Hohe Verluste:Deutsche Bank stellt sich der Realität

Deutsche Bank

Der neue Chef hat abgerechnet mit den Zeiten, in denen sich die Spitze der Deutschen Bank selbst belogen hat.

(Foto: dpa)

Der neue Chef der Deutschen Bank kündigt Milliardenverluste an. Sie lassen manch einem den Atem stocken - dabei sind sie nur die neue Wirklichkeit.

Ein Kommentar von Harald Freiberger

Ein Verlust von 6,2 Milliarden Euro in einem einzigen Quartal - was der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan da ankündigte, lässt einem den Atem stocken. Nur zur Einordnung: Es ist der höchste Verlust in der 145-jährigen Geschichte der größten deutschen Bank, höher noch als im Schreckensjahr 2008, als Lehman Brothers pleiteging. Es ist ein Drittel des maximalen Schadenersatzes von 18,5 Milliarden Euro, von dem in den USA für Volkswagen wegen des Abgasskandals die Rede ist. Und es ist doppelt so viel, wie die Deutsche Bank in den vergangenen drei Jahren überhaupt an Gewinn gemacht hat, also in der Ära der Doppelspitze mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen, die in diesem Sommer schmachvoll zu Ende ging.

Was ist da los in den Frankfurter Doppeltürmen? Zunächst einmal hat da ein neuer Chef abgerechnet mit den Zeiten, in denen sich die Spitze der Deutschen Bank selbst belogen hat. Jain und Fitschen glaubten über Jahre, sie könnten so weitermachen wie vorher.

Dabei haben sich die Zeiten nach der Finanzkrise grundlegend geändert. Nichts ist mehr so wie vorher: Die Regulierer haben die Banken - zu Recht - dazu angehalten, ihre riskanten Geschäfte mit mehr Kapital zu unterlegen, damit sie nicht wieder den Steuerzahlern auf die Füße fallen, wenn sie schiefgehen. Eine Folge davon ist, dass sich viele Geschäfte nicht mehr lohnen. Andere Großbanken in den USA und Europa haben daraus schon vor Jahren die Konsequenzen gezogen - Jain und Fitschen nicht.

Eine andere Folge der Regulierung ist, dass die einzelnen Teile der Banken heute bei weitem nicht mehr so viel wert sind, wie sie waren, als sie gekauft wurden, und wie sie noch in den Büchern stehen. Ein großer Teil des nun anfallenden Verlusts bei der Deutschen Bank sind Abschreibungen auf Töchter wie die Postbank und die US-Investmentbank Bankers Trust, die 1999 übernommen wurde. Jain und Fitschen haben sich der Realität verweigert, mit Cryan hat nun ein neuer Realismus in den Doppeltürmen Einzug gehalten, der längst nötig war.

Das gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass neue Chefs beim Aufräumen am Anfang immer gern einen draufsetzen, damit sie nachher besser dastehen. Vielleicht hätte die Abschreibung nicht ganz so hoch ausfallen müssen - wichtig ist, dass Cryan mit den Zahlen signalisiert, dass er die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Die alte Führung glaubte, so weitermachen zu können wie immer - das ist nun vorbei

Das Erstaunliche ist, dass die Börse den gewaltigen Verlust sogar noch honoriert: Die Aktie der Deutschen Bank, die zunächst deutlich verloren hatte, drehte im Laufe des Tages ins Plus. Zum einen hat das technische Gründe: Die Abschreibung steht nur auf dem Papier, sie belastet nicht das Kapital. Eine Kapitalerhöhung, die größte Angst der Aktionäre, ist damit unwahrscheinlicher geworden. Die andere Seite ist, dass die Börse den neuen Realismus anerkennt. Cryan hat nicht nur angekündigt, dass die Dividende gekürzt wird, was die Aktionäre trifft. Er hat auch in Aussicht gestellt, dass die Boni für die Mitarbeiter in diesem Jahr nicht mehr so hoch ausfallen werden wie in den vergangenen Jahren. Auch damit unterscheidet er sich von der alten Führung, bei der die Bonusparty vor allem für die Investmentbanker im Großen und Ganzen weiterging, so als hätte es die Finanzkrise nicht gegeben.

Was Cryan am Mittwochabend ankündigte, ist erst der Anfang. Weitere Details werden Ende Oktober folgen. Es werden schmerzhafte Details sein, vor allem für die Mitarbeiter. Im Privatkundengeschäft sind tiefe Einschnitte bereits angekündigt, im Investmentbanking werden noch tiefere nötig sein, als die alte Führung sie vorhatte. Zehntausende der noch knapp 100 000 Stellen dürften in den nächsten Jahren wegfallen. Am Ende wird eine kleinere Deutsche Bank stehen, aber eben auch eine sicherere - und eine, die sich nichts mehr vormacht.

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