Kunstreihe:Graffiti zum Anfassen

Kunstreihe: Künstler Alexis Dworsky (Mitte) macht Graffiti für Blinde fühlbar.

Künstler Alexis Dworsky (Mitte) macht Graffiti für Blinde fühlbar.

(Foto: Michael Nagy)

"Was geht?" verbindet Kunst und Inklusion

Von Christiane Lutz

"Was geht?" Das sagen nicht nur superlässige Jugendliche, wenn sie einander fragen, was so los ist. Was geht? Fragt jetzt auch das Kulturreferat, oder besser: Wie weit geht? Und was geht noch nicht? Und warum nicht? Unter dem Namen "Was geht" versammelt das Kulturreferat 120 Veranstaltungen, die sich unter dem Stichwort Kunst und Inklusion zusammenfassen lassen und von Oktober bis Februar in München stattfinden. Am Dienstag präsentierte Kulturreferent Hans-Georg Küppers das Programm der Reihe und stellte gleich zu Beginn die Frage: "Wer inkludiert eigentlich wen?" In den vergangenen Jahren sei zwar das Bewusstsein für Inklusion - die einst Integration hieß - gestiegen, man gebe sich auch in der Stadt redliche Mühe, allen Menschen mit Behinderung barrierefreien Zugang zu Kunst und Kultur zu geben. Aber Rollstuhlplätze im Zuschauerraum reichten eben nicht aus. "Wenn wir wollen, dass alle am Kulturbetrieb teilhaben, müssen wir mehr tun".

Das Programm ist in die Sparten Film, Gesellschaft, Kunst, Literatur, Musik, Tanz, Theater und Workshops untergliedert und versammelt Projekte von Menschen mit Einschränkungen für Menschen ohne Einschränkungen und umgekehrt. Führungen durch Museen mit Gebärdendolmetscher, es gibt Lesungen des "Clubs der blinden Dichter", beim "Independant Living"-Festival am 9. Oktober im Feierwerk geht es um Popkultur und Handicap. Mit eingeschlossen in die "Was geht?" -Reihe ist auch das inklusive "Grenzgänger"-Festival, das vom 14. bis 23. Oktober am Tams-Theater stattfindet. Küppers betont die Vorreiterrolle des Theaters unter der Leitung von Lorenz Seib und Anette Spola, die sich bereits 2009 mit dem Thema "Inklusion" beschäftigten, als noch keiner so recht wusste, was das sein soll. In diesem Jahr sind internationale Produktionen zu Gast, unter anderem das Theater Hora aus Zürich, das mit seinem Projekt "Disabled Theater" für Kontroversen gesorgt hat. Viele der Vorstellungen finden nicht im Tams, sondern auch auf der Bühne der Kammerspiele oder dem I-Camp satt. Lorenz Seib begrüßt diese Entwicklung. Es sei für inklusives Theater wichtig, sich mit der "normalen" Theaterszene zu vernetzen. Noch oft genug finden inklusive Projekte in speziellen Einrichtungen und an Orten statt, an die sich kaum ein Zuschauer verirrt, der nicht sowieso schon mit den Künstlern oder der inklusiven Szene verbunden ist.

Ein anderer Schwerpunkt von "Was geht?" ist natürlich die Erfahrbarkeit von Kultur für Menschen mit Einschränkungen. "Ich frage mich oft: ist ein Mensch nicht erst durch die Gesellschaft be-hindert?", sagt Hans-Georg Küppers, also wird er nicht erst daran gehindert, die gleichen Dinge wie alle anderen zu tun. Die Künstler Alexis Dworsky und Tonkünstler Sepalot beispielsweise haben sich die Graffiti im öffentlichen Raum einmal näher angesehen und sie mit Braille-Schrift in Originalgröße versehen, damit auch Blinde erfühlen können, was Street-Art ist. Die nicht greifbare farbliche und typografische Ebene der grellen Graffiti ersetzen sie durch Musik. Etwas ernster geht es am NS-Dokumentationszentrum zu, dort finden künftig Führungen von Jugendlichen für Jugendliche in leichter Sprache statt.

Übrigens ist das komplette Programm von "Was geht?" ebenfalls in leichter Sprache zu haben. "Ich wünsche mir, dass jeder sein Recht auf Kultur aktiv oder passiv ausüben kann", sagt Hans-Georg Küppers. Das langfristige Ziel sei dabei, dass das unsägliche Wort "Inklusion" irgendwann überflüssig werde.

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