Mitten in Vaterstetten:Der Rabe und die Nuss

Raben stehen in dem Ruf, besonders schlau zu sein. Doch auch dann funktioniert das Nüsseknacken nicht immer.

Von Rita Baedeker

Raben stehen in dem Ruf, besonders schlau und lernfähig zu sein. Angeblich handeln sie vorausschauend und achten beim Verstecken von Futter darauf, dass keiner zuschaut, der ihnen das Essen wieder abspenstig machen könnte. Zudem haben sie mitbekommen, dass man Nüsse nicht selber knacken muss, wenn Autofahrer in der Nähe sind. Der Bibel zufolge wurde der Prophet Elija während einer Hungerzeit von Raben versorgt. Muss mühsam gewesen sein, denn da gab es noch keine Autos.

Ebenso wie unlängst in Baldham. Auf der Wiese vor dem Haus liegt eine Walnuss. Die Straße ist auto- und menschenleer. Herbei stolziert mit erhabenen Schritten ein Rabe, dreht die Nuss eine Weile hin und her und beginnt auf die Schale einzuhacken. Erst sachte, dann immer fester. Nichts geschieht, die Nuss bleibt hart, undurchdringlich, das Innere unerreichbar. Eine Weile geht das so. Der Rabe müht sich. "Mensch Rabe", möchte man ihm zurufen. "So wird das nichts. Leg die Nuss auf den asphaltierten Weg, dann geht's leichter." Nun ist es zwar unwahrscheinlich, dass Meister Corvus Gedanken lesen kann; dennoch packt er kurz darauf die Nuss und fliegt ein paar Meter weit auf den Gehweg und hackt dort weiter auf die ersehnte Speise ein. Bald ist das erste kleine Loch geschafft, das zweite folgt. Doch in Stücke brechen will das Ding immer noch nicht. Nun packt den Raben heiliger Zorn - jedenfalls kommt es einem so vor. Das Klopfen wird schneller, lauter. Alle Kraft wendet der Vogel auf, um die vermutlich uralte Nuss zu knacken.

Schließlich, siehe oben, beschließt der Vogel, sich den Gaffer vom Leib zu halten. Gefühlt eine Minute lang guckt er den Zweibeiner an, dann packt er erneut die störrische Nuss und verzieht sich halb hüpfend, halb flatternd in die Büsche. Eine Weile noch hört man das Klopfen und Hacken. Dann ist es still. Eine Nachschau später ergibt: Die Nuss ist verschwunden.

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