Olympia-Bewerbung:Inklusive Inflation

11,2 Milliarden Euro Ausgaben, 3,8 Milliarden Euro Einnahmen: Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz versichert, dass die Kosten der Spiele 2024 die Hansestadt nicht überfordern würden. Kritiker sind weniger beglückt.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Was kostet eigentlich dieses Olympia? Das fragen sich interessierte Hamburger, seit die Bewerbung ihrer Stadt für die Sommerspiele 2024 beschlossen worden ist. Seit Monaten machen computeranimierte Visionen die Runde, obwohl das IOC erst in zwei Jahren entscheidet und die besten Pläne im Herbst 2015 eher surreal wirken. Vorläufig ringt die Hansestadt mit der sehr realen Gegenwart, allein im September trafen an Alster und Elbe 10 000 Flüchtlinge ein. Hunderte von ihnen zogen gerade in einen stillgelegten Baumarkt, der an grauen Regentagen wie diesen besonders deprimierend erscheint. Doch im schönen Rathaus gaben Bürgermeister Olaf Scholz und sein Team nun mit einigem Verve bekannt, wie sie die fünf Ringe stemmen wollen.

"Dieses ist die am besten durchgerechnete Bewerbung, nicht nur Deutschlands, ever."

Unter einer hohen Holzdecke informierte Scholz, dass seine Sachverständigen mit Kosten von 11,22 Milliarden Euro und Einnahmen von 3,81 Milliarden Euro kalkulieren. Das wäre eine Differenz von 7,4 Milliarden Euro, Hamburg würde davon 1,2 Milliarden Euro ausgleichen. Die Finanzkraft der Stadt werde damit bei einem Jahresetat von ungefähr zehn Milliarden Euro nicht überfordert, versichert Scholz. Neue Schulden dürfen die Kommunen laut Gesetz ohnehin bald keine mehr machen. Die restlichen 6,2 Milliarden Euro müsste der Bund übernehmen, also jeder Steuerzahler. "Dieses ist die am besten durchgerechnete Bewerbung, nicht nur Deutschlands - ever", sagt der SPD-Mann. Die Zahlen seien inklusive Inflation, Risikozuschlägen und weiteren Sicherheiten so bemessen, dass man sie "eher unterschreiten als übertreffen" werde.

Masterplan für Sportstätten und Olympiabebauung

Hamburger Träume: Computeranimationen zeigen, wie das Olympiastadion aussehen könnte. Simulation: Gmp/Bloomimages/dpa

Gewöhnlich sind Veranstaltungen dieser Größenordnung erheblich teurer als im ersten Moment vermutet. Gerade die Sporthistorie kennt die abstrusesten Beispiele. Außerdem hat Hamburg seine Erfahrung mit dem Konzertpalast namens Elbphilharmonie, die zwar immerhin vor dem Berliner Flughafen eröffnet wird, voraussichtlich im Januar 2017, aber zehnmal so viel kostet wie zunächst geplant. Nach jüngster Schätzung 789 Millionen Euro. Daran ist Scholz weitgehend schuldlos, dennoch muss der populäre Profi mit Hochrechnungen für noch wesentlich größere Umbauten vorsichtig sein, das weiß er selbst. Es geht bei der Idee mit dem Sportfest auch um seinen Ruf als verlässlicher Manager. Nüchtern bleiben müsse man da, er sei "begeistert, nicht euphorisch".

Am 29. November befinden zunächst die Wähler unter den 1,8 Millionen Hamburgern, ob der Vorstoß aus Wirtschaft, Politik und Sport in die nächste Runde gehen darf. Dafür braucht es erstens eine einfache Mehrheit, zweitens müssten 20 Prozent der 1,3 Millionen Wahlberechtigten für "Ja" stimmen, das wären 260 000 Menschen. In München ist so ein Referendum über die Winterspiele 2022 krachend gescheitert, man erinnert sich, auch die Bürger Krakaus und Oslos lehnten ab.

Masterplan für Sportstätten und Olympiabebauung

So könnte die Olympiaschwimmhalle auf dem Kleinen Grasbrook aussehen. Simulation: Gmp/Bloomimages/dpa

Bis Februar 2016 müsste sich im Falle einer Hamburger Zustimmung dann die rot-schwarze Bundesregierung mit dem rot-grünen Senat Hamburgs geeinigt haben, wer tatsächlich wie viel bezahlt. Der Deal steht bis zur Volksbefragung wohl kaum fest, aber erstmals beteiligt sich der Staat in Person des Innenministers Thomas de Maizière (CDU) als Gesellschafter an der Bewerbergesellschaft. Danach müsste Scholz die verbindliche Bewerbung an das IOC unterschreiben. Im September 2017 schließlich entscheiden in Lima die hohen IOC-Herren unter Vorsitz von Thomas Bach. Angesichts der Rivalen Los Angeles, Paris, Rom und Budapest sind Hamburgs Aussichten realistisch betrachtet schlecht.

Olympia bringe Wachstum, versichert Scholz - und sei auch für die Flüchtlinge gut

Vor allem Nordamerikaner und Franzosen haben mutmaßlich noch mehr Einfluss und Geld. Hamburg dagegen wirbt mit der durchdachten Idee kompakter Spiele mit überschaubaren Summen, kurzen Wegen und vernünftiger Nachnutzung. Das Zentrum des Konzepts ist die Elbinsel Kleiner Grasbrook, wo für knapp zwei Milliarden Euro die wichtigsten Sportstätten und für 1,7 Milliarden Euro die OlympiaCity für 18 000 Bewohner nach Art der HafenCity wachsen sollen. Das Olympiastadion wird mit höchstens 595,7 Millionen Euro veranschlagt und soll nach den Paralympics in eine kleinere Version mit Wohnungen verwandelt werden.

Modell stehen Barcelona 1992 und London 2012. In Großbritannien hatten die Hauptstadt umgerechnet 940 Millionen Euro und die Regierung 8,99 Milliarden Euro ausgegeben, Hamburg will preiswerter sein. "Wir machen klare Aussagen", sagt der Bürgermeister Scholz. Olympia bringe Wachstum und sei auch für die Flüchtlinge gut: "Das geht in dieselbe Richtung, Deutschland als Hoffnungsort."

Kritiker wie die Bürgerinitiative NOlympia sind weniger beglückt und wollen "gemeinsam den Olympia-Wahnsinn stoppen". Sogar der Rechnungshof warnt vor Risiken. Ansonsten ist da noch das Problem mit der HSH Nordbank. Bis zu zehn Milliarden Euro könnte deren Debakel Hamburg kosten. Das wären 12,7 Elbphilharmonien oder 40,3 Millionen Flüchtlinge, wie die Zeit ermittelte. Oder 1,35 Mal Olympia.

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