Fußballerdeutsch von Thorsten Legat:"Eier inner Buxe"

Thorsten LEGAT/Stuttgart

Thorsten Legat, heute 47, in der Saison 1996/97 als Spieler des VfB Stuttgart.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ex-Profi Thorsten Legat hat bei seiner Antrittsrede als Trainer des FC Remscheid den Dialekt Fußballerdeutsch wiederbelebt. Für alle, die das nicht verstehen: ein Übersetzungsversuch.

Von Christopher Gerards

Thorsten Legat ist vergangene Woche als Trainer des FC Remscheid vorgestellt worden, Landesliga Niederrhein. Legat, 46, war früher einmal Bundesliga-Profi, in Bochum, Bremen, Frankfurt, Stuttgart, Schalke. Er war auch damals neben seiner sehr dynamischen Spielweise bekannt für Aussagen der handfesteren Art. Mit einer Pressekonferenz, die in die Geschichte der schönsten Pressekonferenzen in Fußball-Deutschland eingehen wird, hat er sich nun medial zurückgemeldet.

Legat soll den FC Remscheid vor dem Abstieg retten. Wahrscheinlich wäre diese Meldung in den Seitenspalten der örtlichen Presse verschwunden, aber Legat hielt, vor laufender Kamera, seine Antrittsrede in einer mysteriösen Sprache, die Fußballfans in Deutschland lange nicht mehr vernommen hatten.

Fußballerdeutsch ist eine Mundart, die nur ein exklusiver Kreis früherer Profis fließend spricht. Die meisten Muttersprachler sind in den 1980er und 1990er Jahren sozialisiert worden. Philipp Lahm, Per Mertesacker, Mats Hummels - die Profis der Gegenwart sprechen ein derart erschreckend hochdeutsches Hochdeutsch, dass das Fußballerdeutsch ums Überleben kämpft.

Junge Fußballer lernen heute Begriffe wie falsche Neun und Box-to-box-Spieler, aber der fußballdeutsche Dialekt wird in den Klubs nicht mehr unterrichtet. Insofern erschließen sich Legats Worte nicht jedem Zuhörer. Hier folgen die Übersetzungen und Interpretationen der entscheidenden Passagen:

"Man geht freitags auch schön weg, ballert sich den Arsch voll, auf Deutsch gesagt" - Legat meinte damit, dass Fußballer, zumal in Amateurligen, gerne feiern gehen. Dass sie dabei den Alkohol am falschen Ende des Körpers einnehmen, ist allerdings ein bislang unbestätigtes Gerücht. Wie dem auch sei: Beim Sechstligisten in Remscheid ändert sich das nun. Denn Legat verfügte: "Nicht mehr bei mir." Was wohl die örtlichen Barbesitzer dazu sagen?

"Und mein größter Wunsch war ebend halt einmal für den FC Reehhmscheid (Remscheid; Anm. d. Red.) Trainer zu sein zu dürfen" - Legat freut sich aus mehreren Gründen auf die sechste Liga. Zum einen wohnt er nicht weit vom Sportplatz entfernt (seine eigenen Angaben schwanken zwischen zehn und zwölf Minuten). Zum anderen will er nicht in einer Profiliga trainieren, weil da zu wenig Klartext - also: Fußballerdeutsch - gesprochen werde.

"Und meine Aufgabe ist ebend halt: richtungswegend Klassenerhalt" - Der Ausdruck "richtungswegend" könnte eine Abwandlung/Weiterentwicklung von "richtungsweisend" sein. Fazit: Legat will auf jeden Fall nicht absteigen. Der FC Remscheid ist 14. in der Liga, einen Platz vor der Relegation. Legat konnte sein erstes Spiel schon gewinnen, 1:0 gegen den Cronenberger SC. Die Mannschaft ist also in der richtigen Richtung und auf dem richtigen Weg. Philipp Lahm, Per Mertesacker und Mats Hummel würden sagen: Wir müssen nach vorne schauen/Wir schauen von Spiel zu Spiel.

"Wir haben 'ne Mammutaufgabe. Und da brauche ich Leute, die sich nicht nur den Allerwertesten aufreißen, sondern die für den FC Reehhmscheid den Gefallen tun und sich den Allerwertesten noch mal aufreißen" - Der Allerwerteste gehört zu den beliebtesten Metaphern des Fußballdeutschen. Er wird häufig als Kollokation mit dem Verb "aufreißen" verwendet. Das bedeutet so viel wie: sich anstrengen. Entsprechend meint Legat mit der Steigerungsform "Allerwertesten noch mal aufreißen", dass sich die Spieler noch ein bisschen mehr anstrengen sollen.

"Was ich jetzt brauche, sind Kerle mit Eier inner Buxe" - Auch beim Ei handelt es sich im Fußballdeutschen um eine Metapher. "Ei" steht dabei im weitesten Sinne für "Mut" oder "mit voller Manneskraft". Oliver Kahn trug entscheidend zur Popularisierung des Begriffs bei, nachdem der FC Bayern ein Bundesligaspiel gegen Schalke 04 verloren hatte. Kahn forderte, ebenfalls vor laufender Kamera: "Eier, wir brauchen Eier."

"Die Einstellung ist immer Fakt" - Legat verweist an dieser Stelle auf die normative Kraft des Faktischen, ein Begriff aus der Rechtssoziologie Georg Jellineks. Die Einstellung ist demnach Gewohnheitsrecht: Ist die Einstellung gut, wird sie gut bleiben.

"Eins kann ich: Ich kann in den Köpfen der Spieler eins sagen: dass sich andere Zeiten hier in Reehhmscheid ändern. Hundertprozentig" - Profi-Trainer verweisen bei Amtsantritt gern auf ihren Vorgänger und dessen gute geleistete Arbeit. Die in Wahrheit so wenig überzeugend war, dass der Vorgänger zum Vorgänger wurde. Legat hingegen ist ehrlich: Er kündigt in Nietzschianischer Tradition die Umwertung aller Werte an - vergleiche dazu: Allerwertesten vollballern/nicht mehr bei mir.

"Ich hab da ein riesengroßes Problem" - Legats Rede haben sich derart viele Menschen angesehen, dass ihn der Rummel etwas stört. Er habe den Eindruck, dass sich die Leute belustigen. Dies ist eine vergleichsweise ehrliche Art, Unzufriedenheit anzusprechen. Spieler, die fußballdeutsches Vokabular nicht beherrschen, ziehen es vor, schweigend an den Reportern vorbeizuziehen. Legat sagt: "Da werd' ich kommentarlos nix mehr zu sagen."

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