Flüchtlingskrise:BRK warnt vor Aggressionen in Notunterkünften

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  • In den Notunterkünften entlang der österreichischen Grenze kommt es immer häufiger zu Auseinandersetzungen unter Flüchtlingsgruppen.
  • Nun warnt das Bayerische Rote Kreuz: "Es gab Situationen, in denen wir Angst um das Leben der Kinder dort hatten."
  • Der Grund für Aggressionen: Die Nerven liegen bei vielen Flüchtenden blank. Oft wollen sie weiterfahren, aber die benötigten Busse dafür sind nicht vorhanden.

Von Dietrich Mittler, München

In Bayerns Notunterkünften entlang der österreichischen Grenze droht die Lage zu eskalieren. Konflikte bis hin zu tätlichen Auseinandersetzungen unter den Flüchtlingsgruppen nehmen nach Angaben des Bayerischen Roten Kreuzes deutlich zu. "Es gab Situationen, in denen wir Angst um das Leben der Kinder dort hatten", sagte Herbert Wiedemann, BRK-Kreisgeschäftsführer in Rottal Inn, am Mittwoch in München. Wenn auch längst nicht im Ausmaß wie in Hamburg, so komme es doch zu massiven Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Volksgruppen. So geschehen im niederbayerischen Ering, und oft genug stehen dann die ehrenamtlichen Helfer des BRK mittendrin.

Zum Glück, so betonte Wiedemann, werden Handgreiflichkeiten "von Beamten der Bundes- oder der Bereitschaftspolizei sofort unterbunden". Einmal musste Wiedemann selbst "reingehen", wie er es nennt, "um im Zeichen des Roten Kreuzes zu deeskalieren". Mittlerweile komme es alle zwei Tage zu solchen Situationen. "Tendenz steigend", sagte Wiedemann.

Der Grund für aufflammende Aggressionen sei vielfach, dass Flüchtlinge sofort weiterfahren wollten, die dafür nötigen Busse aber nicht bereitstünden. Wiedemann hat aber durchaus Verständnis dafür, dass bei den Flüchtlingen die Nerven blank liegen: "Wenn man Tage und Stunden zusammengepfercht ist, nicht weiß, wie es weitergeht und dann auch noch untereinander Spannungen da sind, dann entlädt sich das." Deshalb müsse auch in kleinen ländlichen Orten "ein zentrales Bus-Management da sein, um die Menschen rasch in größere und besser eingerichtete Aufnahme-Einrichtungen bringen zu können".

BRK-Präsident kritisiert Flüchtlingspolitik

Doch auch ohne solche Zwischenfälle, so betonte BRK-Präsident Theo Zellner, seien die circa 1500 bis 2000 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer des BRK, die seit Wochen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Flüchtlinge sicherstellten, jetzt an der Grenze des Leistbaren angelangt. "Politik und Gesellschaft können nicht dauerhaft erwarten, dass nationale Krisenlagen dieser Dimension von ehrenamtlichen Kräften bewältigt werden. Das geht so nicht mehr weiter", sagte er.

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Manche der Helfer hätten seit Wochen kaum mehr ihrer geregelten Arbeit nachgehen können. Die Ehrenamtlichen wollten nach einer derart extremen Belastung eine Perspektive haben, wann sie sich wieder ihren Familien zuwenden, geschweige denn sich von den Strapazen erholen können. "Ein Katastrophenfall wie ein Hochwasser ist irgendwann vorbei, hier aber ist kein Ende in Sicht", sagte Zellner. Die Politik sei jetzt in der Pflicht, das Flüchtlingsaufkommen "zu kanalisieren".

Was die Helfer nun fordern

Florian Halter, BRK-Rettungsassistent in Berchtesgaden, gehört zu jenen, die seit Wochen kaum mehr am eigentlichen Arbeitsplatz tätig waren. Er koordiniert als ehrenamtlicher Bereitschaftsleiter die Flüchtlingshilfe in Freilassing, sorgt etwa dafür, dass für die Asylbewerber Bettenlager hergerichtet werden, dass Essen bereitsteht, dass kranke Flüchtlinge rasch versorgt werden. "Da sind an Grippe erkrankte Kinder dabei, die so geschwächt sind, dass sie die Fahrt zur nächsten Aufnahme-Einrichtung nicht überleben würden", sagt er.

Inzwischen sind knapp 20 Bundeswehrsoldaten am Hilfseinsatz beteiligt. Weitere 30 hat das BRK angefordert, doch der Antrag blieb eine Woche lang im Sozialministerium liegen. Bürokratische Hemmnisse müssten umgehend beseitigt werden, forderte Zellner. Und: "Ich erwarte vom Freistaat Bayern jetzt eine klare und verbindliche Zusage, dass wir überall dort, wo wir derzeit tätig sind, die wesentlichen Funktionen durch bezahlte Mitarbeiter ersetzen können."

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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