1860 München:Solange Gott will

Nach einigem Hin und Her schaffen es die Verantwortlichen, sich auf den Nachfolger des bisherigen Trainers Torsten Fröhling zu einigen: Benno Möhlmann.

Von Markus Schäflein, München

Der größte anzunehmende Unsinn blieb Torsten Fröhling dann doch erspart. Angesichts der sich hinauszögernden Entscheidung des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, wer denn nun neuer Trainer werden solle, stand zu befürchten, dass Fröhling das Training am Dienstagvormittag noch leiten müsste, bevor er verabschiedet werden würde. Um 9.12 Uhr, 48 Minuten vor Trainingsbeginn, teilte der Klub dann doch mit, dass - wie vermutet - Benno Möhlmann, 61, der Nachfolger sei und sich am Nachmittag vorstellen werde.

Am Freitagabend hatten die sieglosen Sechziger beim 1:1 in Bielefeld das sechste Remis im zehnten Spiel geholt, es war erwartungsgemäß zu wenig für Fröhling. Von Freitagabend bis Dienstagmorgen zog sich der Entscheidungsprozess über die Nachfolge dann hin, Fröhling nahm in dieser Zeit sogar noch im Namen des Klubs an der Trainertagung in Leverkusen teil. Es wurde intern darum gerungen, ob man auf eine vermeintlich sichere Bank à la Möhlmann oder einen jüngeren Trainer mit Perspektive setzen solle.

Und Entscheidungen bei Sechzig dauern gerne etwas länger, denn die Prozesse sind kompliziert - schwer zu sagen, wer nun was letztendlich bestimmt. Präsident Siegfried Schneider befindet sich nur interimsmäßig im Amt, Sportchef Necat Aygün firmiert nach offizieller Sprachregelung als Bis-auf-Weiteres-Sportchef (kurioserweise war Möhlmann zuvor auch schon als Kandidat für diese Position im Gespräch gewesen). Geschäftsführer Markus Rejek hat betont, sich aus den fußballfachlichen Fragen eigentlich heraushalten zu wollen; sein Geschäftsführer-Kollege Noor Basha ist Cousin und Vertreter des jordanischen Investors Hasan Ismaik und mit 29 Jahren recht unerfahren auf dem deutschen Fußballmarkt. Viele Personen, die teils wenig Macht und teils wenig Kompetenz haben, müssen sich also irgendwie einigen. Und dann gibt es ja noch den Verwaltungsrat, dessen Vorsitzender Karl-Christian Bay unlängst treffend formulierte: "Bei uns zerfleddert sich die Willensbildung oft hin zu einem Minimalkonsens."

Und was wäre ein minimalerer Konsens als ein Vertrag, der nur bis Saisonende läuft, mit einem Trainer, der als Urgestein bzw. Dino firmiert, mit dem man mithin wohl nicht allzu viel falsch machen kann. 501 Zweitliga-Spiele als Trainer hat Möhlmann aufzuweisen, Punkteschnitt 1,44. Bielefeld, Greuther Fürth und den FC Ingolstadt hat der Niedersachse in seiner Vita stehen; zuletzt arbeitete er dreieinhalb Jahre beim FSV Frankfurt, wo er einen Spieltag vor Ende der vergangenen Saison angesichts der Abstiegsgefahr entlassen wurde. Für ihn kam Tomas Oral, der seine Spieler aus mentalen Gründen durch eine Autowaschstraße laufen ließ.

2. Fussball Bundesliga TSV 1860 München Training

Ein Zeichen für die Rettung? Die Sonne schien, als Benno Möhlmann (re.) mit den 60-Geschäftsführern Noor Basha (li.) und Markus Rejek auftauchte.

(Foto: sampics)

Derlei Heckmeck ist nichts für Möhlmann, er bevorzugt bodenständigere Maßnahmen. Kurioserweise kennen sich Fröhling und Möhlmann sehr gut, aus der Zeit, als Fröhling Spieler und Möhlmann Assistenztrainer beim Hamburger SV waren, sie haben ein freundschaftliches Verhältnis. "Benno war mein Förderer beim HSV", sagte Fröhling. "Ich wünsche ihm alles Glück, was uns gefehlt hat." Und, ebenfalls kurioserweise, haben sie ganz ähnliche Vorstellungen: "Fußballspielen auf der Basis von Disziplin, Ordnung und Laufbereitschaft" will Möhlmann, wie er bei seiner Präsentation sagte, "und aus der Kompaktheit nach vorne was machen." Und wie Fröhling betont er, der Verein müsse nach elf Jahren voll enttäuschter Aufstiegshoffnungen "in der zweiten Liga ankommen und sich mit dem Fußball beschäftigen, der da gespielt wird". Viel wird sich taktisch für die Spieler gar nicht ändern.

Möhlmann ließ humorvoll durchblicken, dass ihm bewusst ist, in einem sehr speziellen Verein gelandet zu sein. "Ich freue mich, dass sich die Verantwortlichen letztendlich auf meine Person festgelegt haben und ich hier arbeiten kann, solange Gott will, oder der Beirat oder wer auch immer." Er scheue sich nicht, "bei einem Verein zu arbeiten, wo vielleicht nicht alles normal ist". In Frankfurt habe er auch immer nur Einjahresverträge unterschrieben, "und dann habe ich dreieinhalb Jahre dort gearbeitet. Wenn das so kommt, dann bin ich hier gut dabei." In der Tat: In rund zwei Jahren hatte Sechzig zuletzt sechs Trainer.

Torsten Fröhling

Die Fans forderten keineswegs die Demission von Torsten Fröhling. Bei den Spielern war der Trainer auch gut gelitten. Und doch musste er gehen.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Geschäftsführer Rejek erklärte, die Entscheidung sei den Verantwortlichen "sehr schwer gefallen, weil wir Torsten Fröhling das Vertrauen ausgesprochen hatten und ihn sehr schätzen". Das klang fast entschuldigend - kein Wunder, die Stimmung rund um die Grünwalder Straße legte einen Trainerwechsel diesmal nämlich nicht nahe. Sechzig ist sonst berühmt für sein übernervöses Umfeld, doch die Anhänger forderten keineswegs die Demission Fröhlings. Und auch die Spieler, von denen viele schon in der Regionalliga-U21 unter ihm lernten, hätten den Übungsleiter gerne behalten. Mit standing ovations verabschiedeten die Profis in der Kabine ihren Übungsleiter. "Man denkt daran, dass man dem Trainer mehr Zeit gegeben hätte, weil er mit uns die schwere Phase durchgemacht hat und weil ihm der Verein und jeder viel zu verdanken hat", sagte Kapitän Christopher Schindler. "Man hat ja gesehen, dass die Fans uns positiv gegenüberstehen. Es war noch nie so ruhig nach so einer Punkteausbeute - das ist auch ein Zeichen, dass es eigentlich funktioniert hat."

Dass es funktionierte, sah auch Möhlmann: "Die Mannschaft gehört von der Qualität nicht auf den Platz, auf dem sie steht", sagte er. "Sonst wäre es Schwachsinn, hier anzufangen, und schwachsinnig bin ich noch nicht." Das kann man ruhig mal betonen, wenn man gerade bei 1860 München unterschrieben hat.

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