkt der Personentransportbetriebe nicht unterkommen, ist es eben vor allem eines: ein Kompromiss mit der Realität.

Die Bundeswehr hat ganz andere Faktoren im Blick, wenn es um die Qualifikation ihrer Soldaten geht. Im globalen Gefüge der Streitkräfte müssten sich deutsche Piloten und Offiziere der Luftwaffe längst mit akademisch höher qualifizierten Kräften anderer Staaten messen, sagt Florian Hahn (CSU), Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss, bei der Eröffnung: "Um mithalten zu können, muss die Bundeswehr die besten Köpfe bekommen." Das gehe nur, indem ein optimales Arbeitsumfeld geboten werde.

Für Dennis Machheit und Maximilian Liepold ist dieser Studiengangs ein Glücksfall. Machheit wollte Maschinenbau studieren, Liepold Betriebswirtschaftslehre. Gemeinsam mit elf weitere Anwärtern haben sie nun am Donnerstag die Vorlesungen in Neubiberg angetreten. Im Laufe der nächsten Jahre soll der Studiengang für alle angehenden Militärpiloten Pflicht werden. Dann werden in Neubiberg jährlich etwa 50 Piloten das Studium beginnen. Die Truppe rüstet auf - mit Wissen.

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