Bayern-Sieg gegen Dortmund:5:1 ist ein Statement, das sitzt

FC Bayern Muenchen v Borussia Dortmund - Bundesliga

Die Bayern, die jubeln: Thomas Müller, Javi Martínez, Philipp Lahm, Jérôme Boateng, Robert Lewandowski und David Alaba (von links).

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Die Farbe Lila ist nicht unbedingt eine Trendfarbe und sie passt auch nicht in den Herbst, der seinen Glanz ja eher in Nuancen von Gelb, Grün oder Braun entfaltet. Trotzdem bleibt von diesem farbenfrohen Abend in München-Fröttmaning dieses stechende Violett hängen. Ein auffälliger Klecks zwischen roten Trainingsanzügen und grellem Neonlicht. Die Farbe Lila schimmerte vom Oberkörper eines Menschen empor, der seine Zuhörer mit strenger Miene anschaute und eine Mahnpredigt hielt. Es war Matthias Sammers Pullover, der noch viel mehr Eindruck machte, als jedes seiner Worte.

So violett gekleidet ist wohl noch nie ein Mensch aus der Kabine der Münchner Arena zum Gespräch erschienen. So verbissen um Ernsthaftigkeit bemüht, zumal nach einem 5:1 (2:1) gegen den größten Titel-Konkurrenten, auch nicht. Diese erneute Demonstration der Bayern, dieses aufputschende Erfolgserlebnis gegen Borussia Dortmund, schien Sammer in seiner gewohnten Art zu verarbeiten.

Mit Inbrunst warnte der Sportvorstand vor allen möglichen Gefahren. Vor "einem eigentlich zu hohen Ergebnis", das die Wahrnehmung täuschen könnte. Vor dem Verlust "dieses Geistes in der Mannschaft". Vor den Fragen der Reporter, die doch nur Unruhe in diesem "so geschlossenen Verein" schüren wollten.

Neue Eskalationsstufe der Überlegenheit

Es klang so, als sei gerade Schlimmes passiert, als hätte sich die ganze Fußballwelt gegen den armen FC Bayern verschworen. Und erst als Sammer noch einen Satz ergänzte, konnte man erahnen, dass es eigentlich ziemlich bombig läuft gerade: "Wir sind super in die Saison gestartet - und das wissen wir auch." Unter 5:1 machen es die Bayern ja nicht mehr in diesen Tagen. Nach dem VfL Wolfsburg bekam nun auch der BVB ein paar Watschn verpasst und es bleibt die Feststellung: Diese Münchner vermöbeln nicht mehr nur kleine Fußballmächte wie den HSV oder Dinamo Zagreb, sondern mittlerweile auch ihre einzigen echten Gegner in der Bundesliga.

Über diese neuerliche Eskalationsstufe der Überlegenheit versuchten die Beteiligten zurückhaltend-sachlich Auskunft zu geben, was schwer fiel. "Die Mannschaft und der Trainer machen das wunderbar", meinte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, "aber es ist nicht so, dass wir schon feiern. Die Devise heißt: Unaufgeregt weitermachen."

Weitergemacht hatten die Bayern auch gegen Dortmund - und zwar mit ihrer sagenhaften Offensivwucht, ihrer Präzision, ihrer Haltung des ewigen Nimmersattseins. 1:0 durch Thomas Müller (26. Minute), 2:0 durch Müller (Elfmeter, 35.), 3:1 durch Robert Lewandowski (46.), 4:1 durch Lewandowski (56.) und 5:1 durch Mario Götze (66.).

Guardiola ändert seinen Plan

Das sind die Zahlen einer Partie, die zwischenzeitlich sogar mal spannend war. Für ungefähr 15 Minuten zu Beginn und neun weitere Minuten nach dem Dortmunder Anschlusstreffer zum 1:2 (Aubameyang, 36.). Ein Topspiel mit 24 Minuten ernsthaftem Wettbewerb und 66 weiteren im Bayern-Rausch also. "In der ersten Viertelstunde hatten wir Probleme und haben zu oft den Ball verloren", erklärte Trainer Pep Guardiola, "aber dann haben wir uns an das System der Borussia angepasst."

Weil die Dortmunder in Zentrum auf Verdichtung setzten, musste ein untypisches Mittel her: Hoch und weit, die alte Überbrückungstaktik gegen nervige Defensiven. Jérôme Boatengs Vorlagen zu Müllers und Lewandowskis Toren waren kein Produkt aus den Wirren der Hilflosigkeit.

Boateng als Quarterback

Guardiola änderte wieder einmal während eines Spiels gewinnbringend seinen Plan. Er beorderte den Weltmeister von rechts in die Abwehrmitte, wo Boateng in Ruhe Räume für seine Diagonalpässe ausspähen konnte. "In der zweiten Halbzeit haben wir mit fast jeder Aktion ein Tor geschossen", wunderte sich Lewandowski, der angab, den Ball bei Boatengs zweiter Quarterback-Einlage beim entscheidenden 3:1 "gar nicht gesehen" zu haben. Die Kugel plumpste dem Polen aber so vor die Füße, dass er plötzlich ganz allein vor dem Tor stand. So läuft es eben zurzeit beim formstärksten Angreifer dieses Planeten. Bis dahin hatte sich Dortmund tatsächlich wirkungsvoll gewehrt, aber wer wird sich daran in naher Zukunft noch erinnern?

5:1 ist eben ein Statement, das sitzt. Sieben Punkte Vorsprung vor dem BVB erst recht. Am achten Spieltag blickt die Liga auf die Tabelle und muss erkennen: Meister wird dann wohl einmal mehr unangefochten der FC Bayern. In Abwesenheit fundamentalerer Herausforderungen lauten die Fragen nur noch: Klappt es mit dem vierten Titel in Serie schon im März? Knacken die Münchner die 100 Tore in einer Saison? Gewinnen Müller und Lewandowski gemeinsam die Torjägerkrone? Und können die Bayern ihre Dampfwalzenform diesmal bis in die späte Champions-League-Zeit konservieren?

Matthias Sammer wollte von derlei Gerede überhaupt nichts wissen. "Wir werden hier ganz normal weitermachen. Mich interessiert jetzt nicht, was in der Rückrunde ist", sagte er beinahe erzürnt über die hübschen Aussichten. Seine Zeigefinger-Rede schloss er mit einem Diskurs ins Reich des Internets. "Es gibt Videos auf Youtube, das können Sie sich alle anschauen: Wo Läufer siegessicher noch vor der Ziellinie abgefangen werden. So darf es uns nicht ergehen. Wir müssen den Spirit aufrechterhalten."

Die Signalfarbe Lila könnte Sammer dabei helfen. Sie eignet sich ja auch bestens zur Hypnose. Vielleicht wäre ihm das ohnehin am liebsten: Elf Fußballroboter in Bayerntrikots, die bis zum Triplegewinn in Trance durch den Betrieb pflügen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: