Radio:Traum und Hemdkragen

Schriftsteller Vladimir Nabokov

Schriftsteller Vladimir Nabokov bei der Arbeit an einem Romanmanuskript.

(Foto: dpa)

Hörspiele von Houellebecq, Andreas Ammer und Nabokov befassen sich mit Revolten und deren Verweigerung.

Von Stefan Fischer

Es ist ein Akt künstlerischer Gerechtigkeit: Das reale Dasein des bayerischen Königs Ludwig II. ist längst in den Hintergrund getreten, der Märchenkönig eine Kunstfigur. Nun hat auch Cousin Ludwig III. ein eigenes Musical: Andreas Ammer sowie die Musiker Markus und Micha Acher von The Notwist haben das Hörspiel The King is Gone. Des Bayernkönigs Revolutionstage inszeniert, eine hochkomische Revue über Ludwigs Flucht ins Berchtesgadener Land in den Tagen der Räterevolution 1918.

The King is Gone beschließt eine Reihe von drei beachtlichen Hörspiel-Ursendungen, die sich - obwohl zwei im aktuellen "Heimat"-Schwerpunkt der ARD angesiedelt sind - vor allem mit diversen Revolten und deren Verweigerung befassen. Die Sorge Ludwigs III. etwa gilt mehr alltäglichen Belangen als dem Weltgeschichtlichen: Wo er einen Hemdkragen herkriegt, ist ihm wichtiger als das Schicksal seines Bayernlandes. Seine Schwestern nölen derweil hungrig vor sich hin, der Chauffeur der Wittelsbacher bugsiert den Fluchtwagen in den Straßengraben - eine kuriose Sause. Die aber auf Tatsachen beruht, die Autoren beziehen sich auf den Chronisten Josef Benno Sailer. "Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Gestalt ist ihre Komödie", hat Karl Marx gesagt. Damit wird er zitiert - und hat hier unbedingt recht. Die Königskomödie ist mit großer Lust inszeniert, mal als Groteske, mal mit feiner Ironie.

Auf der linksrevolutionären Seite der Geschichte stehen die Figuren aus Vladimir Nabokovs erstem Roman "Maschenka": Auch sie sind vertrieben aus ihrer - russischen - Heimat, leben in Berlin im Exil. Ihre revolutionäre Kraft ist 1924 erschlafft, sie hängen den Träumen ihrer Vergangenheit nach. Und die gelten zunehmend einer Frau und nicht mehr so sehr politischen Idealen. Alice Elstner hat Maschenka gediegen als literarisches Hörspiel inszeniert.

Rasanter ist da Leonhard Koppelmanns Adaption von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung". 2022 wird ein Muslim französischer Präsident und krempelt die Gesellschaft um. Hauptfigur ist der libertäre, angeödete Literaturwissenschaftler François, gespielt von Samuel Weiss, der über den Décadence-Autor Joris-Karl Huysmans forscht. Beide, der Schriftsteller und sein Interpret, lassen sich domestizieren von einer religiös motivierten Herrschaft. Regisseur Koppelmann geht mit dokumentarischer Stringenz vor, die drastischen Effekte und die Ironie des Romans fährt er zurück - und lässt damit stärker offen, ob es sich bei Unterwerfung um eine Utopie oder Dystopie handelt.

Maschenka, NDR Kultur, Mittwoch, 20 Uhr.

Unterwerfung, SWR 2, Donnerstag, 22.03 Uhr. Teil 2 am 15. Oktober.

The King is Gone. Des Bayernkönigs Revolutionstage, Bayern 2, Freitag, 21.05 Uhr.

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