Fußball-Regionalliga:Gegen die Langsamkeit

Viele Klubs der vierten Liga haben Balljungen. Vorgeschrieben sind sie nicht, aber wenn sie gut geschult sind, wie in Regensburg, bringen sie Vorteile. Wenn sie fehlen, führt das manchmal zu kuriosen Situationen.

Am Samstagnachmittag begab sich Patrick Rösch tief in eine Grauzone des Fußball-Reglements, und irgendwann wurde es dem Schiedsrichter zu bunt. Der Torwart des FV Illertissen sah beim Gastspiel im Grünwalder Stadion gegen die U21 des TSV 1860 München in der 87. Minute Gelb-Rot wegen Spielverzögerung. Zu diesem Zeitpunkt stand es schon 1:0 für die Gäste, die sich deshalb naturgemäß in der einen oder anderen Szene etwas mehr Zeit ließen als sonst, und so bestrafte der Unparteiische Julian Kreye kurz vor Schluss Rösch. Allerdings musste der Schiedsrichter sich auch mit den Ersatzspielern der Sechziger herumärgern: Sie hatten sich regelwidrig hinter dem Illertisser Tor aufgehalten, um dort Bälle einzusammeln und das Spiel so zu beschleunigen. Der Grund hierfür wiederum lautet: Bei der U21 des TSV 1860 sind keine Balljungen im Einsatz.

Und so hatte Kreye einerseits von der permanenten Illertisser Spielverzögerung "die Faxen dicke" gehabt, wie nach dem Spiel im Kabinengang kolportiert wurde. Andererseits kam es auch zur kuriosen Situation, dass ein Gästetorwart vom Platz gestellt wird, weil die Heimmannschaft keine Balljungen stellt. Rösch hatte auch deshalb verzögert und war hinters Tor gelaufen, weil er von den Ersatzspielern des Gegners keine Bälle annehmen wollte. Hätten die jungen Sechziger vom Platzverweis profitiert - es blieb aber beim 1:0 für Illertissen -, wäre es sicherlich zu langwierigen Diskussionen gekommen.

Beim Bayerischen Fußball-Verband heißt es: "Selbstverständlich haben die Schiedsrichter immer die Möglichkeit, bewusstes Zeitverzögern zu ahnden und auch entsprechend nachspielen zu lassen." In der Regionalliga Bayern seien, wie in jeder anderen Amateurklasse, keine Balljungen vorgeschrieben. "Sollten die Regionalliga-Vereine dies wünschen, spricht aus Sicht des BFV aber nichts dagegen."

Für viele Klubs im gehobenen Amateurfußball sind Balljungen eine Selbstverständlichkeit. "Das fördert ein Stück weit auch die Identifikation", sagt Alex Reifschneider, Jugendkoordinator beim FC Ingolstadt. Dort seien die U10- bis U13-Jährigen für die Spieler der U23 eingeteilt, die etwas Älteren dürfen zu den Bundesligaspielen in die Arena. Und beim Quasi-Profiklub Jahn Regensburg sind die Balljungen in feste Teams eingeteilt, vor jedem Spiel gibt es eine Schulung. Je erfahrener die Balljungen sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie zu einem echten Vorteil werden. In Regensburg erinnert man sich daran, dass ein Balljunge einmal ein Spiel zugunsten des Jahn entschieden hat. Ein Sprecher erzählt, einer habe den Ball einmal so schnell zurückgeworfen, dass er den Spieler erst dazu animierte, schneller einzuwerfen. So geschehen am 9. Februar 2010 im Drittligaspiel gegen den Wuppertaler SV - Marcel Reichwein erzielte aus dem daraus entstandenen Konter das einzige Tor.

Gerade im Grünwalder Stadion würden Balljungen viel Sinn machen: Zwischen Westtribüne und Spielfeld klafft ein 20 Meter breiter Freiraum - ein Paradies für Torhüter mit dem Wunsch, die Langsamkeit zu entdecken. Selbst beim SV Schalding-Heining, der in einem sehr engen Stadion spielt, sind immer mindestens sechs Balljungen am Seitenrand. Und alle Vereine berichten, dass die Kinder und Jugendlichen den Job sehr gerne machen.

Bei 1860 haben sie auch keine Probleme, Balljungen für die Arena in Fröttmaning zu finden. Doch der Alltag in einem Nachwuchs-Leistungszentrum scheint heutzutage erfüllter zu sein als früher. "Die Kinder sind zeitlich alle am Limit", sagt Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg, Hausaufgaben vernünftig zu erledigen sei wichtiger. Schellenberg hält es auch nach den Vorfällen vom vergangenen Samstag für "eher unwahrscheinlich", dass man in naher Zukunft Balljungen abstellt. Außer natürlich, der Verband lege das so fest.

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